Badenia:Teure Schrottimmobilie statt Traumwohnung

Die Kleinanleger hatten höhere Kosten und niedrigere Einnahmen als von den Vermittlern der Bausparkasse vorgerechnet. Jetzt zeigt sich die Badenia in Härtefällen unnachgiebig.

Von Thomas Öchsner

Tausende von Kleinverdienern haben bei der Bausparkasse Badenia den Kauf von überteuerten Eigentumswohnungen finanziert. Viele stehen jetzt vor dem Ruin, einige nahmen sich sogar das Leben.

Badenia: Finanziert mit der Badenia: Schrottimmobilien

Finanziert mit der Badenia: Schrottimmobilien

(Foto: Foto: ddp)

Dennoch zeigt sich die Bausparkasse, gegen deren früheren Finanzvorstand wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt wird, in vielen Härtefällen wenig kulant. Das werfen Rechtsanwälte von Geschädigten der Badenia vor.

Es war schon nach Mitternacht, als Ferdinande und Walter Schneemann unterschrieben. Zwei Stunden hatten die Vermittler auf das Ehepaar aus Uder in Thüringen eingeredet und immer wieder gesagt, dass sich die beiden um nichts kümmern müssten.

Die Eigentumswohnung finanziere sich mit der Steuerersparnis und den Mieteinnahmen quasi von selbst. Eigenkapital sei nicht nötig. Und nach zehn Jahren ließe sich die Immobilie mit Gewinn verkaufen.

120.000 DM zahlten die Schneemanns damals für die Immobilie, ein 44 Quadratmeter großes Appartement in einem Wohnblock in Helmstedt. 180.000 DM sollte die Eigentumswohnung, die die Bausparkasse Badenia finanzierte, nach zehn Jahren wert sein.

Appartment entpuppte sich als Schrottimmobilie

Aber schon bald begriffen die Schneemanns, dass sie damals im März 1993 einen schweren Fehler begangen hatten, der ihr Leben entscheidend verändern würde. Die Schneemanns bekamen eine Schrottimmobilie angedreht.

Schon nach einem dreiviertel Jahr stellte sich heraus, dass alles, was die Vermittler auf einem Schmierzettel vorgerechnet hatten, nichts wert war. Die Raten waren höher, die Mieteinnahmen geringer als versprochen. Die Wohnung war selbst deutlich unter dem Einkaufspreis unverkäuflich.

Die Schneemanns waren einem Vermittler der Firma Heinen & Biege (H& B) aufgesessen, die Anfang der neunziger Jahre im Zusammenwirken mit der Badenia an Klein- und Mittelverdiener systematisch überteuerte Eigentumswohnungen verkaufte.

Die von dem Ehepaar eingeschaltete Immobilienmaklerin Sabine Pangritz schätzt, dass die Wohnungen in dem Block schon beim Verkauf 30 Prozent zu viel kosteten. Aber auf ein Entgegenkommen der Bausparkasse wartet das Ehepaar bislang vergeblich.

Mit dem Sparen am Ende

Heute sitzt Ferdinande Schneemann, 54, am gleichen Wohnzimmertisch und ringt um Fassung. Sie hat Brustkrebs. Ihr Mann, 55, sitzt nach einer Gehirnblutung im Rollstuhl und ist schwerstpflegebedürftig.

Beide erhalten eine kleine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die neue Heizung für ihr Reihenhäuschen, das sie in Uder bewohnen, ist noch nicht abbezahlt. Die Zinsen für die Bauspardarlehen der Badenia verschlingen jeden Monat 264,59 Euro. Und Ferdinande Schneemann weiß nicht mehr, wo sie sparen soll.

Vier Badenia-Opfer haben sich inzwischen umgebracht. Doch die viertgrößte deutsche Bausparkasse, eine Tochter der AMB Generali, weist jede Mitschuld von sich.

