Autorennbahnen von Carrera:Wenn aus Vätern Jungs werden

Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels

Jeder Junge kennt Carrera: die Marke gilt als Synonym für spurgeführte Autorennbahnen.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Autorennbahnen gehörten zur Grundausstattung im Kinderzimmer eines jeden Jungen. Doch dann blieb die Erfolgsmarke Carrera auf der Strecke. Ein Investor aus Österreich reanimiert das populäre Jungsspielzeug - und hofft nicht nur auf das Geschäft mit Kindern.

Von Uwe Ritzer

Die beiden in die Jahre gekommenen Musiker mit den glatt nach hinten gegelten Haaren und den akkurat gestutzten Schnauzbärten kennen bestenfalls Insider. Ihren größten Hit kennt jeder, der einmal auf einer Rennstrecke war, mit der Motorsportszene auch nur oberflächlich in Berührung kam oder in den späten 1980-er Jahren die TV-Musiksendung Formel eins sah. Da war "The Race" des Schweizer Musik-Duos "Yello" Titelsong. Zeitweise landete der Hit sogar in den deutschen Charts.

"The Race" ist eine Orgie für die Ohren, eine wilde Mischung aus Synthie-Pop und dröhnendem Motorenlärm, rasant, fetzig, aggressiv, Musik für die hohen Geschwindigkeiten. Passend zu Carrera, meint Andreas Stadlbauer, 45, weshalb er die beiden Yello-Musiker Dieter Meier und Boris Blank beauftragt hat, ihre Motorsport-Hymne noch einmal abzumischen - als Jubiläums-Song zum 50. Geburtstag der Spielwaren-Marke Carrera.

Stadlbauer genießt es, mit den beiden Musikern den "The-Race"-Remix am Vortag der Nürnberger Spielwarenmesse auf einer Carrera-Bühne zu präsentieren. 1999 haben er und sein Vater Dieter die nach Jahren schwerer Turbulenzen angeschlagene fränkische Autorennbahn-Marke übernommen. "Noch nie in ihrer Firmengeschichte stand Carrera so stabil und gut da wie jetzt", glaubt Stadlbauer heute und bemüht die Statistik: "In Deutschland werden jährlich 700.000 Kinder geboren, die Hälfte davon Buben. Das ist genau die Zahl der Sets, die wir jedes Jahr verkaufen." Bekanntheit und Marktanteil von Carrera liegen jeweils deutlich über 90 Prozent. Ein Quasi-Monopol also. "Carrera-Bahn" gilt als Synonym für spurgeführte Autorennbahnen.

Die Jungs von damals sind inzwischen die Väter

Der Erfolg hat viel damit zu tun, dass Carrera kein reines Kinderspielzeug mehr ist. Bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein gehörten die Spur-Flitzer zur Grundausstattung im Kinderzimmer eines jeden Jungen. Die Jungs von damals sind inzwischen die Väter. Den Mythos Carrera haben sie beim Erwachsenwerden nie vergessen. Bisweilen fahren heute drei Generationen miteinander ihre Rennen aus: Opa, Vater, Sohn.

Der Gesichtsausdruck mancher Männer ändert sich, wenn sie den - inzwischen natürlich kabellosen - Steuerknüppel drücken und die originalgetreuen Mini-Porsches oder -Ferraris im Maßstab 1 zu 32 auf ihre Bahn-Runden schicken. "Wir produzieren kein Spielzeug, sondern wir bieten Motorsport für Zuhause", sagt Andreas Stadlbauer.

Mit Vollgas aus der Kurve

Mit der Marke Carrera erwirtschaften die Familienunternehmer aus Salzburg gut ein Drittel ihres Umsatzes von zuletzt 150 Millionen Euro. Die Firmengruppe zählt 240 Mitarbeiter, von denen sich etwa 50 fast ausschließlich mit Carrera beschäftigen. Stadelbauer vertreibt auch Uhren und Videospiele, allen voran Nintendo. Zur Spielwarensparte gehören neben dem Klassiker Carrera auch funkferngesteuerte Autos, die inzwischen ebenfalls unter dem Traditionsnamen vermarktet werden. Daneben vertreiben die Stadlbauers in Österreich exklusiv die deutsche Spielwarenmarke Playmobil. Seit 2011 gehört ihnen auch die bekannte Seifenblasenfirma Pustefix. "Carrera ist aber unsere mit Abstand wichtigste Marke", sagt Andreas Stadlbauer.

Ein Abend im Spielwarenladen

Ein Abend im Spielwarenladen: Einige Männer spielen in einem Geschäft in Hannover mit der Carrera-Bahn.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Fans verstehen es bis heute nicht, wie es hatte kommen können, dass Carrera um ein Haar auf der Strecke blieb. 1963 vom Fürther Spielwaren-Unternehmer Herrmann Neuhierl gegründet, flog Carrera gleich mehrfach (ökonomisch betrachtet) mit Vollgas aus der Kurve. 1985 schlitterte man in die Insolvenz. Tragisch: Neuhierl nahm sich daraufhin sogar das Leben. Danach dümpelten die Geschäfte eher als dass sie liefen. Die Besitzer wechselten und die Banken wurden immer nervöser. Es gab Qualitätsprobleme mit in China gefertigten Autos, die obendrein ihren realen Vorbildern immer unähnlicher wurden. Ende der neunziger Jahre drohte der Totalschaden; vermutlich wäre bestenfalls der Name Carrera übrig geblieben.

Die Stadlbauers, so erzählt man sich in der Spielwarenbranche, hätten Carrera vergleichsweise billig gekauft. Seither investieren sie allerdings kräftig: Vor allem in Technologie und Design, aber auch in Marketing. "Vielleicht hilft uns bei dem Geschäft, dass mein Vater und ich echte Autonarren sind und quasi Benzin im Blut haben", sagt Andreas Stadlbauer. "Und wir kannten von Anfang an die Marke und unsere Zielgruppe gut."

"Voll gespickt mit High-Tech"

2010 zog das Unternehmen aus Franken in die Nähe von Salzburg um. Drei Millionen Carrera-Fahrzeuge werden pro Jahr in Fernost produziert. Darüber, dass sie ihren Original-Vorbildern bis ins kleinste Detail ähnlich sehen, wachen nicht zuletzt die großen Automobilhersteller selbst, von denen Stadlbauer die Lizenzen für den Nachbau erwirbt. Sie nehmen jedes einzelne Modell ab, vermessen und begutachten es, ehe es in Serie gefertigt wird.

Bei alledem hilft die Nähe zum Motorsport. Bei Formel-1-Rennen etwa bestückt Carrera häufig VIP-Lounges mit ihren Bahnen. Bei denen hat längst die Digitalisierung Einzug gehalten. So können die Autos heute nicht nur hintereinander auf einer Spur fahren, sondern sogar auch die Spuren wechseln. "Die Fahrzeuge selbst sind voll gespickt mit High-Tech", berichtet Stadlbauer.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: