Süddeutsche Zeitung

Automobilindustrie:Wenn aus Rivalen plötzlich Partner werden

  • Auf Automessen zeigt sich oft die Rivalität zwischen den unterschiedlichen Herstellern. Doch die Zeiten haben sich geändert.
  • Viele Autobauer müssen zusammenarbeiten, wenn sie gegen die Konkurrenz durch große Technikkonzerne bestehen wollen.
  • Auf dem Genfer Autosalon präsentieren sie ihre Konzepte fürs autonome Fahren.

Von Max Hägler

Automessen sind Orte mit ganz eigener Dynamik: Jeder Manager leidet unter dem Kunstlicht und dem Trubel, die Zeitpläne sind übervoll und doch laufen sie dann neugierig zu den Shows der anderen: Strahlen die Modelle des Konkurrenten mehr? Ist dort das hübschere Plastik als Armaturenbrett verbaut? Passt das Spaltmaß? Irgendwo zwischen Respekt und Spott bewegen sich die Reaktionen. Bei der ersten großen europäischen Automesse des Jahres, dem gerade beginnenden Autosalon Genf, wird es ein wenig anders ablaufen.

Spott wird eher selten zu hören sein. Die Konkurrenten am Nachbarstand werden gerade zu Partnern oder könnten es werden. BMW und Daimler tun sich immer enger zusammen, bei Dienstleistungen wie dem Sharing, bei Roboterautos, wohl auch bei Elektroantrieben. Ford und Volkswagen haben ähnliches vor. Andere sind in den Reihen der bisherigen Konkurrenten auf der Suche nach neuen Partnern. Denn die Zukunft ist so komplex, dass selbst die größten Konzerne sie nicht mehr alleine bestreiten. 2019 ist deshalb das Jahr der Autoallianzen.

"Es gibt zu Partnerschaften keine Alternative", sagt Fabian Brandt, Partner der Beratungsfirma Oliver Wyman und dort Leiter der Autosparte. Doch sind die Allianzen von anderer Qualität als die bisherigen, als etwa diese "Hochzeit im Himmel", der Versuch der Zusammenarbeit von Daimler und Chrysler vor 20 Jahren oder die Zusammenarbeit zwischen Rover und BMW. "Früher sah man bei potenziellen Kooperationspartnern meist den Wunsch nach möglichst viel Umsatz im Markt oder den Wunsch nach Kostensenkungen", sagt Brandt. Er hat vor 15 Jahren bereits Konzepte für "smarte Partnerschaften" vorgelegt, damals habe das keinen interessiert. Mittlerweile sei das anders: "Es geht darum, zugleich Kosten zu sparen und Fähigkeiten aufzubauen, um Zukunftstechniken zu finanzieren und damit Zukunft überhaupt möglich zu machen."

Vier Schlagwörter beherrschen die Branche, deren englische Entsprechungen wahlweise zu CASE (Daimler) oder ACES (BMW) aufgereiht sind. Dahinter verbergen sich die Vernetzung, zunehmende Selbstfahrfertigkeiten der Autos, die Elektrifizierung und das Sharing, also neue Geschäftsmodelle. Es dreht sich eben nicht mehr nur um die besten Motoren und Fahrwerke. "Auch sehr große Unternehmen haben dabei gelernt, dass sie nicht in jedem Feld die besten sein können", sagt Brandt. "Und dass sie bei der Mobilität der Zukunft nicht automatisch im Zentrum des Geschehens stehen werden."

Wenn es darum geht, wie Menschen in zunehmend automatisiert fahrenden Autos ihre Zeit verbringen, haben etwa Digitalkonzerne wie Google oder Samsung die Nase vorn: Wieso sollten Fahrer dereinst ihre Handys weglegen und stattdessen die wohl eher ungewohnten Plattformen und Apps des jeweiligen Autoherstellers zur Unterhaltung und Kommunikation zu nutzen? Es gilt die handyverliebten Kunden dennoch irgendwie zu überzeugen; die Kraft und Kreativität dazu hat kein Autobauer alleine. Nicht nur diese Erfahrung mit Digitalnutzern fehlt den Autokonzernen. Auch anderswo tritt Programmieren und Software immer mehr in den Vordergrund: Die Entwicklung von Roboterfunktionen - vom heutigen Staupiloten bis zum Robotertaxi irgendwann - ist schwieriger als gedacht.

Die Konkurrenz der Autokonzerne ist dabei hart. Es sind reiche Konzerne mit Milliarden Nutzern, also Kunden, wie Google oder das Pendant in China, Baidu. Oder es sind Startups, denen milliardenschwere Investoren zugestehen, acht oder zehn Jahre ohne Gewinn zu arbeiten - weil die Aussicht auf die Geschäfte danach umso rosiger sind. Junge Hersteller wie Tesla sind darunter, oder Plattformanbieter wie die Fahrdienstleister Uber oder Lyft, die sich mit autofremden Technikspezialisten zusammentun wie dem Chiphersteller Nvidia. Die Finanzierung dieser oft asiatischen und amerikanischen Firmen laufe ganz anders als jene der alten Industrie, sagt Jan Burgard, Partner bei der auf Mobilität spezialisierten Beratung Berylls: "In Deutschland muss sich eine Geschäftsidee nach drei, vier Jahren rechnen."

Die Art des Miteinanders war oft Grund zum Scheitern

Zugleich erschweren Zölle und Regulierungen das Geschäft der traditionellen Autohersteller. Der Markt wächst nicht mehr im gleichen Maß wie in den vergangenen Jahren, allen voran der größte, China. Die gewohnten Margen der Autofirmen sinken, obwohl sie viel Geld ausgeben müssen. Umstände, die für einen alleine nicht mehr bewältigbar sind. Burgard gibt einen Ratschlag, der vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen ist: "Es ist insofern gut, dass die Manager der Autohersteller nun für einige Zeit ihre ausschließlich auf die eigene Marke bezogene Siegerpersönlichkeit zurückstellen." Weniger Spott also, mehr Respekt! Bei der Navigation haben die Deutschen das bereits beherzigt: BMW, Daimler und VW erwarben gemeinsam das digitale Kartenunternehmen Here. Würden die Hersteller auf Kooperationen in diesem und anderen Bereichen verzichten, "sähen wir bald ein stufenweises Sterben", glaubt der Berater.

Wenn die Branchenberater zurückblicken, dann war die Art des Miteinanders oft Grund zum Scheitern. In Stuttgart bei Daimler spotteten sie so lange über die miserable Chrysler-Qualität, bis die Fabriken beider Marken miese Arbeit ablieferten. "Die Ingenieure vertraten jeweils den Standpunkt: Meins ist besser als deins", erinnert sich Burgard. In München, bei BMW, vergaßen die Manager, dass die Rover-Übernahme angesichts der Geschichte zwischen Deutschland und Großbritannien eines sensiblen Umgangs bedurft hätte.

Doch selbst zwischen München und Stuttgart ist das Miteinander Thema. Schon hört man von Zwistigkeiten bei BMW und Daimler, wieder geht es um vermeintliche und echte Fähigkeiten und Kompetenzen. Auch darüber wollen die Vorstände beider Häuser in Genf reden, bei einem gemeinsamen Termin. Ganz ohne Spott.

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SZ vom 04.03.2019/vd
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