Süddeutsche Zeitung

USA:Plötzlich ist die Avocado weg

  • Wer in den USA Guacamole bestellt, bekommt neuerdings Erbsenpampe oder Kürbis-Püree gereicht.
  • Grund ist einerseits die schlechte Avocado-Ernte in Mexiko, andererseits aber auch die unbändige Avocado-Lust vieler US-Amerikaner.

Von Vivien Timmler

Die Avocado ist das wohl beliebteste Superfood der Welt und die Guacamole ihre cremige Perfektion: Kein mexikanisches Restaurant kommt mehr ohne den Dip aus, im Kino hat er die Käsesoße als beliebteste Nacho-Beilage abgelöst, und vor ein paar Jahren hätte ein surrealistischer Animationsfilm über seine Zubereitung um ein Haar gar einen Oscar gewonnen.

Doch während sich Guacamole-Enthusiasten noch fetzen, ob nun Tomate hineingehört oder nicht, ein Spritzer Limette oder doch lieber Zitrone und ob Koriander das Ganze nun vervollständigt oder komplett verschandelt, können sie sich zumindest in einer Sache alle einigen: Die Guacamole-Basis besteht aus Avocado. Zerdrückter, zermanschter, bis zur Unkenntlichkeit pürierter Avocado.

Seit ein paar Monaten jedoch greift eine regelrechte Avocado-Krise um sich: Die Ernte war mies, das Angebot sinkt, die Nachfrage steigt, der Markt reagiert. Folglich werden die Früchtchen teurer und teurer. Und das nicht nur in Mexiko, wo ein Großteil angebaut wird, sondern auch in den USA, wo die Menschen sie gefühlt drei Mal täglich verzehren.

Nun erreicht das Ganze die nächste Eskalationsstufe: Wo Guacamole draufsteht, ist neuerdings nicht mehr Guacamole drin. Stattdessen jubeln die ersten mexikanischen Restaurants ihren Gästen Erbsenpampe unter. Oder Zucchinicreme. Oder, noch schlimmer: Kürbispüree.

Einige Hungrige, etwa aus Los Angeles, berichten sogar verstört, ihre vermeintliche Guacamole habe nicht einmal mehr Spuren von Avocado aufgewiesen. Und der Fake ist offenbar gar nicht so leicht zu enttarnen: Der mexikanische Sommerkürbis, calabacita genannt, sieht zwar aus wie eine etwas zu hell geratene Zucchini, hat püriert aber offenbar tatsächlich in etwa die gleiche Konsistenz wie eine Avocado, nur minimal wässriger.

Was für ein Salsa-Skandal: Schließlich ist es die eine Sache, wenn Restaurants ihre Kunden mit anderen Dips vertrösten, weil das "grüne Gold" zum Luxusprodukt verkommen ist. Aber dass man nun Guacamole bestellt, "Guacamole" bekommt und sich der Mischmasch am Ende doch nur als "irritierend neongrünes, avocadoloses Verbrechen gegen die Taco-Menschheit" herausstellt, wie die Website L.A. Taco schimpft, ist tatsächlich nicht cool.

Die Amerikaner bekommen nicht genug von Avocado-Toast, Avocado-Pommes (ja, frittiert!) und Avocado-Sushi

Der Ursprung des Problems liegt aber nur vermeintlich in Mexiko. Zwar ist die Ernte beim weltweit größten Avocado-Produzenten zuletzt tatsächlich schlecht ausgefallen. Wirklich dramatisch wird der Engpass aber nur, weil die Amerikaner nicht genug von Avocado-Toast, Avocado-Pommes (ja, frittiert!) und Avocado-Sushi bekommen können. Die Nachfrage steigt stetig - genau wie übrigens hierzulande, wo sich die Avocado-Importe zwischen 2013 und 2017 mehr als verdoppelt haben. Zum US-Salsa-Skandal tragen die Deutschen jedoch wenig bei: Der Großteil der Avocados in deutschen Supermärkten kommt nicht aus Mexiko, sondern aus Ländern wie Spanien, Peru oder Chile.

Nun könnte Donald Trump natürlich daherkommen und sich viele Freunde machen, indem er den Avocado-Engpass kurzerhand mit Importen aus diesen Ländern überbrückt. Nicht auszudenken jedoch, was das für den ökologischen Fußabdruck der Frucht bedeuten würde, die schon jetzt wegen ihres immensen Wasserverbrauchs in der Kritik steht. Hüten sollte sich der US-Präsident jedenfalls davor, über sein Lieblingsthema, die Grenze zu Mexiko zu twittern: Das letzte Mal, als er eine Schließung forderte, sprang der Avocado-Preis in die Höhe - und der Guardian prognostizierte, die USA würden drei Wochen nach Schließung keine einzige Avocado mehr haben. Ein noch viel größerer Skandal.

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SZ vom 06.08.2019/vit
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