Bafin zu Bonitätsanleihen und CFD:Bauchschmerzen

Warum die Bankenaufsicht Bonitätsanleihen nun doch nicht verbietet, den Vertrieb von Differenzkontrakten aber einschränken will. Ein Gespräch mit Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz.

Interview von Katharina Wetzel

Seit einem Jahr räumt die Bankenaufsicht Bafin dem Verbraucherschutz eine größere Bedeutung ein. Nach dem Kleinanlegerschutzgesetz hat die Behörde auch die Möglichkeit, Produkte zu verbieten. Manchmal reicht als Mittel aber auch eine Androhung. Ein Gespräch mit Christian Bock, der die Abteilung Verbraucherschutz bei der Bafin leitet.

SZ: Mit welchen Beschwerden kommen die Verbraucher zu Ihnen?

Christian Bock: Wir bekommen pro Jahr etwa 500 Beschwerden im Wertpapierbereich. Einige beschweren sich, dass sie nicht umfassend genug beraten worden sind. Häufig hören wir auch Klagen, dass Produkte sich nicht so entwickeln, wie der Kunde sich das vorgestellt hat.

Zum Beispiel?

Gerade im Derivatebereich sehen wir oftmals, dass Anleger falsche Erwartungen haben. Bei Optionsscheinen, beispielsweise auf den Dax, klären wir häufig das Missverständnis auf, dass sich das Derivat eben gerade nicht exakt so entwickelt wie der zugrundeliegende Basiswert. Der Preis ist hier nicht allein vom Basiswert abhängig, sondern auch von anderen Faktoren wie etwa der Volatilität, also der Schwankungsintensität, oder dem eingesetzten Hebel, der Gewinne oder Verluste vervielfacht.

Solche Hebelprodukte sind nicht gerade für Privatanleger geeignet. Sehen Sie solche Geschäfte mit Sorge?

Sorge bereiten mir solche Geschäfte dann, wenn Anlegern ihr Risiko dabei nicht bewusst ist. Bei Differenzkontrakten (contracts for difference, CFD) mit einer Nachschusspflicht zum Beispiel wissen nicht alle Privatanleger, dass sie nicht nur mit dem eingesetzten Kapital spekulieren, sondern Gefahr laufen, Haus und Hof zu verlieren.

Das müssen Sie erklären.

Das Verlustrisiko ist bei CFD mit Nachschusspflicht unkalkulierbar. Nehmen Sie etwa die Entwicklungen im Januar 2015, als die Schweizerische Nationalbank die Eurobindung des Franken aufhob. Viele Anleger, die mit CFD auf die Entwicklung der Schweizer Währung gesetzt hatten, sollten teils sechsstellige Summen nachzahlen. Uns ist es deshalb wichtig, das Verlustrisiko bei CFD zu begrenzen.

Was haben Sie vor?

Wir planen, den Handel mit CFD zu beschränken. Privatanleger sollten künftig nur noch solche Produkte kaufen können, die keine Nachschusspflicht haben. Dazu haben wir vor wenigen Tagen den Entwurf einer Allgemeinverfügung veröffentlicht. Bis zum 20. Januar können sich die Anbieter, aber auch Verbraucher dazu schriftlich äußern. Wir werden die Stellungnahmen auswerten und danach im ersten Halbjahr 2017 entscheiden, ob und in welcher Form das geplante Vertriebsverbot kommt.

Trader works on the floor of the NYSE

Unkalkulierbares Risiko: Mit Differenzkontrakten haben Privatanleger teils hohe Beträge verloren. Vielen war wohl nicht klar, dass bei Wetten mit Nachschusspflicht auch ihr Vermögen auf dem Spiel steht.

(Foto: Lucas Jackson/Reuters)

Unter Beobachtung standen auch die Bonitätsanleihen, mit denen Anleger auf die Kreditwürdigkeit von Unternehmen oder Staaten setzen können. Warum?

Bonitätsanleihen sind ein bei Privatanlegern sehr beliebtes, aber auch sehr komplexes Produkt. Entscheidend für Verzinsung und Rückzahlung des investierten Geldes sind Kreditrisiken von Unternehmen. Diese sind für Anleger nur schwer zu bewerten. Auch die bisherige Bezeichnung war schwierig. Anders als der Name nahelegt, handelt es sich bei den Produkten eben nicht um Anleihen im klassischen Sinne.

Die Branche hat am vergangenen Freitag reagiert. Die Produkte werden künftig als "bonitätsabhängige Schuldverschreibung" bezeichnet. Gab es im Vorfeld Beschwerden von Anlegern?

