Autozulieferer und E-Mobilität:Vor dem großen Sturm

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Man dürfte nicht "die Strategie eines einzelnen Unternehmens mit der gesamten Branche gleichsetzen", sagte ZF-Vorstandschef Wolf-Henning Scheider. Im Bild: Ein Mitarbeiter schraubt im Karosseriebau im VW Werk. (Foto: dpa)

Der Umstieg zur Elektromobilität trifft nicht nur Autohersteller, sondern auch Zulieferer. Viele haben den Ansagen vertraut, dass Benzin- und Dieselmotoren noch lange gefragt sein werden. Das war ein Fehler.

Kommentar von Thomas Fromm

Dass Zulieferer den großen Autokonzernen offen widersprechen, passiert äußerst selten. Allein schon wegen der sehr besonderen Beziehung macht man das nicht. Hier der große, bekannte Hersteller mit den vier Ringen oder dem Stern. Da der meist eher weniger bekannte Zulieferer, für den diese Kundenbeziehung nicht selten ein klassisches Abhängigkeitsverhältnis ist: Denn der mächtige Einkäufer aus Wolfsburg, Stuttgart oder München kann seine Komponenten oft genauso gut auch woanders her beziehen. So etwas sorgt für eine gewisse Grundspannung im Verhältnis zueinander.

Umso bemerkenswerter ist nun die Kritik des Automobilzulieferers ZF Friedrichshafen an Volkswagen. Man dürfte nicht "die Strategie eines einzelnen Unternehmens mit der gesamten Branche gleichsetzen", sagte ZF-Vorstandschef Wolf-Henning Scheider zu der Position von VW-Chef Herbert Diess, der die Elektromobilität neuerdings als alleinige Antriebsform der Zukunft propagiert.

Zäsur in einer Branche

Die Kritik des Managers ist eine Zäsur in einer Branche, die sich gerade rasant verändert, und es wird nicht das letzte Mal sein, dass sich ein Zulieferer zu Wort meldet. Im Gegenteil: Die Autohersteller dürfen sich künftig auf verstärkte Diskussionen mit ihren Lieferanten einstellen - denn für die geht es gerade um alles.

Die großen, milliardenschweren Autokonzerne können den Wandel hin zu neuen Antrieben und autonomen Fahrzeugen vielleicht noch stemmen. Auch große Zulieferer wie Bosch, Conti und auch ZF dürften den Sturm, der auf die Branche zurauscht, überleben - auch wenn sie am Ende der Entwicklung andere Unternehmen sein werden. Viele, vor allem kleinere Zulieferer aber wird der Wandel wegfegen. Sie werden auch deshalb von den Veränderungen überrollt, weil ihnen die Hersteller lange Zeit nicht gesagt haben, wohin die Reise geht. Auch VW war bis vor Kurzem nicht unbedingt als die Avantgarde einer neuen Elektromobilität bekannt.

Nehmt Euch Zeit, bloß kein Stress jetzt!

Dass der ZF-Chef die Frage nach der richtigen Zukunftstechnologie erst einmal offen halten möchte, ist kein Zufall. Jahrelang haben die Zulieferer von ihren Auftraggebern und nicht zuletzt vom Branchenverband VDA genau diese Geschichte gehört: Dass in Zukunft alles Mögliche geht. Elektro, Wasserstoff- und Brennstoffzelle, Hybride, und für lange Zeit auch noch Benzin und Diesel. "Fächerstrategie" nannte man das, und die Botschaft an die Zulieferer - die großen wie die kleinen - lautete: Da erst einmal vieles gehen wird, könnt ihr bis auf Weiteres auch alles Mögliche machen. Der Wandel kommt, aber langsam. Nehmt euch Zeit, bloß kein Stress jetzt!

Die Zulieferer haben sich daran gehalten. Zu den Ansagen der Topmanager aus der Industrie kam noch ein verführerischer Boom, der nicht zuletzt durch immer neue Absatzrekorde in China befeuert wurde. Seit zehn Jahren immer nur bergauf, beim Umsatz, beim Absatz, beim Gewinn. So etwas kann den Blick auf die Realität verstellen. Hinterher kommt es dann umso brutaler.

Dabei ist nicht erst seit gestern klar, dass sich die Branche verändert. Zulieferer, die seit Jahrzehnten Komponenten rund um den Verbrennungsmotor fertigen, brauchen einen neuen Plan. Abgastechnik aus dem Hause Eberspächer, Zylinderkopfdichtungen von Elring Klinger, Kolben von Mahle - das sind Produkte, die im Zeitalter der Elektromobilität nicht mehr benötigt werden. Elektromotoren brauchen, vereinfacht gesagt, eine gute Ladeinfrastruktur und sauberen Strom, aber keine Zylinderkopfdichtungen.

Je schneller der Wandel kommt, je radikaler er ausfällt, desto mehr Arbeitsplätze und Betriebe wird er kosten. Die ersten Unternehmen haben bereits einen Stellenabbau in großem Stil angekündigt, und das dürfte erst der Anfang sein. Wie viele Jobs am Ende wegfallen werden - ob es Hunderttausende sind, wie viele fürchten, oder doch etwas weniger -, wird davon abhängen, ob es die Manager schaffen, rechtzeitig in neue Geschäfte einzusteigen. Das aber wiederum kann nur gehen, wenn sie klare und verbindliche Ansagen aus der Autoindustrie bekommen. Eigentlich müssten sich nun alle Beteiligten schnell an einen Tisch setzen und ihre gemeinsame Zukunft besprechen. Danach aber sieht es in einer Branche, in der man am Ende doch vor allem für sich selbst kämpft, noch nicht aus.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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