Kampf gegen Verspätungen:Künstliche Intelligenz statt neuer Bahngleise

Kampf gegen Verspätungen: Ein Verkehrsdisponent in der Transportleitung der Deutschen Bahn: Mehr Computer machen den Zugverkehr zuverlässiger.

Ein Verkehrsdisponent in der Transportleitung der Deutschen Bahn: Mehr Computer machen den Zugverkehr zuverlässiger.

(Foto: Marcel Kusch/picture alliance/dpa)

Pünktliche Züge trotz Störungen: Moderne Digitaltechnik soll S-Bahnen in München und Frankfurt zuverlässiger machen. Die Pilotprojekte gelten als Blaupause für das ganze Land.

Von Markus Balser, Berlin

Wenn die Passagiere in den nächsten Wochen bei sinkenden Corona-Zahlen in die Züge zurückkehren, kommt auch das größte Problem der Deutschen Bahn zurück: Überall im Land fehlt es an Kapazitäten auf den Gleisen. Das Schienennetz ist auf den wichtigsten Achsen schon jetzt überlastet. Fällt ein Zug aus, oder hat ein ICE Verspätung, gerät der fein austarierte Fahrplan oft aus den Fugen. Die Folge: Schienen-Staus, Verspätungen und über den Haufen geworfene Zeitpläne bei der Wartung. Fachleute rätseln längst, wie es eigentlich gelingen soll, den Bahnverkehr bis 2030, wie von der Bundesregierung geplant, zu verdoppeln.

Die Deutsche Bahn kündigt nun an, den Mangel an Gleisen künftig stärker mit modernster Digitaltechnik zu bekämpfen. "Künstliche Intelligenz soll uns verstärkt dabei helfen, Probleme im Verkehr zu erkennen und Züge pünktlich fahren zu lassen", kündigt die neue Digital- und Technikvorständin der Bahn, Daniela Gerd tom Markotten, an. So könnten künftig auch deutlich mehr Züge auf dem gleichen Netz unterwegs sein.

Kampf gegen Verspätungen: Daniela Gerd tom Markotten ist im Bahn-Vorstand für Digitalisierung und Technik zuständig.

Daniela Gerd tom Markotten ist im Bahn-Vorstand für Digitalisierung und Technik zuständig.

(Foto: Timm Schamberger/picture alliance/dpa)

Der Staatskonzern will die Technik zunächst in Pilotprojekten ausbauen. Nach einem ersten Test in Stuttgart, soll Künstliche Intelligenz nun beim Betrieb der S-Bahnen in München und im Rhein-Main-Gebiet helfen. Der Konzern denkt aber auch bereits über den bundesweiten Einsatz nach.

Einsatz in den Leitstellen

Zum Einsatz kommen soll die Technik dort, wo so genannte Disponentinnen und Disponenten den gesamten Zugverkehr steuern und überwachen: In den Leitstellen. Mit der technischen Unterstützung sollen die Leistellen bei Problemen besser gegensteuern können. Die Technik soll etwa Passagierströme berechnen und empfehlen, welcher Zug als erster einen Bahnhof verlässt. Die Zugplaner können sich in einer Art Videoclip anzeigen lassen, wie sich mögliche Entscheidungen im weiteren Verkehr auswirken würden.

Bei einem ersten Pilotvorhaben in Stuttgart habe die Bahn so bei Störungen Verspätungen von bis zu acht Minuten ausgleichen können, sagt Managerin Gerd tom Markotten. Die Bahn habe in Stuttgart zudem 17 Züge auf der Haupttrasse mehr pro Tag und Richtung fahren lassen können. Das verspreche auch deutlich mehr Kapazitäten für das Gesamtnetz, wenn die Technik überall zum Einsatz komme, so Gerd tom Markotten.

Die Bahn hatte wegen des dicht befahrenen Netzes und vieler Baustellen in den vergangenen Jahren Mühe, das Problem mit Verspätungen in den Griff zu bekommen. Zuletzt kam jeder fünfte Zug mit deutlicher Verspätung an. Im Güterverkehr ist die Lage noch schlechter. Im November kamen 40 Prozent der Züge mit Verspätung an. Künstliche Intelligenz könne laufend den Bahnverkehr im Live-Betrieb simulieren und "Konflikte" früh melden. Zugplaner könnten so stärker präventiv eingreifen und Probleme durch Überholmanöver oder den Einsatz eines zusätzlichen Zugs zu vermeiden, heißt es bei der Bahn. Züge müssten so seltener ihre Geschwindigkeit reduzieren, oder warten, wenn ein anderer Zug einen Streckenabschnitt blockiert, hofft der Konzern.

Umsetzung kommt nicht voran

Die Bahn will die Technologie künftig auch für die Planung des Zugverkehrs und die Wartung der Züge nutzen. Sie rechnet etwa mit der Einführung von "Echtzeit-Fahrplänen", die dem eigenen Personal zeigen, wo Kapazitäten fehlen. Digitale Kameras und Sensoren sollen zudem den Reparaturbedarf an den Zügen melden und und die Wartungsdauer verkürzen.

Pläne für eine weit reichende Digitalisierung des Bahnverkehrs gibt es bei der Bahn allerdings schon seit Jahren. Bei der Umsetzung ging es zuletzt allerdings nur langsam voran. Mit der geplanten flächendeckenden Einführung des europäischen Zugsicherungssystems ETCS - der Basis für den automatischen Zugverkehr - hatte die Bahn 2015 begonnen. Bis zuletzt waren nur 340 Kilometer umgerüstet - also ein Prozent des Netzes. Weitere Pilotprojekte sind zwar geplant, aber der ganz große Wurf lässt bislang auf sich warten.

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