Energiekrise:Licht aus bei der Deutschen Bahn

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Der Bahn-Tower in Berlin steht gerade eh leer. (Foto: imago stock&people/imago/Schöning)

Die Bahn ist der größte Stromverbraucher im Land. Angesichts des Ukraine-Krieges sollen die Mitarbeiter nun Energie sparen. Und die Konzernzentrale bleibt im Dunkeln.

Von Markus Balser, Berlin, und Kathrin Werner, Berlin, München

Wie es aussieht, wenn ein Milliardenkonzern Energie spart? Die Deutsche Bahn gab am Dienstag die Antwort: ziemlich dunkel. Bislang wird die gläserne Konzernzentrale der Deutschen Bahn am Potsdamer Platz mitten in Berlin bis in den späten Abend hell erleuchtet. Vor Mitternacht strahlen LED-Leuchten die Fassade an. Sie würden ab sofort nicht mehr angeschaltet, teilte der Konzern nun mit. Allein das DB-Logo ganz oben am Bahn-Tower und die Positionslampen für die Flugsicherung würden weiter leuchten.

Angesichts der weltweiten Energiekrise will die Deutsche Bahn als größter deutscher Stromverbraucher zum Vorreiter beim Sparen werden. Der Vorstoß dürfte allerdings auch eine Reaktion auf die Verschwendungskritik am Unternehmen in den vergangenen Tagen sein. Denn die gläserne Zentrale wurde zuletzt hell erleuchtet, obwohl sie gerade wegen deren Sanierung leer steht. Die 800 Mitarbeiter der Bahnzentrale sitzen gar nicht mehr in dem markanten Glasbau, sondern ein paar Meter weiter im benachbarten Sony Center. Eigentlich wollte man ja schon früher abschalten, aber Genehmigungen und Entscheidungsprozesse hätten etwas länger gedauert, heißt es bei der Bahn.

Jetzt aber soll es richtig losgehen, mit dem Sparen. Alle 200 000 Mitarbeiter der Bahn in Deutschland bekämen "mit der Dezember-Lohnzahlung einen Energiebonus von 100 Euro", kündigte Personalvorstand Martin Seiler an. Werde die Idee gut angenommen, stocke der Konzernvorstand den Energie-Bonus sogar auf einmalig insgesamt bis zu 150 Euro auf. Darüber, ob sich die Mitarbeiter beim Stromsparen ausreichend ins Zeug gelegt hätten, will der Vorstand bis Jahresende entscheiden.

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Der Energiebonus sei verbunden mit dem Aufruf, mit kreativen Ideen am Arbeitsplatz weiter Energie zu sparen, erklärte die Bahn. "Wir wollen, dass alle Beschäftigten in Deutschland aktiv werden, dass alle kleineren und größeren Hebel gezogen werden, um es am Ende zu einer nennenswerten Einsparsumme zu bringen", sagte Seiler. Es gehe um Themen wie die Beleuchtung, das Heizen, das Nutzen von Klimaanlagen, die Betankung, "oder vielleicht auch mal die Treppe statt dem Aufzug zu benutzen". Auch geringe Einsparungen summierten sich bei der Größe des Konzerns zu einem nennenswerten Betrag und sind ein wichtiger Hebel, um die rasant steigenden Energiepreise abzufedern.

Konzerne wollen Mitarbeiter ins Home-Office schicken, um Energie zu sparen

Andere Konzerne haben andere Ideen. Um Energie zu sparen, wollen sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Home-Office schicken. Schließlich müssen die ihre Wohnungen ohnehin heizen und könnten sich so den Sprit sparen, den sie sonst bei der Pendelei verbrauchen würden. "Grundsätzlich gesehen kann das Home-Office zum Energiesparen beitragen, da Bürogebäude nicht geheizt werden müssen und dort auch Strom gespart werden kann", sagte Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Auch der Bundeswirtschaftsminister lobt die Idee. "Die Energiebilanz ist dann eine positive, wenn in den Büros nicht geheizt wird und Räume genutzt werden, die sowieso geheizt werden", sagte Robert Habeck. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) schätzt, dass durch wegfallende Arbeitswege bis zu 3,7 Millionen Tonnen Treibhausgase im Straßenverkehr eingespart werden können.

Hohe Spritpreise: Sparen will jeder, aber das Home-Office ist trotzdem umstritten. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)

Für Konzerne sind sinkende Energiekosten praktisch - und sie machen sich auch gut in der derzeitigen politischen Lage. "Es ist möglich, dass wir wieder befristet mehr Home-Office einführen, so wie in der Pandemie. Aber dieses Mal, um im nationalen Interesse Energie zu sparen", sagte Carsten Knobel, der Chef des Konsumgüterherstellers Henkel, in einem Interview mit der Rheinischen Post. "Wir könnten dann die Temperatur in den Büros stark herunterfahren, während unsere Beschäftigten zu Hause im normalen Umfang heizen könnten." Der Deutsche Gewerkschaftsbund dagegen twitterte empört: "Mehr #Homeoffice im Winter, um in den Betrieben #Energie zu sparen? So nicht." "Energienot darf nicht dazu führen, dass Home-Office dazu genutzt wird, Kosten für Arbeit - dazu gehört das Heizen der Arbeitsstätten - auf die Beschäftigten zu verlagern", sagte DGB-Vorständin Anja Piel.

Laut einer Umfrage der Zeitung Handelsblatt unter den 40 Dax-Konzernen planen die ersten, für den Winter die Raumtemperatur in ihren Büros abzusenken, auch das Home-Office sei neu im Trend. So gebe es bei Bayer Pläne, die Temperatur an den deutschen Standorten um mindestens ein Grad Celsius zu senken. Normal seien im Winter eigentlich 20 bis 22 Grad. Der Fahrzeughersteller Daimler Truck wolle mit Beginn der Heizperiode die Raumtemperatur in seinen Produktionshallen und Büros gar um zwei Grad herunterfahren. Der Versicherungskonzern Hannover Rück erwäge, einzelne Gebäude komplett zu schließen, um sie deutlich weniger zu heizen und die Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken. "Jetzt gilt es alles auszuschöpfen, was mit der Arbeitsschutzverordnung vereinbar ist", sagte Frank Mastiaux, der Chef des Energieversorgers EnBW.

Die Sparmaßnahmen haben aber Grenzen, gerade auch bei der Bahn. In Bahnhöfen, Zügen und an den Arbeitsplätzen ist in Deutschland aus Sicherheits- und Arbeitsschutzgründen eine Mindesthelligkeit vorgeschrieben. Daran will der Konzern auch nichts ändern. Neben dem Mitarbeiterprogramm hat die Bahn weitere Maßnahmen gestartet. Dazu gehören etwa das energiesparende Fahren im Fern- und Regionalverkehr sowie der Austausch fossiler Wärme- durch alternative Heizanlagen. Die Bahn verbraucht jedes Jahr etwa zehn Terawattstunden Strom - so viel wie kein anderes Unternehmen. Gas hat am Bahn-Strommix einen Anteil von sechs Prozent, Kohle einen von rund 20 Prozent. Der Ökostromanteil liegt bei mehr als 60 Prozent.

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