Der Dieselskandal um gefälschte Abgaswerte hat den Autozulieferer Continental 100 Millionen Euro Bußgeld gekostet, dazu kamen hohe Kosten für Rechtsanwälte und ein erheblicher Reputationsverlust.
Zwischen 2007 und 2015 hatte das Unternehmen mehr als zwölf Millionen Motorsteuergeräte an VW und andere Hersteller geliefert, die mit spezieller Software ausgestattet waren: Sie senkten die Abgaswerte nur auf dem Prüfstand, bei normaler Fahrt überschritten die Motoren die Grenzwerte für Stickoxide.
Jetzt will sich der Konzern unter dem Chef Nikolai Setzer viel Geld zurückholen – vorgeblich von früheren Vorständen, in Wirklichkeit aber von Versicherern. Nach SZ-Informationen fordert Conti satte 300 Millionen Euro. Bei den Ex-Vorständen selbst ist diese Summe nicht einmal zu einem Bruchteil zu holen. Aber Setzer hat ein klares Kalkül: Der Konzern hat für alle Vorstände und Aufsichtsräte eine Managerhaftpflichtversicherung – im Fachjargon D&O – abgeschlossen, die sie gegen den Verlust des Privatvermögens schützt, wenn sie Fehler gemacht haben. Conti erwartet, dass die D&O-Versicherer nun zahlen.
Das Conti-Risiko tragen mehrere Versicherer in einem Konsortium, dessen Zusammensetzung nicht öffentlich ist. Führender Versicherer soll der US-Industrieversicherer AIG sein.
Conti soll nach Angaben aus Branchenkreisen eine D&O-Deckung in Höhe von mindestens 250 Millionen Euro haben, für einen Konzern dieser Größe wäre das nicht ungewöhnlich. Neben AIG seien fast alle großen Namen des deutschen D&O-Marktes in dem Konsortium vertreten, heißt es. AIG wollte den Fall nicht kommentieren.
Der Fall fügt sich in eine Reihe offener und teurer D&O-Fälle ein
Bei Conti hieß es, dass der Aufsichtsrat verpflichtet ist, mögliche Schadenersatzansprüche zu prüfen, sollte es Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen geben. „In diesem konkreten Fall hat das Unternehmen das Bestehen möglicher Schadensersatzansprüche geprüft und verfolgt diese im erforderlichen Umfang“, teilte ein Sprecher mit. Mehr sagt das Unternehmen nicht.
Conti war bei der Aufarbeitung des Dieselskandals 2019 ins Visier der Behörden geraten. Die Staatsanwaltschaft Hannover nahm Ermittlungen gegen Vorstände auf. 2021 entließ der Konzern seinen Finanzchef Wolfgang Schäfer. Das Verfahren gegen drei ehemalige Conti-Vorstände wurde 2024 eingestellt.
Die Einstellung des Verfahrens könnte Conti bei den Verhandlungen mit den D&O-Versicherern helfen. Dadurch steht nicht mehr im Raum, dass die drei vorsätzlich gehandelt haben. Dann nämlich müssten die Versicherer nicht zahlen, Vorsatz ist immer ausgeschlossen.
Problematisch für Conti könnte aber sein, dass der Konzern auch die Erstattung des Bußgeldes fordert. Es ist hochumstritten, ob Unternehmen gegen sie verhängte Bußgelder von den verantwortlichen Managern einfordern können. In vielen, allerdings nicht in allen Versicherungsverträgen, sind Bußgelder sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Nur wenn der Konzern die Forderung nach Erstattung der Bußgelder an die Manager stellen darf, könnten die D&O-Versicherer dafür zahlen müssen.
Rechtlich ist die Frage noch nicht endgültig entschieden. Der Bundesgerichtshof hat gerade einen Fall, in dem es allerdings um Kartellbußen ging, an den Europäischen Gerichtshof verwiesen.
Auch dieser Fall reiht sich in die Liste prominenter und kostspieliger D&O-Verfahren ein, darunter der Skandal um den insolventen Finanzkonzern Greensill und die Pleite des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko. Das trifft die Versicherer in einer Phase, in der die Prämien für D&O-Deckungen nach einer kurzen Hochphase wieder sinken. Die steigenden Insolvenzzahlen werden wahrscheinlich zusätzlich für mehr Schäden sorgen.
Einige Versicherer machen sich Sorgen, ob sie schon bald mit hohen Verlusten in dem Geschäft rechnen müssen. Bei Kunden aus der Industrie gibt es Befürchtungen, dass die Anbieter Großschäden in der Sparte zum Anlass nehmen können, die Preise wieder deutlich anzuheben.
Der Dieselskandal hatte vor vier Jahren für einen Rekordschaden auf dem deutschen D&O-Markt gesorgt. Damals zahlten die Versicherer unter Führung des Versicherers Zurich 270 Millionen Euro an den VW-Konzern. VW hatte damals eine Milliarde Euro Schadenersatz von Ex-Vorständen verlangt und sich dann mit den Versicherern auf die 270 Millionen geeinigt.