Bahn-Privatisierung:Große Pläne, große Bedenken

Als letztes großes Staatsunternehmen soll die Deutsche Bahn teilweise in private Hände übergehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur geplanten Privatisierung.

Das neueste Modell zur Bahn-Privatisierung gilt als letzter Versuch vor der Bundestagswahl im Herbst 2009 und als letzter Anlauf von Konzernchef Hartmut Mehdorn, der seit Anfang des Jahrzehnts darauf drängt, die Bahn für Investoren zu öffnen. Ein Überblick über die wesentlichen Details und Streitpunkte.

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(Foto: Foto: dpa)

Große Pläne, große Bedenken

Welche Konzernteile sollen privatisiert werden?

Bundesregierung und Bahnvorstand planen innerhalb der DB AG eine Holding für den Personen- und Güterverkehr, an der sich private Investoren mit maximal 49,9 Prozent beteiligen. Die Mehrheit dieser Holding soll die nächsten 15 Jahre der DB AG und damit dem Staat gehören. Das Schienennetz und die Bahnhöfe bleiben über die DB AG vollständig im Eigentum des Staats.

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Welche Investoren sollen wann einsteigen?

Bis Oktober sollen nach Angaben aus der DB-Spitze 25 bis 30 Prozent der neuen Holding veräußert werden. Einsteigen sollen vor allem internationale Verkehrsunternehmen, die sich langfristig beteiligen. Einen kleineren Teil könnten Finanzinvestoren übernehmen, die dann Bahn-Aktien breit an der Börse streuen. Dieses Geschäft könnte über Banken abgewickelt werden, etwa das staatseigene Geldinstitut KfW.

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Wie sieht der Fahrplan aus?

Der Aufsichtsrat der Bahn, dem vor allem Vertreter des Bundes und Gewerkschaften angehören, soll bei seiner nächsten Sitzung Ende März die neuen Pläne grundsätzlich gutheißen. Anschließend könnte der Bahnvorstand offiziell mit der Investorensuche beginnen und im Sommer zusammen mit der Bundesregierung vorschlagen, wer zum Zuge kommen soll. Laut Georg Brunnhuber, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Aufsichtsrats, könnte das Kontrollgremium im September entscheiden, welche Investoren den Zuschlag erhalten. Im Oktober würde dann der Kaufpreis fließen. "Das ist unser Wunsch", sagt Aufsichtsrat Brunnhuber.

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Was wollen Bund und Bahn einnehmen?

Im ersten Schritt fünf bis zehn Milliarden Euro, so Angaben aus der Bahnspitze. Rund 2,5 Milliarden Euro wolle man selbst kassieren, um damit neue Schnellzüge zu kaufen und im internationalen Güterverkehr weiter zu expandieren. Der Rest gehe an den Bund. Die Verkehrspolitiker im Bundestag seien sich einig, dass der Bund mit seinem Anteil das Schienennetz ausbauen solle, sagt der Abgeordnete Brunnhuber. Die Finanzpolitiker wollten lieber die Staatsverschuldung senken.

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Wer muss alles zustimmen?

Die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA, die eine wichtige Rolle im Aufsichtsrat und für die SPD spielen; Bundesregierung und Bundestag. In der Regierung ist man sich nach Angaben aus Koalitionskreisen weitgehend einig, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) treibt das Vorhaben voran. Die Unionsfraktion im Bundestag stimmt laut Brunnhuber den neuen Plänen zu. Scheitern kann das Vorhaben aber noch an den Gewerkschaften und der SPD.

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Was verlangen die Gewerkschaften?

Transnet und GDBA verlangen Garantien, dass die Bahn nicht zerschlagen wird. Sie befürchten, eine Aufspaltung in einzelne Unternehmen ginge zu Lasten der 230.000 Beschäftigten. Der aktuelle Tarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, sei dann hinfällig, sagen die Gewerkschaften und warnen vor weiteren Nachteilen für das Personal. Der Bahnvorstand soll daher laut den neuen Plänen sowohl dem Bund wie auch den Gewerkschaften vertraglich zusichern, dass die DB AG in den nächsten 15 Jahren Mehrheitseigner der neuen Personen- und Güterverkehrsholding bleibt und insofern eine Abspaltung ausgeschlossen ist. Außerdem soll per Satzung festgelegt werden, dass die DB weiterhin als "integrierter Konzern" betrieben wird, einschließlich Schienennetz und Bahnhöfen. Ob das genügt, darüber beraten die Gewerkschaftsvorstände. Ohne das Einverständnis der Gewerkschaften stimmt die SPD nicht zu.

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Welche Bedenken hat die SPD?

Zahlreiche Kritiker quer durch die Partei befürchten Nachteile für die Bahnkunden. Private Investoren könnten darauf drängen, die Fahrpreise deutlich zu erhöhen, um die Rendtite zu steigern, lautet einer der Einwände. Zu den Hauptgegnern zählt der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin. Er sagt, in der SPD sei, wenn überhaupt, dann "nur der Verkauf des Gütertransportgeschäfts durchsetzbar". Bei den Personenzügen macht der vom Staat mit mehreren Milliarden Euro pro Jahr finanzierte Nahverkehr den größten Profit, derzeit sind das 600 bis 700 Millionen Euro im Jahr. "Hier würden wir öffentlich finanzierte Gewinne verkaufen", sagt Sarrazin. "Das ist mit der SPD nicht zu machen." Lehnt die SPD die neuen Pläne ab, dann ist das Vorhaben gescheitert.

Große Pläne, große Bedenken

Was macht SPD-Chef Kurt Beck?

Nach Angaben aus der SPD will Beck das neue Modell durchsetzen und sucht deshalb nach Befürwortern. Das gestaltet sich aber schwierig. Offiziell gilt der Beschluss des vergangenen Parteitags, wonach nur stimmrechtslose Aktien ausgegeben werden sollen. Diese sogenannte Volksaktie sollte vor allem verhindern, dass private Investoren Zugriff auf das Schienennetz bekommen, das Bund und Bahn ursprünglich mitverkaufen wollten. Die Strecken bleiben nun beim Staat. Das kommt den Kritikern in der SPD entgegen, genügt ihnen aber nicht. Beck sondiert laut SPD-Kreisen deshalb, ob in dem wichtigsten Gremium eine Abkehr von der Volksaktie durchsetzbar sei. Notfalls müsse der Parteirat, der sogenannte Kleine Parteitag, einberufen werden. Ein Sonderparteitag solle vermieden werden. Falls eine Zustimmung zu den neuen Plänen nicht sicher sei, werde Beck kein Risiko eingehen und von der Privatisierung bei den Bahn lieber die Finger lassen, heißt es aus der SPD.

Wer lehnt das Vorhaben ab?

Nicht nur in der SPD gibt es Gegner. In dem Bündnis "Bahn für alle" haben sich zahlreiche Kritiker versammelt, die das Vorhaben verhindern wollen. Darunter die großen Gewerkschaften IG Metall und Verdi, der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland, die Umweltorganisation Robin Wood sowie die Jugendorganisationen der Grünen und SPD. Die Bahn solle den Schienenverkehr in Deutschland ausbauen, statt durch den Aufkauf von Speditionen in aller Welt global zu expandieren, lautet die Kritik. Öffentliche Dienstleitungen für die Fahrgäste dürften nicht privatisiert werden. Der SPD-Politiker Sarrazin sagt, es biete sich stattdessen an, einen Teil des weitweiten Gütertransportgeschäfts der DB zu verkaufen. "Das wäre allerdings das Ende von Mehdorns Traum eines globalen Verkehrskonzerns."

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