"Der Großteil der Finanzierungen von Anlegerobjekten verläuft absolut störungsfrei", heißt es bei der Bausparkasse. Und auf Härtefälle nehme man Rücksicht. Julius Reiter, Rechtsanwalt der Schneemanns in Düsseldorf, sieht dies ganz anders: 300 Badenia-Kunden vertritt er.

Über 500 Vergleiche hat seine Kanzlei bereits mit anderen Banken abgeschlossen. "Aber die Badenia ist im Umgang mit den getäuschten Kunden im Gegensatz zu anderen Banken absolut unnachgiebig. Dabei hat sie bei der Finanzierung von Schrottimmobilien eine besonders unrühmliche Rolle gespielt", sagt Reiter.

Immobilien systematisch überbewertet

Die Vorgeschichte: Anfang der neunziger Jahre ließ die Badenia über die inzwischen insolvente Heinen & Biegen und über die "Köllner Gruppe" rund 8400 Wohnungen, teilweise aus dem ehemaligen Bestand der Neuen Heimat verhökern.

Wie die Verkaufsmasche funktionierte, ist in einem 146-seitigen Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche nachzulesen, die im Auftrag der Finanzaufsichtsbehörde das Geschäftsgebaren der Bausparkasse durchleuchtete.

Darin heißt es, dass "von einer systematischen Überbewertung der Sicherungsobjekte ausgegangen werden muss". Dem Vorstand seien "überhöhte Verkaufspreise" bekannt gewesen. Und: Die Kreditgewährung sei "als insgesamt nicht ordnungsgemäß zu bewerten". Man könnte also auch sagen: Die Badenia ließ die Anleger bewusst ins Verderben laufen.

Anfang März 1993, als die Vermittler von Heinen & Biege am Wohnzimmertisch der Schneemanns saßen, verdienten die beiden nicht viel. Er, Lagerarbeiter, und sie, Kassiererin bei einem Energieversorger, kamen zusammen auf 2300 DM netto.

Aber das mache nichts, versicherten ihnen die Heinen & Biege-Leute, sie müssten ja nur kleine Raten zahlen. "Die Rede war von 100 Mark im Monat", sagt Ferdinande Schneemann. Möglich machte dies ein ausgeklügeltes Finanzierungsmodell, das speziell Kleinanleger ansprechen sollte.

Erhöhter Kaufpreis

Dabei ersetzte ein Vorausdarlehen, das durch zwei Bausparverträge getilgt werden sollte, die sonst übliche mehrjährige Ansparphase. Eigenkapital war dadurch nicht notwendig.

Die monatliche Belastung sei, wie in einer Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nachzulesen ist, "in den Anfangsjahren künstlich niedrig" gehalten worden. Dies habe aber zu einem "erhöhten Kaufpreis" geführt, "was für viele wohl mit einem höheren Verkehrswert gleichbedeutend war".

Außerdem operierte die Badenia mit unterschiedlichen Bonitätsanforderungen: Die Mitarbeiter hatten bei einem Ehepaar Lebenshaltungskosten von 1000 DM anzusetzen, bei der Drückerkolonne von Heinen & Biege reichten 800 DM. Das machte die Kunden auf dem Papier liquider - und schon war der Kreis der möglichen Käufer erweitert.

Der frühere Heinen&Biege-Geschäftsführer Andreas Mertens gibt inzwischen offen zu: "Die Vermittler gaben selbst in der Regel einseitig die Finanzierung durch die Badenia vor, weil hier die größte Provision mit dem geringsten Aufwand zu erreichen war." Diese Provisionssätze lagen bei 20 Prozent des Kaufpreises, teilweise sogar darüber.

Laut einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 1. Oktober 2004 an die Kanzlei Reiter stellt sich das vorläufige Ermittlungsergebnis in der Strafsache gegen Heinen & Biege so dar, "dass die überwältigende Mehrheit der Wohnungserwerber über die gezahlten Innenprovisionen nicht aufgeklärt wurden und bei deren Kenntnis die Immobilie nicht erworben hätten. Insoweit hat sich der Betrugsvorwurf erhärtet."

