Von der Zentrale des Versicherungskonzerns Axa Deutschland in Köln-Holweide braucht man bei starkem Verkehr etwa 15 Minuten mit dem Auto bis nach Köln-Mülheim. Dort hat eine geheimnisvolle Abteilung mit dem Namen "Transactional Model" ihr Büro. Die fünf Kilometer Entfernung zwischen der Zentrale und dem jüngsten Unternehmensteil sind bewusst gewählt. In den Augen von Deutschlandchef Thomas Buberl ist sie nämlich von größter Bedeutung. Denn die zehn Mitarbeiter beim "Transactional Model" haben eine gewaltige Aufgabe. Sie sollen nicht weniger als die Versicherung neu erfinden - in gebührender räumlicher Distanz von der Zentrale und deren Einflüssen.
Die Richtung hat Buberl schon mit dem Namen vorgegeben: In einem Transaktionsmodell werden die Handlungen zweier Seiten miteinander analysiert. Die Axa will weg von der bisherigen einseitigen Kommunikation: Der Versicherer bombardiert den Kunden mit Informationen und drängt ihn zum Abschluss. Der Kunde hat nur im Schadensfall mit dem Versicherer Kontakt. Künftig will die Axa auf die jeweilige Lebens- und Bedarfssituation des Kunden reagieren. Die Zauberworte dafür heißen "Big Data" und Digitalisierung - die Zusammenfassung aller Daten, die das Unternehmen über einen Kunden hat, vom Fahrstil bis zum Gesundheitszustand.
Es reicht nicht mehr, ein Risiko zu verstehen und im Schadensfall zu zahlen
"Big Data verwandelt die Wirtschaft ähnlich wie Strom und Öl im vergangenen Jahrhundert", sagt der Pariser Konzernchef Henri de Castries zur Digitalstrategie. Für die Versicherer bestehe die einzige Möglichkeit darin, die richtigen Werkzeuge zu finden, sie anzuschaffen und damit auf die Veränderungen zu reagieren. Die Axa hat inzwischen große Labore für die Datenanalyse eingerichtet.
"Unsere Kunden haben neue Werkzeuge, und nutzen sie", argumentiert de Castries weiter. "Der Zugang zu Informationen ändert ihre Erwartungen." Sie wollen nicht weniger, sondern mehr - für weniger Geld. Es reiche nicht mehr, ein Risiko zu verstehen und im Schadensfall zu zahlen. Die Kunden verlangten, dass die Versicherer ihnen Sorgen abnehmen.
Die Frage ist: Geht das mit den heutigen Gesellschaften? Die Axa Deutschland ist aus der Übernahme der Traditionsversicherer Colonia und Nordstern durch den französischen Konzern entstanden. Heute arbeiten knapp 10 000 Mitarbeiter in ganz Deutschland für das Unternehmen. Buberls Sorge: Dieser Riesentanker ist zu groß für die nötige Wende. Um zu tragfähigen neuen Geschäftsmodellen zu kommen, werden Start-ups gebraucht. Anstatt darauf zu warten, dass aggressive Angreifer mit solchen Ablegern auf den Markt kommen, gründet er lieber selbst einen.
"Man muss wahrscheinlich auf der grünen Wiese einen neuen Versicherer hinstellen", sagte Buberl schon 2014 auf einer Fachkonferenz. Genau das tut er jetzt. Leiter der neuen Gruppe in Köln-Mülheim ist Michael Bongartz, den die Axa vom Unternehmensberater Boston Consulting Group abgeworben hat.
Wenn man fragt, was die Gruppe genau macht, ist Axa recht schweigsam. In einem ersten Schritt hat sie wohl Befragungen und Recherchen angestellt, um zu erfahren, was die Deutschen von einem Versicherer erwarten. Der nächste Schritt wäre dann die Entwicklung von Versicherungsangeboten und Kommunikationskanälen. "Transactional Model" soll kein eigener Versicherer werden, sondern bestehende Gesellschaften als Risikoträger nutzen.
Der Plan: Erfolgreich getestete neue Modelle kann die Axa dann auf den gesamten Konzern übertragen. Er wird auch schon heute digital umgekrempelt, von der App für Autofahrer mit Tarifierung nach Fahrstil bis zu ganz neuen IT-Systemen. Doch das reicht nicht, glaubt die Führung. Deshalb das Start-up.