Nein, Beschwerden gab es nicht, Verluste aber schon. Bei Anleihen etwa, die sich auf die Kreditwürdigkeit von Lehman oder Griechenland bezogen, erlitten Anleger teilweise schwere finanzielle Einbußen.

Warum haben Sie sich letztlich gegen ein Verbot entschieden?

Wir haben uns dafür entschieden, das Verbot erst einmal zurückzustellen. Die Selbstverpflichtung, die die Zertifikatebranche Ende vergangener Woche vorgestellt hat, beinhaltet einige wichtige und wesentliche Änderungen, die für Privatanleger definitiv von Vorteil sind. Ob der damit verstärkte Verbraucherschutz nun durch ein Verbot der Aufsicht oder aber durch eine Verpflichtung der Industrie erreicht wird, ist nur eine Frage des Mittels und zweitrangig. Wir werden jetzt beobachten, ob die Selbstverpflichtung in der Praxis ausreicht. Falls nicht, werden wir auch wieder ein Verbot prüfen.

Wann verbietet die Bafin ein Produkt?

Bei erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz. Die Komplexität eines Produkts ist dabei ein Kriterium.

Im Vergleich zu einer klassischen Anleihe handeln sich Anleger bei Bonitätsanleihen mindestens ein zusätzliches Ausfallrisiko ein. Wie erklären Sie sich, dass die Papiere so beliebt sind? Ihr Anteil am deutschen Zertifikatemarkt (68,3 Milliarden Euro) beträgt aktuell fast zehn Prozent.

Privatanleger sind gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld auf der Suche nach lukrativen Investments. Da haben Produkte, die eine ganz ordentliche Verzinsung versprechen, eine große Anziehungskraft.

Die Industrie warf der Bafin wegen des drohenden Verbots Symbolpolitik vor.

Da möchte ich ganz deutlich widersprechen. Verbraucherschutz ist seit Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes Mitte 2015 eine wichtige und laufende Aufgabe der Bafin. Dazu gehören, wenn es erforderlich ist, auch Produktinterventionen.

Christian Bock

Christian Bock, 52, ist seit 1999 bei der Bankenaufsicht Bafin tätig. Ende November wurde der Bankkaufmann und Volljurist Leiter der Abteilung Verbraucherschutz, die Anfang 2016 gegründet wurde.

(Foto: Bafin)

Stimmen Sie sich da auch mit anderen Aufsichtsbehörden ab?

Wir arbeiten häufig und eng, auch auf europäischer Ebene, mit den anderen Aufsichtsbehörden zusammen. Eine zeitliche oder inhaltliche Abstimmung zu einzelnen Interventionen findet aber in aller Regel nicht statt. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma selbst wird ab 2018 die Möglichkeit zur europaweiten Produktintervention bekommen.

Sie könnten also auch Verbote beschließen, die es sonst nirgends in Europa gibt?

Ja, grundsätzlich wäre das möglich. Aber wie Sie aktuell bei den CFD sehen, arbeiten die anderen europäischen Länder auch häufig an ähnlichen Themen. Diese Produkte bereiten momentan vielen Aufsehern Bauchschmerzen. Deswegen reagiert da im Moment ein Land nach dem anderen mit Vertriebsbeschränkungen.

In der Praxis ist es doch schwer, ein Verbot auszusprechen. Sie müssten bei mehr als einer Million Zertifikaten ja dann viele verbieten, die ähnlich komplex sind.

Komplexität ist nur einer von vielen Aspekten, den wir bei der Frage berücksichtigen, ob ein Finanzprodukt Bedenken für den Anlegerschutz aufwirft. Abgesehen davon bedeutet ein geplantes oder ausgesprochenes Verbot aber auch nicht, dass alle anderen empfehlenswert oder sauber sind.

Braucht es bei Zertifikaten mehr Aufklärung als etwa bei Fonds oder Aktien?

Ja, in der Regel schon, denn die Produkte sind meist komplexer. Je mehr Risiken eine Anlage hat, desto mehr Aufklärung braucht der Kunde.

Müsste es ähnlich wie bei Tabakprodukten deutliche Warnhinweise geben?

Dafür haben wir das Produktinformationsblatt. Wie bei Tabakprodukten muss der Anleger aber auch bereit sein, diese Warnhinweise zu lesen.

Der Anleger trägt also auch selbst eine Verantwortung. Lautet so Ihr Schlussappell?

Ja. Appellieren möchte ich aber auch an die Derivate- und Zertifikatebranche. Die Emittenten sollten sich fragen, ob auch all das emittiert werden muss, was rechtlich möglich ist. Wünschenswert wäre hier eine kritische Selbstreflektion. Produkte, die bereits kundengerecht aufgelegt werden, machen Produkt- oder Vertriebsverbote nämlich gar nicht mehr erforderlich.

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