Automobilhersteller:Katastrophe für Toyota

Die Rückrufaktion von Toyota legt nicht nur die Probleme in dem weltgrößten Autokonzern bloß. An dem klemmenden Gaspedal entzündet sich ein politischer Wirtschaftskrieg.

Thomas Fromm

Bei der Detroiter Automesse im Januar heizten die Amerikaner ihren Kunden mit brachialen Heavy-Metal-Riffs und rasanten Videoclips ein. Die Selbstdarstellung der Amerikaner war eine Mischung aus Dröhnung und großen Autos. Ein paar Hundert Meter weiter inszenierte Toyota einen kontemplativen Gegenentwurf: Leise Musik, dazu Bilder von Eisbären und Regenwäldern. Ein Autobauer als eine Mischung aus Greenpeace und Industriekonzern, der nun mal nicht anders kann als Autos zu bauen, aber das Beste daraus machen will. Das war eine ungewöhnliche Defensivstrategie.

Automobilhersteller: "Die Situation ist sehr ernst": Die Qualitätsprobleme treffen Toyota zum ungünstigsten Zeitpunkt.

"Die Situation ist sehr ernst": Die Qualitätsprobleme treffen Toyota zum ungünstigsten Zeitpunkt.

(Foto: Foto: AP)

Möglich, dass die japanischen Manager da schon wussten, was zwei Wochen später auf sie zukommen würde: Ein klemmendes Gaspedal führt zu einer weltweiten Rückrufaktion, zur größten in der Unternehmensgeschichte. Das ist ein Milliardendesaster. Was die Manager aber wohl nicht abschätzen konnten: Dass sich an einem Gaspedal ein politischer Wirtschaftskrieg entzündet. Denn es geht in Wahrheit um nicht weniger als um die Frage, wer künftig auf dem US-Markt das Sagen hat.

Toyota wird sich in einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses verantworten müssen. Dabei werden unangenehme Fragen gestellt werden; zum Beispiel, wann Toyota von den Problemen gewusst hat. Man darf davon ausgehen, dass die US-Behörden den Fall mit größter Akribie verfolgen werden.

Auch deshalb hat das klemmende Gaspedal eine ganze Nation schwer gedemütigt. Zuerst war es Toyota-Chef Akio Toyoda, der sich weltweit für die Panne entschuldigte. Dann gab es den Kotau des japanischen Handelsministers, der in Davos mit eisiger Miene öffentlich erklären musste: "Die Situation ist sehr ernst." Da klemmt wohl mehr als nur ein Gaspedal.

Dass Toyota Qualitätsprobleme hat, steht außer Frage. Der Konzern war zu schnell gewachsen, ausgerechnet die Qualität, für die die Japaner immer im Wort standen, blieb dabei auf der Strecke. Den Amerikanern kommen die Probleme der Japaner gerade recht.

Hier ist der größte Autobauer des Landes, General Motors, längst ein Staatskonzern und wird mit 50 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch bewahrt; Chrysler wurde vom italienischen Autobauer Fiat übernommen. Das Selbstbewusstsein der Amerikaner ist schwer angeschlagen, sie gehören zu den größten Verlierern der Autokrise.

Dass ausgerechnet Toyota in den USA seit langem die Marktführerschaft für sich beansprucht, ist ein Affront - nicht nur für die heimische Automobilindustrie, sondern auch für die Politiker, die ihr helfen.

Der Marktanteil der Japaner ist in den letzten Jahren stetig gestiegen; zuletzt auf fast 20 Prozent. Toyotas Camry ist inzwischen der meistverkaufte Pkw in Übersee - die Verluste der Amerikaner sind vor allem die Erfolge der Japaner.

Sprachlos und entsetzt blickt man daher von Tokio aus in die USA, wo sich die Rivalen nun auf die eigene Klientel stürzen. GM bietet Nachlässe von 1000 Dollar, wenn Kunden einen Toyota für eines ihrer Modelle in Zahlung geben. Hohe Prämien für einen Markenwechsel: das ist zweifelhafte Strategie, um Marktanteile zu gewinnen, vor allem dann, wenn die Geschenke aus der Staatskasse kommen.

Wo der Markt die Dinge nicht mehr zum eigenen Vorteil regelt, muss offenbar mit aktiver Industriepolitik nachgeholfen werden. In Krisenzeiten wird die Automobilwirtschaft, eine der Schlüsselwirtschaften, zur Staatssache. Schon vor einem Jahr fing das an: Als der französische Präsident Nicolas Sarkozy seinen nationalen Autobauern Renault und Peugeot-Citroën zinsgünstige Milliardenkredite versprach, wenn nur Arbeitsplätze und Werke in Frankreich erhalten blieben und nur noch bei französischen Zulieferern eingekauft werde.

Toyota-Managern stehen daher nun sehr harte Monate bevor. Ihr Gaspedal klemmt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt.

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