Telematik-Versicherung:Wie sich beim Autofahren Geld sparen lässt

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Auf nächtlichen Landstraßen ist ohnehin Vorsicht geboten. Mit einem Telematik-Tarif kann es sich auch finanziell lohnen, genau auf die Tempovorschrift zu achten. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/picture alliance / dpa)

Telematik-Tarife bringen bare Münze für vorbildliches Fahren. Was man dafür tun muss, wie der Datenschutz geregelt ist und wo man aufpassen sollte.

Von Ralf Gehlen, Köln

Keine Frage, die Kfz-Versicherer, die in der Pandemie gut verdient haben, sind seit zwei Jahren arg gebeutelt. Die Stundensätze von Werkstätten haben sich vervielfacht. Die Preise für Ersatzteile steigen deutlich steiler an als die Inflation. Dazu kommen die Unwetter, die für hohe Schäden an Autos sorgen. Versicherer müssen die Preise deutlich erhöhen, damit sie rentabel bleiben. Wenn Autofahrerinnen und Autofahrer bei ihrer Kfz-Police trotz dem Geld sparen wollen, dann sollten sie sich an die Verkehrsregeln halten und defensiv fahren. Klingt seltsam, ist aber so.

Sogenannte Telematik-Tarife oder „Pay as you drive“-Konzepte belohnen Fahrer, die sich im Straßenverkehr vorbildlich zeigen, mit niedrigeren Kosten für die Versicherung. Das bedeutet, dass sie sich an die Straßenverkehrsordnung halten müssen, frühzeitig bremsen sollen und nicht zu sehr beschleunigen dürfen, um Geld zu sparen.

 „Durch risikoarmes Fahrverhalten kann man sich einen Rabatt von bis zu 30 Prozent auf den Tarif des Folgejahres erfahren“, sagt Michael Müller, Leiter Kraftfahrtversicherung Betrieb beim Marktführer in der Kfz-Versicherung, der HUK-Coburg. „Im Durchschnitt erfahren sich Kundinnen und Kunden einen Nachlass in Höhe von 82 Euro.“ Das war der Durchschnittswert im vergangenen Jahr.

Dazu gehört dann aber auch, dass Autofahrerinnen und Autofahrer einwilligen, ihr Fahrverhalten aufzeichnen zu lassen. Das funktioniert ganz einfach. Dazu braucht man ein Fahrzeug, ein Mobiltelefon mit entsprechender App des Versicherers und bei manchen Gesellschaften einen Sensor, den die Kunden von der Gesellschaft zugeschickt bekommen. Andere arbeiten nur mit App.

Bei der HUK-Coburg wird der Sensor innen in die Windschutzscheibe des Fahrzeugs geklebt, wie eine Mautmarke. Wenn sich die Versicherten in der dazugehörigen App registriert haben, müssen sie sich nur noch via Bluetooth mit dem Sensor verbinden, und schon kann es losgehen. Über eine mobile Datenverbindung und GPS-Satelliten wird ihre Fahrt aufgezeichnet. Doch welche Daten werden erhoben?

Die Beschleunigung zählt mehr als die Geschwindigkeit

 „Es werden Daten zum Fahrverhalten in Kurven, zum Bremsverhalten, zur Beschleunigung, zur Geschwindigkeit und zur Fahrzeit, Tag und Straßenart an den Telematik-Dienstleister übertragen und ausgewertet“, erklärt Markus Wimmer, Leiter Portfoliomanagement Privat Kraft bei der Allianz-Versicherung in München.

Die HUK-Coburg ermittelt dabei einen sogenannten „Fahrwert“, eine Einstufung zwischen 0 und 100. „Ein Fahrwert von 100 bedeutet, dass Kundinnen und Kunden sehr sicher fahren und eine niedrige Unfallwahrscheinlichkeit besitzen“, erläutert Müller. „Ein Fahrwert von 0 deutet auf einen unsicheren Fahrstil mit erhöhtem Unfallrisiko hin.“ Das bedeutet: Je höher der Wert, desto höher die Rückzahlung. „Unsere Daten der letzten Jahre haben gezeigt, dass der Fahrwert sehr gut das Unfallrisiko beschreibt.“

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen nennt ein Beispiel für die Gewichtung der genannten Faktoren, so wie sie durch eine große Versicherungsgesellschaft vorgenommen wird. „Das Kurvenverhalten macht 20 Prozent aus, das Bremsverhalten ebenfalls 20 Prozent, die Beschleunigung dagegen 30 Prozent, die Geschwindigkeit lediglich 10 Prozent sowie Fahrzeit, Tag und Straßenart nochmal 20 Prozent“, erklärt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW.

Die Versicherer müssen die Daten in einigen Fällen an die Polizei weitergeben

Aber wie ist es um den Datenschutz und die Datensicherheit bestellt? Die Allianz argumentiert, dass die Einhaltung der Vorgaben und Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union (DSGVO) bei der Entwicklung und während der Nutzung von Telematik selbstverständlich sei. „Zusätzlich wurde unser Telematik-Baustein vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz geprüft und die Verwendung nicht beanstandet“, sagt Wimmer. 

