Die deutsche Finanzaufsicht Bafin moniert die geltenden Transparenzregeln für nachhaltige Geldanlagen und fordert die EU auf, die Interessen von Privatanlegern besser zu schützen. „Wir sind unzufrieden mit der Wirkung der aktuellen Transparenzregeln und sehen Verbesserungsbedarf, vor allem, weil viele Anleger enttäuscht sind“, sagte der für Nachhaltigkeit zuständige Bafin-Exekutivdirektor Rupert Schaefer der Süddeutschen Zeitung. Sein Geschäftsbereich heißt Strategie, Policy und Steuerung.
Eigentlich war es gut gemeint: Mit der EU-Offenlegungsverordnung (Abkürzung: SFDR) wollte Brüssel vor vier Jahren nachhaltige Geldanlage für Privatanleger transparenter machen, auch um sogenanntes Greenwashing zu verhindern. Paradoxerweise sorgen die EU-Vorgaben eher für Verwirrung. Weil sie in erster Linie auf Transparenz abzielen, sind Recherchen von Umweltorganisationen zufolge sogar expandierende Öl- und Gasunternehmen in sogenannten Artikel-9-Fonds enthalten – obwohl gerade diese Firmen das Erreichen von Klimazielen behinderten.
Die EU-Richtlinie unterscheidet zwischen Artikel-6-, Artikel-8- und Artikel-9-Fonds. Artikel-9-Fonds werden oft als besonders nachhaltig wahrgenommen, obwohl sie in erster Linie besonders transparent sind. „Viele hatten gewisse Vorstellungen und dachten, dass sie nachhaltig investieren, wenn sie als Artikel-8- oder -9-gelabelte Fonds kaufen“, sagte Schaefer. Dabei stelle die Richtlinie keine Qualitätszusage oder bestimmte Nachhaltigkeitsgrade dar, es gehe vielmehr um verschiedene Detailstufen von Transparenz. Die Kunden müssten auf dieser Basis dann selbst urteilen. „Die SFDR war ein wichtiger erster Schritt. Sie muss aber weiterentwickelt werden, um Anleger wirksam vor Irreführung oder Enttäuschungen zu schützen und ihnen eine bessere Entscheidungsbasis zu geben“, sagte der Bafin-Exekutivdirektor mit Blick auf eine geplante Überarbeitung der Richtlinie.
Nachdem nachhaltige Geldanlagen im vergangenen Jahrzehnt einen großen Aufschwung erlebt haben, erfährt die Branche derzeit Gegenwind, vor allem aus den USA. Die neue US-Regierung ignoriert ESG nicht nur, sondern bekämpft praktisch jegliches Umweltbewusstsein. Das Kürzel ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Aber auch in Europa ändert sich die Begrifflichkeit. Zuletzt hatte die EU gegen den Protest vieler Umweltverbände Atomkraft und Gas als „nachhaltige Geldanlagen“ eingestuft. Nun versucht mit dem Verteidigungssektor noch eine umstrittene Branche, als ESG eingestuft zu werden. Hinzu kamen Greenwashing-Skandale wie bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS. Sie musste unlängst ein Bußgeld zahlen, weil sie ihre Produkte für Fondsanleger nachhaltiger dargestellt hatte, als sie es wirklich waren.

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Um Anlegern nicht nur Transparenz, sondern auch Klarheit zu bieten, hat die europäische Finanzmarktaufsicht Esma nun einheitliche Namensregeln für Nachhaltigkeitsfonds eingeführt. Wertpapierfonds, die Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „Umwelt“ oder „Impact“ im Namen tragen, müssen seit Ende Mai strengere Ausschlusskriterien für Investitionen in Kohle-, Öl- und Gasgeschäfte erfüllen. „Die neuen Esma-Leitlinien bringen uns einen guten Schritt weiter: Sie regeln EU-weit einheitlich, welche Mindestkriterien gelten, wenn ein Fondsname Nachhaltigkeitsbegriffe enthält“, sagte Schaefer. Tatsächlich benannten die Anbieter kurz vor der Frist zahlreiche ESG-Fonds einfach um oder passten die Anlagerichtlinie an.
Sind US-Unternehmen unter Trump noch nachhaltig?
