Süddeutsche Zeitung

Autopilot:Zweiter Unfall mit Tesla-Autopilot: Elon Musk in Erklärungsnot

Schon wieder hat der Tesla-Autopilot einen Unfall gebaut. Es häuft sich Kritik an der Strategie des Konzerns. Und warum hat Tesla-Chef Elon Musk kürzlich Aktien verkauft?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles, und Thomas Fromm

Der erste große Schlag für Musk geschah in der vergangenen Woche, als bekannt wurde, dass schon im Mai der Fahrer eines Model S ums Leben kam. Er fuhr mit Autopilot, der einen kreuzenden Lkw nicht erkannte und wahrscheinlich mit einem Straßenschild verwechselte.

Nur ein paar Tage später nun der zweite Schlag: Die US-Behörden untersuchen schon wieder einen Tesla-Unfall - diesmal geht es um das SUV Model X und einen Vorfall vom 1. Juli. Der Wagen kam von der Straße ab und überschlug sich. Kein Toter, kein Verletzter, aber dafür ein Protokoll mit Folgen: Der Fahrer gab an, zum Zeitpunkt des Unfalls sei der Autopilot angeschaltet gewesen.

Jetzt müssen die Behörden herausfinden: War das System, mit dem die Autos automatisch die Spur wechseln, die Geschwindigkeit anpassen und bremsen können, wirklich aktiviert? Und wenn ja: Was heißt das dann für die Zukunft dieser Technologie? Und für die Zukunft von Tesla?

Autopilot in der sogenannten Beta-Phase

Musk, der große Charismatiker, gerät nicht nur in Erklärungsnot. Er muss sich auch fragen, ob er seinen Kunden nicht zu viel verspricht. Ob er es mit seinem Marketing nicht zu weit getrieben hat. In der vergangenen Woche kondolierte Musk der Familie des Unfallopfers. Allerdings klang das eher nach einer statistischen Rechtfertigung als nach ernsthafter Anteilnahme.

Musk warnte: Das Autopilot-System beim Model S sei noch in der sogenannten Beta-Phase und sei eigentlich ausgeschaltet. Wer es einsetze, werde aufgefordert, mit den Händen am Steuer zu bleiben und die Kontrolle über das Fahrzeug niemals abzugeben. In der Branche schüttelt man mit dem Kopf: Wie kann es sein, dass ein Kunde selbst eine solche Beta-Version auf der Straße einschalten kann? "Wir sind sehr vorsichtig damit, so etwas für den Kunden freizugeben", heißt es dort.

Kritik auch an Musk persönlich

Andererseits gehörte es schon immer zum Tesla-Marketing, der Welt zu erklären: Wir sind die Besten. Bei uns funktioniert alles. Musk hatte den Autopiloten offensiv angepriesen und im April sogar ein Video des Unfallopfers Joshua Brown auf Twitter geteilt, auf dem zu sehen ist, wie das Tesla-System einen Unfall verhindert. Es gehört zur Vermarktungsstrategie von Musk, erst einmal viel zu versprechen und danach scheibchenweise zu relativieren.

Diesmal aber laufen die Dinge auch gegen ihn persönlich: Ein Artikel in der Zeitschrift Fortune spekulierte darüber, welche Folgen es haben könne, dass Musk schon im Mai von dem schweren Unfall wusste und das Unternehmen dann kurz darauf Aktien im Wert von 1,4 Milliarden Dollar verkaufte. Musk reagierte auf seine Art, verschnupft und über Twitter. Der Artikel sei "BS" - "Bullshit".

Bei Google hält man sich zurück - untypisch für das Silicon Valley

In den Vereinigten Staaten wird nun deshalb heftig darüber debattiert, wie sinnvoll es eigentlich ist, eine Beta-Version zu vermarkten. Ist das nicht so, als würde man einem Kind einen Hammer in die Hand drücken und das Zimmer verlassen mit den Worten: "Aber bitte nichts kaputt machen."

So jedenfalls interpretiert Chris Urmson das Vorgehen von Tesla. Er ist bei Google verantwortlich für autonomes Fahren und hat bei Tests festgestellt: "Bereits nach fünf Minuten haben die Insassen der Technik vertraut. Sie haben sich zu wohl gefühlt und die verrücktesten Dinge angestellt." Google wählt einen anderen Zugang zum autonomen Fahren - es möchte irgendwann ein komplett fahrerloses Fahrzeug präsentieren - und wählt deshalb den Silicon-Valley-untypischen Zugang der Zurückhaltung.

Gewöhnlich werden in der Technologiebranche Produkte möglichst schnell auf den Markt geworfen und dann verbessert, doch im Falle von Autos hält Urmson das für keine gute Idee: "Es gibt Leute, die haben mich gefragt: 'Schau mal, mein Computer stürzt jeden Tag ab - was ist, wenn das mit meinem Auto passiert? Wie stellt ihr sicher, dass da nicht plötzlich ein blauer Bildschirm des Todes auftaucht?'"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3068042
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/mahu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.