Automobil:In 60 Tagen entscheidet sich Opels Zukunft

In Rüsselsheim wächst die Sorge um viele Arbeitsplätze. Im schwedischen Trollhättan könnte die Fabrik von Saab vor dem Aus stehen. Und bei der Mutter beider Unternehmen, General Motors, ist die Geduld zu Ende.

Von Karl-Heinz Büschemann

GM-Chef Rick Wagoner verriet am Rande der Pariser Autoschau noch nicht, was er plant.

Automobil: Neue Technik und eine ungewisse Zukunft: General Motors präsentiert auf dem Pariser Autosalon den neuen Opel Speedster.

Neue Technik und eine ungewisse Zukunft: General Motors präsentiert auf dem Pariser Autosalon den neuen Opel Speedster.

(Foto: Foto: rtr)

Aber er sagt einen Satz, der Schlimmes befürchten lässt: "Ich kann nicht ausschließen, dass es zu einer Werksschließung kommt. In 60 Tagen fällt die Entscheidung", sagt er der Süddeutschen Zeitung.

"Es wird hässlich"

Der US-Konzern ist entschlossen, hart durchzugreifen. Die deutsche Traditionsfirma, die 1928 von GM übernommen wurde und viel Eigenständigkeit bewahren konnte, wird sich in den nächsten Monaten stärker verändern als in achtzig Jahren zuvor.

"Wir haben schon einiges getan", sagt Wagoner. Als der europäische Automarkt vor vier Jahren in die Knie ging, bekam Opel mit dem ehemaligen BMW-Chef Carl-Peter Forster eine neue Führung.

Gleichzeitig wurde ein Sanierungsprogramm gestartet, dem bei Opel 2500 Arbeitsplätzen zum Opfer fielen. "Die Ergebnisse sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben", klagt Wagoner heute. "Wir müssen die Dinge jetzt wieder stärker in die Hand nehmen".

Etwa zwei Milliarden Euro hat GM in den letzten Jahren mit den Marken Opel, Vauxhall und Saab verloren. Dieses Jahr könnte wieder eine halbe Milliarde dazu kommen. Wagoner: "Wir können nicht mehr ewig auf ein Wunder warten."

Wieder einmal wird die Muttergesellschaft die Entscheidungen ihrer europäischen Tochter an sich ziehen. Diesmal aber gibt es wahrscheinlich kein Zurück mehr.

Forster ist nach Zürich abkommandiert worden, wo er unter einem Amerikaner die drei europäischen Konzern-Marken koordinieren darf. Doch über ihm steht Fritz Henderson, ein harter Kostenrechner und enger Vertrauter von Konzernchef Wagoner. Bei den Arbeitnehmern in Deutschland geht daher das Wort vom "schlimmsten amerikanischen Imperialismus" um.

Allein das Bankgeschäft hilft

Dass bei GM der Handlungsdruck steigt, liegt nicht nur am schwachen Europa-Geschäft. Allein auf dem asiatischen Markt kann der größte Autokonzern der Welt noch Gewinne machen.

In Nord- und Südamerika kommen die Gewinne nur noch vom Bankgeschäft des Konzerns. Seit acht Jahren fallen die Autopreise in den USA und die Rabattschlacht hört nicht auf, sie greift sogar auf Europa über.

"In Europa wachsen die Rabatte schneller als in Nordamerika", stellt GM-Finanzchef John Devine fest. Damit nimmt aber auch die Nervosität in Detroit zu. "Europa ist die für uns schwierigste Region", sagt Devine. "Wir müssen schwierige Dinge tun. Was jetzt kommt wird hässlich."

Mit allen Mitteln versuchen die GM-Manager der Frage auszuweichen, wie viele der 60.000 Arbeitsplätze bei GM/Opel in Europa überflüssig sind. Sie wollen die Gewerkschaften nicht provozieren.

Aber auch denen ist klar, dass die Adam Opel AG, die in Deutschland rund 30.000 Beschäftigte hat, Opfer wird bringen müssen. "Wir haben zu viel Beschäftigte", räumt ein Gewerkschafter ein.

Aber die Arbeitnehmervertreter geben dem Management eine Mitschuld an der Opel-Misere. In den neunziger Jahren hätten die Buchhalter von Detroit versucht, mit Hilfe des Einkaufsmanagers Jose Ignacio Lopez die Kosten zu senken.

In 60 Tagen entscheidet sich Opels Zukunft

Das Ergebnis sei ein drastischer Verfall der Qualität bei Opel gewesen. Der entscheidende Vorteil für die Marke sei verloren. Klaus Franz, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Opel, beklagt auch den häufigen Wechsel in der Opel-Spitze. Vor allem beklagen die Arbeitnehmer, dass die Konkurrenz noch bessere Modelle hat. Einen Geländewagen kann Opel nicht liefern.

10 Stunden zu viel

Die Deutschen haben inzwischen einen schweren Stand in der Unternehmensspitze. Ein GM-Manager sagt: "Wir haben das Gefühl, dass in anderen Länder in Europa die Opfer größer waren."

In England wurde ein Werk geschlossen, in Belgien wurden Kapazitäten reduziert. Die Deutschen bei Opel dagegen bekamen vor vier Jahren eine neue Fabrik in Rüsselsheim. Doch die Zahlen wurden nicht besser. "Jetzt wächst bei uns die Frustration über die Deutschen".

Künftig ist Opel nur noch ein Marke, ähnlich wie Saab. Eigene Opel-Fabriken gibt es nicht mehr. Die Arbeiter von Rüsselsheim oder Bochum müssen sich mit ihren Kollegen in anderen EU-Werken vergleichen. Schon werden bei GM Kostenlisten herumgereicht. Schwarz auf weiß steht da, dass die Löhne bei GM in Belgien nur drei Viertel des Rüsselsheimer Niveaus ausmachen, in Spanien sind es fünfzig Prozent.

Ein Portugiese verdient nur ein Viertel, ein Pole nur 15 Prozent dessen, was ein deutscher Opel-Arbeiter bekommt. Der Einwand, dass die Deutschen produktiver sind, findet keine Gnade.

Carl-Peter Forster, zweiter Mann in der Europa-Zentrale, sagt: "In Westeuropa können unsere deutschen Werke nicht mithalten." Über 30 Stunden seien in deutschen Opel-Werken nötig, um ein Auto zu bauen", rechnet Forster vor. "Es dürften nur 20 sein."

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