Süddeutsche Zeitung

Pofalla-Nachfolge:Deutsche Bahn baut ihren Vorstand um

Berthold Huber könnte neuer Chef des Infrastrukturbereichs werden. Der Aufsichtsrat wird womöglich bereits an diesem Mittwoch über diese wichtige Personalie entscheiden.

Von Markus Balser, Berlin

Noch ist Bahn-Vorstand Ronald Pofalla im Amt. Kommende Woche will er zusammen mit Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) an Bord eines ICE noch die neue Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Wendlingen und Ulm mit einer ersten Testfahrt in Betrieb nehmen. Ende April aber wird der 62-Jährige den Konzern nach sieben Jahren verlassen.

Schon seit einigen Tagen beraten Aufsichtsräte der Bahn, wer Pofalla als Vorstand für den wichtigen Infrastrukturbereich des Konzern folgen könnte. Zu vergeben ist eine der schwierigsten Aufgaben der Bahn. Denn bei dem Posten, der sich um das 33 000 Kilometer lange Bahnnetz kümmern muss, geht es schließlich um jenen Ärger, der Kunden seit Jahren auf die Palme bringt: die chronische Unpünktlichkeit der Züge, die rekordverdächtig vielen Baustellen wegen des veralteten wie überlasteten Netzes und die schleppende Digitalisierung des Zugverkehrs.

Nun hat der Konzern offenbar eine Lösung gefunden. Als Favorit gilt nach Angaben aus Konzernkreisen das Bahn-Vorstandsmitglied Berthold Huber. Er verantwortet bislang den Bereich Personenverkehr und ist für die Zugflotte der Bahn verantwortlich. Eine Entscheidung über den Posten sei allerdings noch nicht gefallen. So müsse Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) dem Wechsel noch zustimmen. Der Aufsichtsrat soll den Angaben zufolge auf einer Sondersitzung in den nächsten Wochen darüber entscheiden. Der 58-jährige Huber ist bereits seit 1997 bei der Bahn.

Der Wechsel löst einen weiteren Umbau im Vorstand aus. Hubers bisheriges Ressort soll von den Bereichsvorständen für den Fern- und für den Regionalverkehr übernommen werden. Rücken beide in den Konzernvorstand auf, würde das höchste Managementorgan um einen auf acht Posten wachsen. Die Bahn äußerte sich zunächst nicht zu den Plänen, über die zuerst der Spiegel berichtet hatte. Verlängert werden sollen in dieser Woche die Verträge der Güterverkehrschefin Sigrid Nikutta und von Finanzchef Levin Holle.

Aus der Ampelkoalition hagelte es Kritik an der Lage des von Pofalla verantworteten Netzes

Am Mittwoch wird sich der Aufsichtsrat der Bahn treffen, um über die Zukunft der Bahn zu beraten. Beschlossen werden dürfte dann auch eine Gehaltserhöhung für Bahnchef Richard Lutz und Huber. Die war im vergangenen Jahr heftig kritisiert und dann auf dieses Jahr verschoben worden. Am Donnerstag stellt die Bahn ihre Bilanz für das vergangene Jahr vor. Der Konzern leidet seit Beginn der Corona-Krise unter leeren Zügen und ausbleibenden Einnahmen. Die durchgesickerte Personalrochade sollte in dieser Woche nach ursprünglichen Plänen eigentlich noch kein Thema sein.

Wird der Umbau im Vorstand vollzogen, droht dem neuen Infrastrukturvorstand Huber auch deshalb eine schwierige Aufgabe, weil Verkehrsminister Wissing den Bereich umbauen will. Er hatte zuletzt deutlich signalisiert, dass er die chronisch schlechten Leistungen der Bahn nicht weiter hinnehmen werde. Aus der Ampelkoalition hagelte es Kritik auch an der Lage des von Pofalla verantworteten Netzes. Wissing scheint entschlossen, den Konzern zu reformieren und hat dabei vor allem die Netzsparte im Blick. Sie könnte formell aus der Aktiengesellschaft der Bahn herausgelöst werden. Verschärft hatte die kritische Lage für den Bereich zuletzt auch, dass das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 noch teurer werden soll, als ohnehin schon erwartet. Die Kosten liegen inzwischen bei mehr als neun Milliarden Euro. Zuletzt waren gut acht Milliarden Euro dafür veranschlagt.

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