Vier Jahre dauern die Ermittlungen gegen die Firmengründer von H&B, Uwe Heinen und Laurenz Biege, nun schon. Auch gegen den früheren Finanzvorstand der Badenia, Elmar Agostini, wird ermittelt. Seine Akte erhielt kürzlich die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Mannheim. Er hatte, so die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, "umfassende Kenntnis vom Geschäftsgebaren der H&B".

Teure Schrottimmobilie statt Traumwohnung

Nur der Gewinn war wichtig

In einem Bericht des Dortmunder Kriminalkommissariats 31 über die Abzockmasche der Badenia am Beispiel einer Wohnanlage in Schwelm heißt es: "Die Festlegung des Kaufpreises erfolgte ausschließlich am grünen Tisch, und zwar zwischen Herrn Biege und/oder Heinen und Herrn Agostini. Der Verkehrswert orientierte sich ausschließlich daran, wie ein Gewinn aus den jeweiligen Abverkäufen maximal erzielbar sein würde zu Gunsten der Badenia und der Heinen&Biege-Gruppe."

Schwer wiegt auch der jüngste Vorwurf gegen die Badenia: Der Heinen&Biege-Justiziar Jürgen Lahrmann hat vor der Polizei gestanden, Vermittler von H&B vor ihrem Zeugenauftritt bei Badenia-Prozessen trainiert zu haben.

Demnach sollten die Drücker auf ausdrücklichen Wunsch der Badenia vor Gericht erzählen, dass sie umfassend über die Risiken des Badenia-Modells aufgeklärt hätten. Die Badenia weist diesen Vorwurf zurück und hat Strafanzeige gegen Lahrmann gestellt.

Der wiederum lässt sich nicht beirren. Lahrmann verweist auf die Hotel- und Taxirechnungen, Flugscheine und Fahrkarten, die er als Beweismaterial für seine "Trainingsbesuchen" sicher im Ausland aufbewahre.

Es hatte bereits einen versuchten Einbruch in einer Immobilie von Lahrmann gegeben. Für seine Glaubwürdigkeit spricht auch, dass er sich selbst belastet, weil er womöglich zu Falschaussagen angestiftet hat.

Prozessbetrug wird geprüft

Die Staatsanwaltschaft prüft jedenfalls inzwischen, ob Prozessbetrug vorliegt oder nicht. Sollte sich dies bestätigen, könnten Rechtsanwälte versuchen, einzelne Prozesse neu aufzurollen. Vielleicht haben sie dann mehr Erfolg als bisher.

Bislang hat die Badenia fast jeden Prozess gewonnen. Dies mag mit ein Grund sein, warum sich die Badenia bislang in Härtefällen wie den Schneemanns wenig kulant gezeigt hat. Seit 2002 schloss das Unternehmen bis Ende August nicht einmal 100 Vergleiche ab.

Für Rechtsanwalt Reiter ist dies ein "Armutszeugnis". Er wirft der Badenia eine unprofessionelle Abwicklung der Härtefälle vor. Immer wieder fordere die Bausparkasse neue Unterlagen an. Die eine Abteilung wisse nicht, was die andere tue.

Und häufig werde versucht, am Anwalt vorbei mit den Kunden zu verhandeln. "Die Badenia war stets aktiv, wenn es darum ging, unsere Mandaten ohne unsere Kenntnis mit Mahnschreiben und Vollstreckungsandrohungen zu bombardieren", kritisiert Reiter.

Die Familie Schneemann hat die Zahlung der Raten inzwischen eingestellt. Nur liegt Ferdinande Schneemann jetzt noch häufiger schlaflos nachts im Bett und grübelt. "Ich habe einfach Angst", sagt sie, "dass es eines Tages klingelt und der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht."

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