Kanzlerin Angela Merkel staunte nicht schlecht, wer ihr da bei einem Truppenbesuch in Afghanistan in Bundeswehruniform über den Weg lief und ihr als Wehrübender Meldung machte: Frank-Jürgen Weise, 59, Oberst der Reserve, im Zivilleben Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Sein Büro dort strahlt nichts Soldatisches aus. Gediegen, zweckmäßig, mit großen Zimmerpflanzen und wohl dosierter moderner Kunst an der Wand. Der Schreibtisch ist akkurat aufgeräumt, die Akten darauf sind sauber geordnet. Das Gespräch führt Weise freundlich, entspannt und konzentriert.
Frank-Jürgen Weise ist Chef der Bundesagentur für Arbeit.
(Foto: dpa)SZ: Herr Weise, wie viel Soldat steckt noch in Ihnen?
Weise: Im guten Sinne einiges. Ich habe in der Offiziersausbildung gelernt, mich immer gut vorzubereiten, strukturiert zu denken, zu sprechen und dem anderen eine Chance zu geben. Das prägt mich sehr. Ich habe bei der Bundeswehr allerdings auch sehr schlechte Erfahrungen mit Vorgesetzten gemacht.
SZ: Zum Beispiel?
Weise: Dumme Quälerei ohne Sinn und Verstand, Vorgesetzte, die ihre Macht und Überheblichkeit spüren lassen. Im "Blauzeug", also in der Ausgehuniform, Liegestütze auf einer Straße machen lassen - niemand kann behaupten, dass das sinnvoll ist. Ich habe aber auch Vorgesetzte erlebt, die offen und ehrlich waren. Insofern war es gut, durchzuhalten und nicht hinzuschmeißen.
SZ: Diese Erfahrungen prägen sicherlich heute Ihren Führungsstil. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Weise: Ich höre viel zu und versuche, viel zu verstehen. Ich erarbeite mir Dinge lieber selbst, lese nicht so viele Akten, sondern telefoniere, spreche viel und sammle unterschiedliche Meinungen ein. Wenn dann etwas entschieden ist, sorge ich dafür, dass es wie von einer deutschen Werkzeugmaschine professionell abgearbeitet wird.
SZ: Sie sind aber nicht in Talkshows zu sehen, um den Politikern dort Ratschläge zu erteilen. Gehorcht hier der Soldat Weise der Regierung?
Weise: Das hat nichts mit Gehorsam zu tun. Ich bin nicht der Typ, der überall öffentlich auftreten will, und in Talkshows wäre ich nicht gut. Ich spreche in Berlin offen und klar die Themen der Bundesagentur an, aber nicht öffentlich. Hat die Politik entschieden, ist es mein Job, das ordentlich umzusetzen, die BA zu führen und dafür zu sorgen, dass unsere Leute kompetent, freundlich, schnell und hilfsbereit zu den Kunden sind.
SZ: Zu den Kunden? Haben Sie den Begriff Kunde eingeführt?
Weise: Nein, der war vorher da.
SZ: Finden Sie es gut, Arbeitslose Kunden zu nennen?
Weise: Ich fand den Begriff nicht ideal, in der Abwägung haben aber die Argumente dafür überwogen. Früher ging man in ein Amt, stand demütig da, hockte in irgendeinem Flur herum und wartete, bis man drankam. Uns war klar, das kann nicht sein, dass der Staat sich dem Bürger so präsentiert, der dafür bezahlt. So tauchte der Begriff Kunde auf. Er soll unsere Haltung als Dienstleister gegenüber den Bürgern untermauern.
SZ: Jetzt haben Sie als Chef der Reformkommission mit der Bundeswehr sozusagen einen neuen Kunden. Sind Sie als BA-Chef nicht genug ausgelastet?
Weise: Durchaus. Aber es stärkt die BA, wenn andere von ihren Erfahrungen profitieren und lernen wollen. Daher nehme ich mir gerne die Zeit, zumal ich auch einen Bezug zum Thema habe. Ich nehme für jeden Tag bei der Reformkommission entweder Urlaub bei der BA oder investiere Freizeit und Wochenenden. Die BA ist auch ohne mich stabil, und ich kann trotzdem sagen, dass ich mein Gehalt hier mit Berechtigung beziehe.