Süddeutsche Zeitung

Autoreparaturen:Weniger Geld

Nicht immer muss der Versicherer nach einem Autounfall die Reparaturkosten einer Kfz-Markenwerkstatt zahlen. Dies hat gerade der Bundesgerichtshof entschieden. Ein Überblick über die Rechtssprechung.

Von Anna Gentrup, Köln

Darf ein Autobesitzer von seiner Kaskoversicherung die Reparaturkosten einer teureren Markenwerkstatt verlangen, auch wenn er seinen Wagen gar nicht instand setzen lässt? Ist es sinnvoll, nach einem Unfallschaden den Wagen reparieren zu lassen oder nicht? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe befasst. Er hat entschieden, dass der Halter bei der fiktiven Abrechnung nur unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Erstattung der höheren Reparaturkosten von Markenwerkstätten hat.

Was bedeutet fiktive Abrechnung?

Wer einen Schaden an seinem Auto verursacht, hat zwei Möglichkeiten: Er kann das Auto reparieren lassen und die Rechnung an den Kaskoversicherer schicken, der das Geld erstattet. Oder er lässt den Schaden nicht reparieren, sondern von einem Gutachter schätzen und rechnet "fiktiv" mit seinem Versicherer ab. Der Besitzer erhält also das Geld, sein Fahrzeug wird aber nicht repariert.

Worum genau ging es bei dem Urteil?

Es ging um einen Fall aus der Kaskoversicherung. Ein Mercedes-Besitzer hatte einen Schaden an seinem Auto verursacht und forderte von seinem Kaskoversicherer VHV die Erstattung von 9400 Euro. Den Betrag hatte ein Gutachten einer Mercedes-Werkstatt ergeben. Die VHV veranschlagte jedoch die Reparaturkosten einer freien Werkstatt und zahlte nur 6400 Euro.

Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Autobesitzer dürfen in bestimmten Fällen verlangen, dass der Versicherer die höheren Kosten einer Markenwerkstatt bezahlt, so der BGH. Das ist möglich, wenn es sich um ein "neueres Fahrzeug" handelt. Auch für scheckheftgepflegte Wagen, die in Markenbetrieben gewartet wurden, dürfen höhere Kosten veranschlagt werden. Das gilt auch, wenn nur ein Markenbetrieb die Reparatur richtig ausführen könnte. In allen anderen Fällen muss der Versicherer nur die Kosten einer freien Werkstatt zahlen. "Einer pauschalen Zugrundelegung der Stundensätze einer Markenwerkstatt hat der BGH erfreulicherweise eine Absage erteilt", so der Versichererverband GDV.

Was bedeutet das Urteil für Autobesitzer?

Vor der BGH-Entscheidung gab es bei der Kostenfrage immer wieder Streit zwischen den Parteien, berichtet Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Mit dem Urteil sei zumindest bei der fiktiven Abrechnung aufgeräumt worden.

Was gilt bei einer Reparatur des Autos?

"Für eine Reparatur kann der Kaskoversicherte sein Auto auch in die Markenwerkstatt bringen", sagt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Nur bei einer Versicherung mit Werkstattbindung darf der Versicherer den Betrieb bestimmen.

Was ist laut BGH ein "neueres Fahrzeug"?

Das hat das Gericht nicht genau definiert. Einen Anhaltspunkt gibt ein BGH-Urteil von 2009. "Dort gilt ein Auto als neu, wenn es bis zu drei Jahre alt ist", sagt Boss. Allerdings betreffe das Urteil die Kfz-Haftpflichtversicherung. Doch auch Verbraucherschützer Grieble findet die Grenze plausibel. "Ich denke, das wird sich auf die Kaskoversicherung übertragen."

Welche Probleme könnten auftreten?

"Es gibt eine Grauzone", sagt Grieble. "Was, wenn das Fahrzeug jahrelang in einer Markenwerkstatt gewartet wurde, zwischendurch aber einmal in einer freien Werkstatt war? Verfällt dann der Anspruch auf die Anrechnung der höheren Stundensätze?" Solche Fälle müsse im Zweifelsfall ein Gericht klären.

Wie groß sind die Preisunterschiede?

"Wie man aus dem aktuellen Urteil sieht, kann der Unterschied mehrere Tausend Euro betragen", sagt Boss. Im Fall des Mercedes-Fahrers und der VHV ging es um 3000 Euro - die Differenz zwischen der Mercedes-Werkstatt und einer freien Fachwerkstatt.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2015
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