Digitale Plattform:Versicherer gründen Rundum-Betreuung für Autofahrer

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KfZ-Mechatroniker ist ein beliebter Ausbildungsberuf auch im Landkreis. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

HUK-Coburg, LVM und HDI arbeiten an einer digitalen Plattform, auf der ihre Kunden alle möglichen Dienstleistungen rund ums Auto erledigen können. Damit wollen sie die Versicherten stärker an sich binden.

Von Herbert Fromme

Wer ein Auto hat, muss sich um vieles kümmern: Kauf, Wartung, Verkauf des Gebrauchtwagens, Finanzierung, Zulassung beim Straßenverkehrsamt. Die drei Versicherer HUK-Coburg, LVM und HDI wollen bei ihren 18 Millionen Kunden in der Autoversicherung jetzt punkten, indem sie ihnen dabei helfen, all das zu erledigen. Dafür gründen sie die Plattform Prisma, so der Arbeitstitel, die 2022 auf den Markt kommen soll.

Prisma soll digital alles rund um das Auto bieten, außer Versicherungen. "Das können alle möglichen Dienstleistungen sein, dazu gehören Ölwechsel, Bremsen, Abgasuntersuchung oder Hauptuntersuchung", sagt Prisma-Chef Alexander Hund. Der Kunde gibt ein: "brauche Hauptuntersuchung". Die Plattform nennt ihm Werkstätten, bei denen er als Versicherungskunde einen guten Preis für möglicherweise nötige Reparaturen bekommt, und hat eventuell sogar einen Termin. Darüber hinaus können Dienstleistungen wie Zulassung, Finanzierung oder Autoverkauf über die Plattform angeboten werden. "Alles, was Sie als Autofahrer machen, können wir auch abbilden."

Die Plattform selbst will nicht offensiv im Markt auftreten. Entweder macht der Versicherer seinen Kunden die Angebote, oder ein Dienstleister wie eine Kfz-Werkstattkette bietet Versicherten über die Plattform seine Dienste an.

Versicherern fehlt oft der direkte Kontakt zum Kunden

Wenn der Kunde sich einmal über seinen Versicherer auf der Plattform registriert hat, muss der Impuls für eine Aktion nicht unbedingt von ihm ausgehen. "Denkbar ist, dass wir durch künstliche Intelligenz herausfinden, wann ein Kunde den nächsten Ölwechsel benötigt, wann möglicherweise eine Finanzierung ansteht oder der Verkauf eines älteren Fahrzeugs", erläutert Hund. Dann könne ein passgenaues Angebot gemacht werden. "Es ist auch möglich, dass wir dann wissen, am Freitag um zehn Uhr ist in einer Werkstatt noch ein Termin frei, und den können wir gleich buchen."

Hund war bis vor Kurzem im Management des Vergleichsportals Check 24 tätig. Dass die drei Versicherer ihn holen, deutet an, worum es bei der Aktion geht: Sie fürchten, den direkten Kontakt zum Kunden zu verlieren. Denn Plattformen wie Check 24 oder Amazon setzen sich zwischen Anbieter und Kunden. Wer über Check 24 seine Police abgeschlossen hat, weiß oft gar nicht so genau, wo er eigentlich versichert ist, für ihn ist es eben Check 24.

Die negative Folge aus Sicht der Versicherer: Sie können den Kunden keine eigenen Angebote mehr machen, weil sie keinen direkten Kontakt haben. Eine Bedrohung für die Versicherer sind auch die Mobilitätsplattformen der Autohersteller. Sie bieten inzwischen ebenfalls Versicherungen an, daneben alle möglichen Mehrwertdienste für Autofahrer.

Jeder sei willkommen - sogar die Allianz

Prisma könnte den Versicherern das Heft des Handelns zurückgeben. Immerhin haben sich der größte Autoversicherer HUK-Coburg mit der Nummer vier im Markt, der LVM, und der bedeutenden Gesellschaft HDI zusammengeschlossen. Weitere Teilnehmer sind willkommen. "Wir schließen niemanden aus." Und wenn die Allianz käme? "Jeder ist willkommen."

Nun ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich die Allianz einer Initiative des Erzrivalen HUK-Coburg anschließt, der den Münchenern 2011 die Marktführerschaft in der Kfz-Versicherung abgenommen hat. Die neue Plattform setzt die Allianz aber unter erheblichen Druck, ähnliche Lösungen vorzuweisen.

Es ändert sich sehr viel im Markt, beobachtet Hund. Die Automatisierung der Fahrzeuge macht große Fortschritte, dazu kommen Telematik-Tarife und ähnliche Angebote. "Außerdem erwarten viele Kunden auch, dass ihnen ganzheitliche Lösungen angeboten werden."

Die HUK-Coburg betreibt schon zusammen mit anderen Versicherern ein Werkstattnetz, das den Kunden auch Leistungen außerhalb der Reparatur von Versicherungsschäden anbietet. Und jeder Versicherer könnte theoretisch mit 20 oder 30 verschiedenen Anbietern unterschiedliche Dienstleistungen offerieren. "Aber das wäre sehr aufwendig und teuer", sagt Hund. "Mit der Plattform können sie eine Vielzahl unterschiedlicher Dienstleistungen sehr einfach anbieten."

Die IT-Techniken, mit denen die Plattform maßgeschneiderte Angebote machen will, liefert das Hamburger Startup SDA zu. An SDA sind eine Reihe von Versicherern beteiligt - indirekt auch die Allianz. Den Aufbau von Prisma will Hund im Wesentlichen mit SDA-Beschäftigten schaffen, später soll die Plattform rund 50 eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben.

Finanzieren soll sie sich über Beiträge der Versicherer. Sie will keine Provisionen mit Werkstätten und anderen Anbietern vereinbaren. Wenn es solche Provisionen gebe, würden die zwischen Versicherer und Dienstleister abgerechnet.

Sollte das System funktionieren und sich Prisma als tatsächlich nützlich für die Kunden erweisen, kann die Plattform den Markt für die Kfz-Versicherung dramatisch verändern. Wer sie schätzt, weil sie ihm viel Ärger abnimmt, wechselt weniger leicht seinen Kfz-Versicherer wegen 20 Euro Preisunterschied.

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