Süddeutsche Zeitung

Autovermietung:VW erwägt Kauf von Europcar

Der Autokonzern ist nicht der einzige Interessent. Auch Finanzinvestoren sind interessiert. Für Volkswagen wäre der Zukauf eine strategische Trendwende.

Der Volkswagen-Konzern spielt offenbar mit dem Gedanken, einen der führenden europäischen Autovermieter, die französische Firma Europcar, zu übernehmen. Die Wolfsburger hätten sich an die Mietwagenfirma gewandt, um ihr Interesse zu bekunden, sagten mit den Vorgängen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Einer der Insider fügte hinzu, Volkswagen wolle die Bücher von Europcar einsehen. Auch Finanzinvestoren sollen ein Auge auf das Unternehmen geworfen haben, darunter der Fonds Apollo. VW, Apollo und der Finanzinvestor Eurazeo, der knapp 30 Prozent an der Europcar Mobility Group hält, äußerten sich nicht zu den Berichten.

Eine Einigung sei angesichts der finanziellen Belastungen durch die Corona-Pandemie alles andere als sicher, sagten mehrere Insider. Anleger griffen nach Bekanntwerden der Gespräche am Mittwoch dennoch zu: Die Aktien des Sixt-Konkurrenten legten an der Pariser Börse deutlich zu. Zwischenzeitlich lag die Aktie zweistellig im Plus, im Verlauf des Mittwoch wurden die Zugewinne allerdings wieder geringer.

Für VW wäre der Zukauf der Mietwagenfirma eine Kehrtwende. Der Autohersteller hatte Europcar 2006 an den französischen Finanzinvestor Eurazeo verkauft, der sich die Übernahme einschließlich aller Schulden gut 3,3 Milliarden Euro kosten ließ. VW begründete dies damals damit, dass man sich auf das Kerngeschäft, die Herstellung von Autos, konzentrieren wolle. Zurzeit ist Europcar an der Börse nur noch mit knapp 390 Millionen Euro bewertet. Eine Übernahme würde Volkswagen einen zusätzlichen Absatzkanal eröffnen: Die Mietwagenfirma unterhält eine riesige Flotte, zu der künftig mehr VW-Autos zählen könnten. Nach Ansicht von Experten wäre das wegen der in der Pandemie eingebrochenen Verkaufszahlen ein nicht zu unterschätzender Vorteil, um die Fabriken besser auszulasten. Branchenkenner halten es auch für möglich, dass VW das dichte Netz an Vermietstationen von Europcar bei seinen Plänen nutzen will, zu einem Mobilitätsanbieter zu werden.

Europcar kämpft wie alle anderen Autovermieter mit den Einschränkungen durch die Pandemie, die Reisen erschweren und die Nachfrage nach Mietautos sinken lässt. Das Unternehmen hatte sich unlängst ein Finanzierungspaket in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro gesichert, um durch die Krise zu kommen. Dazu gehört ein Kredit im Umfang von 220 Millionen Euro, der zu 90 Prozent durch den französischen Staat garantiert ist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4946414
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.06.2020 / SZ/Reuters
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.