Axa:Das Smartphone fährt mit

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Das Handy als Beifahrer: Die Versicherer setzen auf spielerische Verkehrserziehung. (Foto: imago)

Der Versicherer will mit einer einfachen App das Fahrverhalten verändern.

Von Herbert Fromme, Köln

Die Testfahrt im Kölner Norden geht über 11,2 Kilometer, die App auf dem Handy ist angeschaltet. Sie misst Geschwindigkeit, Verhalten beim Bremsen, Beschleunigen und Kurvenfahren - nur mit den Sensoren des Smartphones, ohne Blackbox im Auto. Nach der Fahrt kommt das Urteil: Auf einer Karte zeigt die App die Strecke und markiert einzelne Punkte dunkelrot. "Kilometer 5,3: Viel zu starke Bremsung", moniert das Programm. "Kilometer 9,78: Viel zu starke Beschleunigung." Der Score ist miserabel: 46 von 100 möglichen Punkten beim Beschleunigen, 45 Punkte beim Bremsen, nur beim Kurvenfahren 64. "Gut", lobt die App, aber nur da.

Mit dem neuen Programm will der Versicherer Axa junge Fahrer locken. Wer unter 25 ist, kann bis zu 15 Prozent Rabatt erreichen. Voraussetzung: Er muss die App in einem Zeitraum von zwölf Wochen mindestens 40 mal für drei Kilometer oder mehr einschalten - und einen guten Score erzielen.

Junge Kunden verursachen viel höhere Schäden als ältere. Das soll nun anders werden

Damit kommt nach der Hannoveraner VHV ein weiterer großer Autoversicherer mit einem Telematiktarif auf den Markt. Die Marktführer HUK Coburg und Allianz wollen 2016 folgen. Das Besondere an der Axa-App: Sie kommt ohne festverbaute Box aus und kann vom Fahrer beliebig an- und ausgeschaltet werden. Das dürfte sie für datenschutzbewusste Fahrer akzeptabler machen als Verfahren mit Dauerüberwachung von Strecke und Fahrverhalten. Allerdings: Das Smartphone misst nicht sehr genau, kritisieren Rivalen, es tauge nicht wirklich für die Analyse des Fahrverhaltens. Für die verfolgten Zwecke sei es genau genug, kontert der Anbieter.

Für Fahrer unter 25 müssen die Versicherer mehr als doppelt so viel für Schäden ausgeben als für Fahrzeugführer zwischen 26 und 68. Deshalb die Bemühungen um diese Zielgruppe. Dabei geht es nicht darum, individuelle Tarife personengenau zu berechnen. Viel wichtiger ist den Gesellschaften, das Fahrverhalten zu beeinflussen. Dabei helfen Apps und Vergleiche mit Fahrern aus derselben Altersgruppe - spielerische Verkehrserziehung also.

Die Versicherer versuchen so, die Schadenlast durch junge Fahrer zu reduzieren. Aber es springt noch viel mehr für sie heraus. Sie sammeln große Datenmengen über das Fahrverhalten, die langfristig in die Tarifierung einfließen. Und sie kommen mit ihren Kunden öfter in Kontakt als bisher, wo sie nur einmal im Jahr die Rechnung herausschicken und danach nur bei einem Schaden gefragt sind.

Demselben Ziel dient auch das Pilotprojekt "Smartparking", das die Axa als Test in Düsseldorf anbietet. Mit App und Plastikkarte parken Versicherte des Unternehmens in den meisten Parkhäusern Düsseldorfs ohne Parkschein und Bargeld. Außerdem erhalten Autofahrer digital ständig eine genaue Übersicht, wo wie viele Plätze frei sind. Partner ist das Start-Up Evopark.

Die Versicherer müssen sich etwas einfallen lassen. Ihr altes Geschäftsmodell ist bedroht. Autohersteller verkaufen selbst Versicherungen, Internetportale graben ihren alten Vertriebswegen das Wasser ab. Angreifer gibt es genug: Eine ganze Reihe von Start-ups bietet an, die ungeliebte Versicherung einfacher zu machen. Google verkauft in Großbritannien und den USA bereits Versicherungen und hat sich gerade am New Yorker Krankenversicherungs-Start-up Oscar beteiligt.

Digitalisierung, Datenauswertung, Kostensenkung und Erhöhung der Kundenfrequenz - so wollen die Versicherer ihre Position retten. "Dafür brauchen wir auch andere Leute", sagt Axa-Deutschlandchef Thomas Buberl. Die Mehrzahl der Programmierer arbeite noch mit der Uralt-Programmiersprache Cobol, es gebe viele Versicherungsmathematiker, aber wenig Datenanalysten. Jetzt will Buberl Personal umschulen und neue Leute gewinnen. Der Abbau von anderen Arbeitsplätzen soll nach wie vor ohne Kündigungen stattfinden - zwischen 2011 und 2015 hat Axa so die Mitarbeiterzahl um 1500 auf 9400 reduziert.

Der Chef träumt von weitergehenden Veränderungen. "Wir brauchen keine festen Arbeitsplätze mehr", sagt er. Die belgische Schwester hat das vorgemacht. Das bisherige betriebliche Vorschlagswesen hat die Gesellschaft ersetzt: Wer eine gute Geschäftsidee hat, bekommt für die Umsetzung einen Etat und einen Arbeitstag pro Woche. Zwei Ideen sind schon Realität.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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