Bankenaufsicht:"Die Sachen bleiben nicht mehr geheim"

Bankenaufsicht: Ein Blick auf die Skyline von Frankfurt. Dort stehen die Zentralen vieler Banken, die die Finanzaufsicht kontrolliert.

Ein Blick auf die Skyline von Frankfurt. Dort stehen die Zentralen vieler Banken, die die Finanzaufsicht kontrolliert.

(Foto: imago images/Cavan Images)

Der neue Chef der Finanzaufsicht Bafin, Mark Branson, zieht erstmals öffentlich Zwischenbilanz. Die Behörde soll jetzt präsenter sein. Und er warnt vor Kriegsrisiken, die auch das deutsche Finanzsystem betreffen.

Von Friederike Krieger , Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Eigentlich soll man die Feste feiern, wie sie fallen. Das 20-jährige Bestehen einer Behörde könnte ein gegebener Anlass sein. Doch der Chef winkt ab: "Für einen größeren Festakt mit ausführlicher Retrospektive ist nicht die richtige Zeit", sagte Bafin-Präsident Mark Branson am Dienstag in Frankfurt. "Jetzt müssen wir erst einmal zeigen, was in uns steckt." Am 1. Mai 2002 war die erste integrierte deutsche Finanzaufsicht an den Start gegangen - Versicherungssektor, Bankenbranche und Wertpapierhandel wollte die Bafin künftig unter einem Dach kontrollieren. Die Erwartungen waren hoch. "Nicht immer hat die Finanzaufsicht diese Erwartungen erfüllt", sagt der neue Chef rückblickend.

Was passiert bei einem Zinsschock?

Branson, ein Mann mit britisch-schweizerischer Nationalität, möchte deutschen Aufsehern mehr Biss verordnen. Das haben die Vorgänger auch immer versprochen, sie scheiterten oft, mal bemerkten sie die Finanzkrise zu spät, mal schluderten sie komplett, wie bei Wirecard, wo die Behörde lieber Journalisten verfolgte, die aufklären wollten, als den mutmaßlich betrügerischen Vorstand der Firma.

Was also kann Branson? Die ersten neun Monate seiner Amtszeit brachten zumindest mehr Eigen-PR. Die Bafin macht mehr Wind um ihre Sanktionen. Strafen gegen Banken veröffentlicht sie oft zeitnah und nennt auch Ross und Reiter. Das war früher anders, viel Geheimniskrämerei, keine Namen der betroffenen Institute. Die Behörde sorgte sich damals oft mehr um die Reputation der Finanzinstitute als um das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Auch um Abschreckung ging es eher nicht. Das soll anders werden. "Transparenz hat eine generalpräventive Wirkung", meint Branson. "Um Respekt zu genießen, muss die Behörde Präsenz zeigen", sagt er weiter und verweist darauf, dass die Bafin in seiner noch kurzen Amtszeit deutlich öfter Strafen ausgesprochen habe als in der Vergangenheit.

Doch an diesem Tag der Bafin-Jahrespressekonferenz ging es auch um die Lage der deutschen Finanzbranche. Branson warnte vor den weiteren Folgen des Ukraine-Kriegs für die deutschen Banken. Zwar sei das Finanzsystem stabil und die direkten Auswirkungen des Kriegs und der Sanktionen gegen Russland und Belarus Stand jetzt verkraftbar. "Problematisch könnten die schwer einschätzbaren Zweit- und Drittrundeneffekte werden", sagte er. Der Krieg bremse weltweit das Wirtschaftswachstum, störe Handelsbeziehungen, treibe die Preise von Gas, Öl und anderen Rohstoffen in die Höhe und verschärfe das Problem der Lieferengpässe.

Bankenaufsicht: Mark Branson, zuvor Direktor der Schweizer Finanzmarktaufsicht, leitet jetzt die deutsche Finanzaufsicht Bafin.

Mark Branson, zuvor Direktor der Schweizer Finanzmarktaufsicht, leitet jetzt die deutsche Finanzaufsicht Bafin.

