Automobilindustrie:Freie Fahrt für Spritschlucker

Die Hersteller großer Autos müssen das von der EU-Kommission geplante CO2-Limit nicht fürchten. Industriekommissar Verheugen gibt für die Konzerne Entwarnung.

Alexander Hagelüken und Michael Kuntz

EU-Industriekommissar Günter Verheugen sichert den deutschen Autokonzernen zu, dass sie trotz neuer Klimaschutzziele weiter große Modelle produzieren können.

"Wir werden eine faire Lösung finden, die die Belastung auf alle Hersteller gerecht verteilt", sagte Günter Verheugen der Süddeutschen Zeitung. Autofahren werde trotz aufwendiger Umwelt-Technologie nicht teurer, weil weniger Sprit verbraucht werde.

Der Kommissar ging auf die Sorgen von Herstellern wie BMW, Porsche oder Daimler-Chrysler ein, dass ein einheitlicher Kohlendioxid-Grenzwert für jeden Pkw das Ende für ihre Limousinen und Sportwagen sein werde. Die Europäische Union will für Neuwagen vom Jahr 2012 an einen CO2-Ausstoß von durchschnittlich 120 Gramm pro Kilometer vorschreiben, ein Viertel weniger als bisher. Diesen Wert müsse aber nicht jedes einzelne Modell erfüllen, sagte Verheugen. "Es gibt ein Naturgesetz: Ein Auto, das mehr Masse bewegt, braucht mehr Energie. Wenn dieses Prinzip gilt, kann es keine uniforme Obergrenze für jeden Neuwagen geben."'

Fiat oder Peugeot drangen bisher darauf, dass die deutschen Konzerne mit ihren großen Modellen den größten Beitrag leisten müssten. Verheugen sagte: "Der Konsument entscheidet, welches Auto auf dem Markt besteht. Wir werden uns in den Wettbewerb der Unternehmen nicht einmischen."

Lösungsvorschlag wird präsentiert

Der Dachverband der europäischen Autohersteller Acea will einen gemeinsamen Lösungsvorschlag seiner Mitgliedsunternehmen zur Umweltbelastung durch Kohlendioxid an diesem Mittwoch bei der IAA in Frankfurt vorstellen. Acea-Vorsitzender ist derzeit Fiat-Chef Sergio Marchionne. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Branchenkreisen konnte sich die Industrie nicht auf ein nach Fahrzeugsegmenten abgestuftes Modell einigen, das auch die Interessen des unabhängigen Sportwagenherstellers Porsche berücksichtigt. Dies könnte Spekulationen neue Nahrung geben, wonach Porsche seine Beteiligung an Volkswagen von knapp 31 Prozent auf mehr als 50 Prozent erhöhen wird und beide Unternehmen verschmilzt. Als Teil des VW-Konzerns könnte Porsche dann seine Sportwagen weiterhin bauen.

Verheugen versuchte Befürchtungen zu zerstreuen, dass die EU-Klimaschutzvorgaben das Autofahren drastisch verteuern. Nach Studien kostet die Umrüstung der Neuwagen 600 bis 3000 Euro pro Stück. Diese Mehrkosten würden aber aufgewogen, weil "die Verbraucher ungeheuer viel Kraftstoff sparen", sagte der Kommissar. "Autofahren wird durch die EU-Vorgaben nicht teurer."

Bei der weltgrößten Automesse IAA in Frankfurt, die am Donnerstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnet wird, zeigen die deutschen Hersteller umweltfreundliche Autos in bisher nicht gekannter Zahl. Volkswagen stellt einen neuen Kleinstwagen aus, der in verschiedenen Versionen für westliche Metropolen und Schwellenländer die Nachfolge des legendären Käfers antreten könnte. Konzernchef Martin Winterkorn: "Wir können beides - umweltschonende und faszinierende Autos mit hoher Leistung." Der Kunde müsse wählen können.

In der Debatte über die Folgen der Globalisierung sprach sich Kommissar Verheugen dafür aus, der Billigproduktion aus Asien Schranken zu setzen. "Ich weiß, dass es sehr schwierig sein wird, im Rahmen multilateraler Handelsrunden eine Verbesserung ökologischer und sozialer Standards zu erreichen. Das befreit uns aber nicht von der Pflicht, etwas zu tun."

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