Süddeutsche Zeitung

Automobilindustrie:So schützt die Regierung die Autokonzerne vor Umweltauflagen

Lesezeit: 1 min

Was unter Gerhard Schröder galt, gilt auch für die Regierung Merkel: Politik wird immer zum Wohle des Autos gemacht.

Von Klaus Ott

Diesen Gesprächswunsch konnte das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin nicht abschlagen. Der Autolobbyist, der im Ministerium um einen Termin bat, galt schließlich als "politischer Entdecker" von Angela Merkel. So notierte es ein Referatsleiter am 17. März 2010, nachdem die Volkswagen AG im Wirtschaftsministerium vorstellig geworden war.

Hans-Christian Maaß, der Leiter der VW-Konzern-Repräsentanz in der Hauptstadt, wollte mit der Regierung über die geplanten Grenzwerte für den Kohlendioxid-Ausstoß und andere Themen reden. Maaß hatte in der CDU und in der Bundesregierung Karriere gemacht und war schließlich in die Industrie gewechselt, genauer gesagt in die Automobilindustrie: erst zu Daimler, später zu Volkswagen.

Als er nun im Wirtschaftsressort anklopfte, hielt der zuständige Referatsleiter fest, dass aus "fachlicher Sicht nichts gegen einen Gesprächstermin" einzuwenden sei. Zudem fügte der Mitarbeiter des Ministeriums noch einen "Hinweis" hinzu: Maaß, der Autolobbyist, habe "maßgeblich" zur Berufung von Merkel "als Pressesprecherin der letzten DDR-Regierung beigetragen". Maaß bekam einen Termin, beim Parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Otto.

Umweltschützer sind "Hardliner"

Die Episode zeigt, wie in Deutschland Verkehrs- und Wirtschaftspolitik betrieben wird. Die SZ dokumentiert anhand von 20 weiteren Beispielen aus dem Regierungsalltag, die bis heute reichen, wie eng die Bande zwischen Autoindustrie und Regierung sind. Wie groß der Einfluss von BMW, Daimler und Volkswagen ist. Wie vieles nach und wenig gegen den Willen der Konzerne läuft. Wie in Deutschland Politik gemacht wird: nicht immer zum Wohle des Volkes - aber zum Wohle des deutschen Autos. Hauptsache, die Autobranche mit ihren Millionen Arbeitsplätzen floriert. Man kennt sich, man hört sich zu. Und man tut was man kann.

Wie einst unter Gerhard Schröder gilt heute auch unter Angela Merkel: Die Konzernchefs und deren Abgesandte sind in Berlin stets willkommene Gesprächspartner, deren Wünsche so weit wie möglich umgesetzt wurden - insbesondere beim klimaschädlichen CO₂. Verbraucher- und Umweltschützer, die gegen den hohen Ausstoß der Abgase kämpfen, bekommen hingegen teils gar keine Antworten auf ihre Anliegen oder werden als "Hardliner" abgetan. Ganz egal, wer gerade welche Minister stellt: Ökonomie schlägt in Deutschland Ökologie.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3036387
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.