Unternehmen:Die Regierung muss den Wohlstand besser verteilen

Mit Karacho über den Bodensee

"Segelyachten und so was" wolle sie von ihrer Dividende kaufen, sagte die Firmenerbin Verena Bahlsen.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

Unfreiwillig hat Verena Bahlsen mit ihren irritierenden Äußerungen den Blick auf die Privilegien für Firmenerben gelenkt - und auf ungerechte Steuergesetze.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Wie ist der Reichtum in Deutschland verteilt? Und wie sollten Unternehmen mit der dunklen Vergangenheit des Landes umgehen? Die Erbin Verena Bahlsen hat eine Debatte zu diesen Fragen ausgelöst, die eine in den vergangenen Jahrzehnten ungleicher gewordene Gesellschaft noch beschäftigen könnte. Am Ende könnte die Bundesregierung erkennen, dass sie für eine fairere Verteilung des Wohlstands sorgen sollte.

Nachdem sie sich über ihren Reichtum ausgelassen hatte, wurde die junge Erbin mit der Vergangenheit der Keksfirma in der NS-Zeit konfrontiert. Sie konterte, Bahlsen habe sich nichts zuschulden kommen lassen, "wir haben die Zwangsarbeiter gut behandelt". Diese Rechtfertigung fand bis hin zur New York Times Beachtung, weil sie an den beschämenden Umgang der deutschen Wirtschaft mit der Nazizeit erinnert. Erst aus Sorge vor Klagen kam es - 55 Jahre nach Kriegsende - zu einem Fonds für die Zwangsarbeiter, die noch am Leben waren. Nach dem Proteststurm will die Keksfirma ihre Vergangenheit nun umfassend aufarbeiten lassen - 75 Jahre nach Kriegsende.

Unfreiwillig hat Verena Bahlsen ("Ich will mir 'ne Segelyacht kaufen") den Blick auch auf etwas anderes gelenkt: die Privilegien für Firmenerben in diesem Land. Nun sei allzu erregten Kritikern gesagt, dass Eigentumsrechte in einer Marktwirtschaft selbstverständlich sind. Die Familie reicht die Firma eben weiter. Überhaupt nicht selbstverständlich sind jedoch die heutigen Steuergesetze. Während Millionen Deutsche nichts erben, gibt eine kleine Minderheit einen Großteil des Nachlasses weiter. In den vergangenen Jahren fielen 90 Kindern Firmen im Wert von durchschnittlich jeweils 300 Millionen Euro steuerfrei in den Schoß.

Solche Geschenke zementieren eine Ungleichheit, die größer ist als sonst in Europa: 50 reichen Haushalten gehört so viel wie etwa 40 Millionen Deutschen, also der Hälfte der Bevölkerung. Das schafft zusammen mit stagnierenden Reallöhnen oder explodierenden Mieten Frust. Der Wirtschaftsboom kommt bei ihnen kaum an, so empfinden es viele Bürger. Sie wenden sich resigniert von den etablierten Parteien ab - und häufiger Populisten zu.

Ernsthafte Steuern für Unternehmerfamilien müssen keine Jobs kosten

Union und SPD müssen dem nicht zusehen. Die Bundesregierung könnte gezielt mehr in Bildung investieren, damit der soziale Aufstieg leichter fällt als heute. Sie könnte auch den Wohlstand stärker verteilen, indem sie die breite Masse von Steuern und Abgaben entlastet. Das würde mehr Bürgern vermitteln, was ihre Leistung wert ist. Das Geld dafür lässt sich unter anderem über eine höhere Belastung der Kapitalerträge Reicher holen - und eine ernsthafte Steuer auf Firmenerbe. Dabei müsste man nicht so radikal sein wie die Erbin von Schwarz Pharma, die 100 Prozent Steuern in Ordnung fände.

Die Firmenlobby verhindert eine Reform bisher mit dem Argument, das koste jede Menge Jobs. Aber das ist vorgeschoben. Die Steuerzahlung eines Firmenerben lässt sich auf viele Jahre strecken.

So könnten die irritierenden Aussagen der Bahlsen-Erbin, für die sie sich nun eilfertig entschuldigt, am Ende etwas Gutes haben. Falls Unternehmen aufhören, die schlimmen Seiten ihrer Historie zu verniedlichen. Und falls endlich Konsequenzen aus der drastischen Ungleichheit gezogen werden. Nun wird es interessant sein, ob und wie die Bundesregierung handelt.

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