Er fügt hinzu, dass die Daten jederzeit den Kundinnen und Kunden gehören und nur sie über die Weiterverwendung bestimmen dürfen. Sie können auch jederzeit die Datenerhebung unterdrücken, dazu gibt es den sogenannten „Schlafmodus“ in der App. Außerdem werden die Daten ausschließlich zur Bewertung der Fahrweise genutzt. 

„Wir geben die Daten auch nicht an die Polizei zur Aufklärung von Ordnungswidrigkeiten weiter“, erläutert Wimmer. Aber eine Ausnahme gibt es doch: „Falls wir bei Straftaten von öffentlichen Behörden wie Polizei oder Staatsanwaltschaft aufgefordert werden, Daten herauszugeben, und diese ein berechtigtes Interesse nachweisen können, sind wir auf deren Anforderung hin verpflichtet, die Daten herauszugeben.“ 

Die Allianz unterscheidet zwei getrennte Datenkreise. Die persönlichen Daten der Fahrenden, wie Kunden- und Vertragsdaten, die in den Systemen der Allianz gespeichert sind auf der einen, und die Telematik-Daten, also die Fahrdaten, auf der anderen Seite. Letztere landen zunächst beim Telematik-Dienstleister des Versicherers und werden über eine zertifiziertes Verschlüsselungsverfahren geschützt. Gleichzeitig erhält die Allianz ausschließlich verdichtete Fahrdaten, die keinerlei Rückschlüsse darauf zulassen, wer wo und wann gefahren ist, erklärt der Experte. Bei der Allianz wird der Kunde bei schlechten Fahrtwertungen zudem nicht bestraft. 

Aber die Expertin der Verbraucherzentrale warnt, dass eine schlechte Telematik-Einstufung bei einigen Gesellschaften dazu führt, dass sich die Versicherungsprämie nicht verringert. „Es kann auch die Kündigung des Vertrages drohen, wenn das Fahrverhalten besonders negativ auffällt“, erklärt Weidenbach. Das hängt von den Versicherungsbedingungen ab, die bei den Versicherern unterschiedlich sind, aber zur Antragskopie oder zur Versicherungsbestätigung als Heft oder zum Download ausgegeben werden. Die Verbraucherschützer fürchten, dass sich von detaillierten Bewegungsprofilen leicht auf die Lebensumstände der Autofahrenden schließen lässt. 

Erster deutscher Anbieter eines Telematik-Tarifs in der Kfz-Versicherung war die S-Direkt, die Sparkassen-Direktversicherung. Sie kam 2014 mit dem Konzept auf den Markt, stellte das Projekt jedoch wegen zu hoher Kosten ein Jahr später wieder ein. Durch die technische Weiterentwicklung von Smartphones, Apps und Sensoren ist das zehn Jahre später anders. 

Vor allem für junge Fahrer kann das Angebot sich lohnen

Wimmer meint: „Telematik ist eine wichtige Investition in die Zukunft. Denn vernetzte Kfz werden künftig immer mehr Daten liefern. Insofern ist Telematik für uns beziehungsweise für Kraftfahrtversicherer allgemein von erheblicher strategischer Bedeutung, da nicht nur unsere Kunden durch niedrigere Beiträge, sondern auch wir von dieser Technologie langfristig durch eine bessere Risikoselektion profitieren können.“ Außerdem wollen die Versicherer den Umgang mit den Daten, die ein Fahrzeug produziert, nicht den Autoherstellern überlassen. 

Auch die HUK-Coburg ist von der Zukunftsfähigkeit und von der stetigen Weiterentwicklung des Konzepts überzeugt. „Wir sind mit der Nachfrage sehr zufrieden und bauen die Funktionalitäten zu Telematik kontinuierlich aus“, sagt der Sprecher. Der Versicherer bietet seinen Telematik-Tarif seit 2019 an. Aktuell nutzen etwa 6 Prozent der Kfz-Kundinnen und Kunden der HUK-Coburg einen Telematik-Tarif. „Im Neugeschäft schließt etwa jeder zehnte Kunde diese Option ein, der Bestand liegt bei fast genau 600 000“, erläutert Müller.

Der Versicherer bietet für Einsteiger eine Testumgebung an, gemäß dem Motto „try before you buy“. Hier können Kundinnen und Kunden Telematik-Tarife unverbindlich ausprobieren, ohne Sensor, nur über die App. „Das baut mögliche Vorbehalte ab und schafft zusätzliche Nachfrage“, sagt Müller. Die Allianz hat mit Bonus Drive ein ähnliches Angebot, auch hier gibt es bis zu 30 Prozent Nachlass.

Einst waren die Tarife nur für junge Fahrer vorgesehen, aber inzwischen bieten die Versicherer sie für alle Fahrerinnen und Fahrer an. Gerade für junge Menschen, die aus Mangel an Fahr-Erfahrung und dem damit verbundenen erhöhten Unfallrisiko zu Beginn viel Geld für ihre Kfz-Versicherung zahlen, ist ein Telematik-Tarif eine echte Alternative, heißt es bei der Verbraucherzentrale.

In Internetforen tummeln sich bereits vermeintlich schlaue User, die sich darüber beraten, wie man die Technologie austricksen kann, um Geld zu sparen. Aber auch dort ist mittlerweile die Erkenntnis angekommen, dass man sich in einem solchen Fall des Versicherungsbetruges strafbar macht.

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