Die Kurskapriolen an den Finanzmärkten infolge der US-Zollpolitik sind nach Einschätzung der deutschen Finanzaufsicht Bafin noch nicht ausgestanden. „Es besteht ein erhebliches Potenzial für weitere Rückschläge an den Märkten – auch solche, die systemweite Auswirkungen haben könnten“, sagte Bafin-Präsident Mark Branson am Mittwoch auf der Jahrespressekonferenz der Behörde in Frankfurt. Die Unsicherheit sei und bleibe „extrem hoch“. Branson warnte zudem, dass sich Schwierigkeiten von Unternehmen auf die Banken übertragen könnten – auch wenn sie die bisherigen Turbulenzen gut verkraftet haben. Zugleich nehmen die Banken weniger im klassischen Kredit- und Zinsgeschäft ein, während die Risiken für Unternehmensinsolvenzen und Kreditausfälle steigen.
Die US-Börsen verbuchten in den ersten vier Monaten des Jahres 2025 ungewöhnlich starke Kursverluste. Insbesondere Anfang April nach den Zollankündigungen von Donald Trump kam es zu massiven Rückgängen über mehrere Tage hinweg. Zwar haben sich die Märkte zuletzt etwas erholt, dennoch notiert der breite US-Aktienindex S&P 500 seit Jahresbeginn weiterhin rund 4,7 Prozent im Minus. Der Technologieindex Nasdaq Composite hat sogar etwa 8,4 Prozent verloren.
„An den Finanzmärkten lösen sich derzeit alte Gewissheiten auf“, sagte Branson. So sei es nicht mehr selbstverständlich, dass Anleger in Krisenzeiten auf US-Staatsanleihen als „sicheren Hafen“ ausweichen würden. Nach den Zollankündigungen stiegen die Renditen zehn- und dreißigjähriger US-Anleihen parallel zu den Kursverlusten an den Aktienmärkten deutlich an – ein ungewöhnlicher Vorgang. Investoren griffen auch verstärkt zu Anleihen mit kürzeren Laufzeiten. Da fallende Anleihekurse zu steigenden Renditen führen, liegt die Verzinsung zehnjähriger US-Staatsanleihen derzeit mit rund 4,34 Prozent weiter deutlich über dem Niveau vergangener Jahre.
„Das ist vollkommen neu.“
Branson sprach in diesem Zusammenhang von einem Paradigmenwechsel: „Das ist vollkommen neu.“ Zwar könne es sich auch um eine Momentaufnahme handeln, dennoch müsse genau beobachtet werden, was sich daraus für Banken ergebe. Zehnjährige US-Staatsanleihen sind eine Referenz für langfristige Zinssätze und beeinflussen unter anderem Hypothekenzinsen und die Finanzierung von Unternehmen. Steigende Renditen bedeuten für den US-Staat höhere Zinskosten bei der Neuemission von Anleihen. Für Banken, die große Bestände an Staatsanleihen halten, können Kursverluste – abhängig von der bilanziellen Behandlung – zu empfindlichen Abschreibungen führen.
Auf die Frage, was es bedeuten könnte, sollten die USA tatsächlich Richtung Faschismus tendieren, sagte Branson, die US-Regierung befinde sich noch in der Phase der Besetzung zentraler Posten unterhalb der Kabinettsebene. In internationalen Aufsichtsgremien seien bislang keine deutlichen Rückzugsbewegungen der US-Vertreter zu beobachten. „Bislang lassen sich nur vorläufige Schlüsse ziehen“, sagte er. Es sei aber wichtig und zu hoffen, dass sich die Aufsichtsbehörden des weltweit größten Finanzmarkts weiter international einbrächten.