Automobilzulieferer:"Wir sind Schaeffler"

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Eine Mitarbeiter-Initiative unterstützt Maria-Elisabeth Schaeffler. Sie will die Politik davon überzeugen, dass sie keine raffgierige Milliardärin ist.

Uwe Ritzer

Der Anstoß kam aus dem Intranet. Gewürzt mit viel Galgenhumor rief ein Schaeffler-Mitarbeiter seine Kollegen dazu auf, nach Berlin zu marschieren und die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

IG Metall: "Ohne Staatshilfe steht Schaeffler demnächst am Abgrund" (Foto: Foto: Reuters)

Sprich: die Politik davon zu überzeugen, dass Maria-Elisabeth Schaeffler keine raffgierige Milliardärin sei, sondern eine bis dato erfolgreiche Unternehmerin, deren Scheitern einen Technologieführer der Automobilwirtschaft zerstören und zigtausende Arbeitsplätze kosten würde. Binnen kürzester Zeit folgten dem Eintrag im Intranet viele weitere, und angesichts dessen beschloss Paul Seren, selbst aktiv zu werden. "Die Sache schrie förmlich danach, dass einer sie in die Hand nimmt", sagt er.

Großer Auftritt

Im beruflichen Alltag ist der 49-jährige Ingenieur für den Wissenstransfer zwischen den weltweit 66.000 Schaeffler-Mitarbeitern zuständig. Seit wenigen Tagen ist er außerdem einer der Koordinatoren einer Aktion, die sich schlicht "Wir sind Schaeffler" nennt. Seit Montag hat sie einen eigenen Internetauftritt, und am heutigen Mittwoch will man erstmals groß öffentlich in Erscheinung treten. Zu einer Demonstration am Firmensitz Herzogenaurach erwartet Seren bis zu 5000 Teilnehmer.

Auch die Gewerkschaft IG Metall verschließt sich dieser Mitarbeiterinitiative nicht. Im Unternehmen arbeiten Gewerkschafter wie der Herzogenauracher Betriebsratschef Thomas Mölkner mit Nicht-IG-Metallern wie Seren zusammen. Gemeinsam will man Unterschriften sammeln und an die Kanzlerin schicken. Am Dienstag erhöhte die IG Metall noch einmal den Druck auf alle Beteiligten.

Wenn der Staat, die Eigentümerfamilie und die Banken nicht schnell ein durchgreifendes Rettungskonzept auf den Weg brächten, drohe Schaeffler in absehbarer Zeit die Insolvenz, hieß es bei einer Mitgliederversammlung der Gewerkschaft in Herzogenaurach. Die Lage bei Schaeffler habe sich angesichts von monatlichen Zinsbelastungen aus der Conti-Übernahme in Höhe von 70 Millionen Euro "dramatisch verschärft", sagte der bei der IG Metall für Schaeffler zuständige Wolfgang Müller.

"Ohne Staatshilfe steht Schaeffler demnächst am Abgrund. Deshalb muss es jetzt schnell gehen", warnte Müller. Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagte, man müsse versuchen, sich "über Staatshilfe Zeit zu erkaufen", um nach Investoren für Schaeffler zu suchen. "Wer künftig Eigentümer ist, ist für uns zweitrangig", sagte er. Neugebauer knüpft Staatshilfe jedoch an klare Bedingungen.

Die Unterstützung dürfe nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, sagte er. Auch eine Zerschlagung des Unternehmens müsse ausgeschlossen werden. Zudem müsse Schaeffler künftig mehr Transparenz gegenüber der eigenen Belegschaft an den Tag legen und einen "mitbestimmten Aufsichtsrat einrichten". Man stünde, so Neugebauer, nicht am Ende eines Prozesses, sondern am Anfang. Gerüchteweise hieß es in Herzogenaurach, Schaeffler wolle das angekündigte Rettungskonzept Ende der Woche dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin vorlegen.

Bei der Kundgebung von "Wir sind Schaeffler" am Mittwoch wollen die Mitarbeiter Maria-Elisabeth Schaeffler Solidarität bekunden und zugleich ihre Bitte um Staatshilfe unterstützen. Auch die örtlichen Gewerbetreibenden und Kommunalpolitiker wollen sich an der Demonstration beteiligen. Im Vorfeld haben bereits die Bürgermeister von 24 deutschen Schaeffler-Standorten an Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) geschrieben und Schaeffler in Schutz genommen. Die Unternehmerin habe sich nicht verzockt, sondern sei Opfer der Finanzkrise, heißt es in dem Brief.

© SZ vom 18.02.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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