(Foto: Peter Klaunzer/picture alliance/dpa)

"Wir sehen auch, wie infolgedessen die Inflation weiter steigt, was Zinsanhebungen immer wahrscheinlicher macht, auch in der Eurozone", sagte Branson. Den Banken hilft ein Zinsanstieg allerdings nur, wenn er langsam und stetig verläuft. Dann lässt sich im klassischen Kreditgeschäft leichter Geld verdienen. "Ein abrupter und kräftiger Zinsanstieg aber könnte die Banken in Schwierigkeiten bringen", sagt Branson. Will heißen: Kurzfristig angelegte Refinanzierungen würden plötzlich teurer, etwa, weil Institute den Kunden höhere Zinsen für ihre Spareinlagen zahlen müssen, während zugleich Zinseinkünfte aufgrund langer Zinsbindungen langsamer stiegen, etwa bei Immobilienkrediten. Das birgt Risiken. Seit Anfang April durchleuchtet die Bafin daher mit der Bundesbank die Geldhäuser unter ihrer direkten Aufsicht und spielt in einem Stresstest "die verschiedenen Zinsszenarien" durch.

"Das sind dreiste Akteure"

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hat die Finanzaufsicht auch die Cyberrisiken im Blick. "Sehr groß und sehr präsent ist die Gefahr, dass Unternehmen des Finanzsektors Opfer von Cyberangriffen werden oder dass es dort zu internen IT-Sicherheitsvorfällen kommt", sagte Branson. Der Krieg habe Cyberangriffe auf den deutschen Finanzsektor wahrscheinlicher gemacht. "Solche Vorfälle können im Extremfall der Stabilität des Finanzsystems schaden", so der Bafin-Chef.

Branson möchte auch die Geldwäschebekämpfung verbessern. "Deutschland ist nicht allein in Europa, das Thema wurde über die Jahre eher unterschätzt", sagte er. Beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität spiele das Finanzsystem eine ganz wesentliche Rolle. "Das sind dreiste Akteure. Man darf nicht da schlafen", sagte Branson. Erst am Freitag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt, das Bundeskriminalamt und die Bafin mal wieder die Deutsche Bank durchsucht haben. Das Geldhaus hatte mutmaßlich Geldwäscheverdachtsmeldungen zu spät abgegeben - es ging um Zahlungen eines Familienmitglieds des syrischen Machthabers Baschar al-Assad.

In der Lebensversicherung dringt die Bafin derweil auf eine Obergrenze für Provisionen. Das Thema stand lange auf der politischen Agenda, war aber wieder in der Versenkung verschwunden. Lediglich Restschuldversicherungen, die Banken zur Absicherung von Krediten verkaufen, hatte die letzte Bundesregierung einen Provisionsdeckel verpasst. Der Bafin - und auch der europäischen Versicherungsaufsicht Eiopa - sind vor allem die hohen Kosten bei Fondspolicen nach wie vor ein Dorn im Auge. Im März hatte die Bafin eine Untersuchung veröffentlicht, die etlichen Verträgen ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis attestierte.

Branson kennt beide Seiten der Finanzwelt. Er arbeitete bei der Credit Suisse und der UBS, bei letzterer Großbank als Finanzvorstand der Vermögensverwaltung. Er erlebte, wie das Institut in den USA und später auch in Deutschland hohe Strafen zahlen musste, weil es den Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen hatte. 2010 wechselte Branson als deren Chef zur Schweizer Finanzaufsicht Finma. Auch in diesen Jahren kamen immer wieder Finanzskandale ans Licht, in die Schweizer Banken verwickelt waren. Zuletzt belegte die Enthüllung der "Suisse Secrets", wie die Credit Suisse zwielichtige Kundschaft bediente - auch zu Zeiten, als Branson in der Schweiz die Finanzaufsicht verantwortete.

Frage an ihn: Was haben Sie aus den "Suisse Secrets" für ihre Tätigkeit als Bafin-Präsident gelernt? "Die Sachen bleiben nicht mehr geheim, das alte Bankgeheimnis war schon lange ein Auslaufmodell", antwortet Branson und fordert: "Die Kundenkontrollsysteme der Banken müssen besser werden." Das allerdings versprechen die Geldhäuser schon lange.

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