In den USA werfen unterdessen auf Druck von Präsident Donald Trump immer mehr US-Unternehmen ihre Rekrutierungsziele zu Mitarbeitervielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion über Bord. Sie sind im Bereich „Social“ in der ESG-Typologie zu verorten. Auch Klimaziele spielen in den USA so gut wie keine Rolle mehr. Können europäische ESG-Fonds angesichts dieser Umwälzungen überhaupt weiterhin in US-Unternehmen investieren? Das sei kein Problem, sagte Schaefer. Deutsche ESG-Fonds könnten etwa weiter investieren. Die Bafin arbeite auf Grundlage europäischer und deutscher Regulierung – und die sehe vor: Solange ein Fondsunternehmen für das eigene Produkt ausreichend klar definiere, was „nachhaltig“ bei E, S und G bedeute, und das dann auch so anwende, könne die Bafin nicht intervenieren.

Das Gleiche gelte für Rüstungsinvestitionen, die von Cyberverteidigung bis zu ziviler Verteidigung oder Waffen reichten. Aufsichtsrechtlich sei es zulässig, solche Unternehmen in einem ESG-Finanzprodukt zu haben. „Es ist außerhalb unseres Mandats, da ein Werturteil zu sprechen. Wir empfehlen den Produktanbietern, Investitionen deutlich offenzulegen, zu denen Anleger bekanntermaßen eine kontroverse Haltung haben, und nicht irgendwo in der Fußnote zu verstecken“, sagte Schaefer. Der Vertrieb solle sicherstellen, dass die Anleger gut verstehen, ob das Produkt eine ESG-Wirkung erzielen soll. Das könne zum Beispiel der Fall sein, indem die Portfolio-Unternehmen ernsthaft ihren CO₂-Ausstoß senken und aus der Kohle aussteigen. „In finanzieller Hinsicht kann das auch ein riskantes Produkt sein – muss aber nicht. Oder ist das ein Produkt, das keine oder geringe ESG-Wirkung hat, aber relativ hohe finanzielle Renditechancen?“
Schaefer hält allerdings die vielen ESG-Produktratings für problematisch: Wenn zum Beispiel ein Anlageprodukt mit einer guten Note bewertet sei, dann könne es sein, dass sich diese zu 80 Prozent aus einer Bewertung der Unternehmensführung (Governance) und nur zu 20 Prozent aus Umweltthemen zusammensetze. Bei anderen Ratings sei es genau umgekehrt, so der Bafin-Direktor. „Das muss der Anleger wissen oder es sich aus dem Kleingedruckten des Ratings erschließen.“ Nützlich wären künftig wenige, klar definierte echte Produktkategorien, die alle Kunden verstünden und die den Anbietern eindeutige Vorgaben machten.
Auf die Frage, welche Folgen das Greenwashing-Bußgeld für die DWS auf die Branche habe, sagte Schaefer, er könne sich zu einzelnen Unternehmen zwar nicht äußern. Die Bafin nehme Greenwashing aber seit Jahren ernst. „Greenwashing kann eine Verletzung des Aufsichtsrechts darstellen, insbesondere bei Irreführung von Anlegerinnen und Anlegern“, sagte er. „Die nötigen Regeln, in solchen Fällen einzuschreiten, haben wir.“ Die Aufsicht messe Unternehmen an diesem Standard und interveniere bei Verstößen. Was die ESG-Offenlegung angehe, müsse man betonen: „Das eine sind Verletzungen von Aufsichtsrecht, da greifen wir ein.“ Das andere seien schwammige Versprechen oder enttäuschte Anlegererwartungen an die ESG-Wirkung. Da könne die Bafin nicht viel machen.
Es gibt allerdings auch den Vorwurf, die Bafin sei zu zahnlos und zeige wenig Motivation, sich ernsthaft um Greenwashing zu kümmern. Hat die deutsche Aufsicht sogar die Sorge, sie könne in Mithaftung geraten, wenn sie erst die Wertpapierprospekte eines Fondsanbieters abnimmt und ihn später rügen muss? Das wies Schaefer zurück. Die Bafin prüfe die Produkte vor ihrer Freigabe und überwache sie, solange sie am Markt seien. Zudem zöge man Stichproben und gehe Hinweisen von Whistleblowern sowie Beschwerden nach.