Automobil:Audi-Mitarbeiter sollen länger arbeiten

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Von einer Krise in der Autoindustrie will Audi-Chef Martin Winterkorn nicht sprechen — nur von Stagnation. Trotzdem soll es bei der Volkswagen-Tochter auf längere, flexiblere Arbeitszeiten ohne vollen Lohnausgleich hinauslaufen.

Von Karl-Heinz Büschemann

SZ: Herr Winterkorn, wie ist die Lage der Autoindustrie am Beginn des Jahres 2005? Winterkorn: Nicht mehr so schlecht wie noch vor einem halben Jahr, aber große Hoffnung auf den Aufschwung habe ich in Deutschland wie in Europa noch nicht.

Audi-Chef Martin Winterkorn. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Wann ist die Krise zu Ende? Winterkorn: Ich möchte nicht von Krise sprechen, sondern von Stagnation.

SZ: Einige Hersteller sind aber ganz erheblich in Schwierigkeiten geraten, zum Beispiel Opel, wo jeder dritte Arbeitsplatz gestrichen wird. Auch bei VW geht der Gewinn stark zurück. Winterkorn: Aber VW macht Gewinn und wird in den nächsten Jahren wachsen.

SZ: Sind die vielen schlechten Nachrichten aber nicht doch ein Indiz dafür, dass die deutsche Autoindustrie angeschlagen ist? Winterkorn: Keineswegs. Es gibt ja einige, denen es ganz gut geht. Aber eines ist auch klar. Wenn es einem Wettbewerber wie Opel schlecht geht, muss man damit rechnen, dass er bei den Preisen aggressiver wird. Dann gilt es aufzupassen, nicht in diesen Preiskampf hineingezogen zu werden.

SZ: Wie lange wird der Export der Arbeitsplätze in Deutschlands Autoindustrie weitergehen? Winterkorn: Das Thema bleibt uns noch eine Weile erhalten. Unsere Aufgabe ist es, die Herstellkosten pro Fahrzeug so zu senken, dass wir zumindest die qualifizierten Arbeitsplätze in Deutschland halten können.

SZ: Was wollen Sie bei Audi tun? Winterkorn: Darüber sprechen wir gerade mit unserem Betriebsrat. Hierzu nur soviel: Wir müssen von manchen Zuschlägen für Nacht- oder Samstagsarbeit herunter. Es wird darauf hinaus laufen, dass unsere Mitarbeiter etwas flexibler und mehr arbeiten müssen ohne einen vollen Lohnausgleich. Ziel ist es, die Maschinenlaufzeiten zu erhöhen. Es kann auch nicht sein, dass hochqualifizierte Ingenieure Freitagvormittags nach Hause gehen müssen, weil sie ihre 35-Stunden-Woche erreicht haben.

SZ: Dem halten die Gewerkschaften entgegen, dass damit weitere Arbeitsplätze vernichtet werden. Winterkorn: Und ich sage: Wenn wir wirtschaftlicher arbeiten, bekommen wir mehr Aufträge.

SZ: Bricht im Automarkt das Mittelfeld weg? Besteht die Gefahr, dass bald nur noch teure Premiumautos und sehr billige Massenfahrzeuge verkauft werden und Marken wie VW, Opel oder Ford zerrieben werden? Winterkorn: Das wird nicht passieren. Ich sehe für ausgesprochene Billigautos nur in Osteuropa einen Markt, aber nicht hier im Westen. Mehr Chancen hat man hier, wenn man wie VW einen Fox bringt, also ein Auto unterhalb des Polo anbietet, das etwas unter 10.000 Euro kosten wird, aber moderne Technik und eine gute Ausstattung bietet.

SZ: Aber warum sind dann in Europa die koreanischen Billigmarken so erfolgreich? Winterkorn: Die verkaufen zweckmäßige Fahrzeuge, um von A nach B zu kommen. Aber so einfach sind die auch wieder nicht, dass sie als Billigautos durchgehen könnten.

SZ: Auch die Japaner sind mit ihren Autos, die ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bieten, in Europa wie in den USA auf dem Vormarsch. Winterkorn: Das gilt nicht für alle Japaner, sondern nur für Toyota, vielleicht noch für Honda. Die japanischen Exporte leben auch vom künstlich niedrig gehaltenen Yen, der wie eine Ausfuhrhilfe wirkt.

SZ: Wann werden die Chinesen mit eigenen Autos auf dem Weltmarkt auftauchen? Winterkorn: Das könnte ich mir in zehn bis 15 Jahren vorstellen. Aber die Chinesen sind für lange Zeit gut damit beschäftigt, den eigenen Markt zu versorgen.

SZ: Die Autoindustrie hat Druck von drei Seiten: Die Preiskämpfe sind hart, der Stahlpreis ist dramatisch gestiegen und der schwache Dollar macht Exporte sehr schwierig. Winterkorn: Der jetzige Dollarstand ist natürlich schwierig für uns. Aber wir wissen auch, dass dieser Wechselkurs nicht so bleiben wird. Im Schnitt der letzten 30 Jahre liegt er bei 1,15 Dollar je Euro. Damit kämen wir gut zurecht. Der gegenwärtige Dollarkurs wirft natürlich die Frage auf, ob man stärker im Dollarraum investiert.

SZ: Und wann bauen Sie ein Werk in den USA? Winterkorn: Das ist eine strategische Frage, die wir zusammen mit VW entscheiden müssen. Aber es ist ein Vorteil, ganz klar, wenn man auf dem US-Markt produziert. Die amerikanischen Käufer honorieren das.

SZ: Bislang fährt Audi den Wettbewerbern in Amerika deutlich hinterher. BMW oder Mercedes verkaufen zwei- bis dreimal so viele Autos wie Audi. Warum tun Sie sich so schwer? Winterkorn: Sie müssen sehen, von welchem Niveau wir kommen. Wir sind von 75.000 Mitte der 80-er Jahre auf 12.000 Autos zurückgefallen. Damals gab es ein Problem wegen angeblicher Selbstbeschleunigung der Autos. Audi traf damals keine Schuld. Aber diese Diskussion wirkt bis heute nach. Im nächsten Jahr wollen wir in den USA mehr als 90.000 Autos verkaufen.

SZ: Wie sehr belasten die hohen Stahlpreise? Mancher Stahlhersteller verlangt heute bis zum Doppelten des früheren Preises. Winterkorn: Das ist in der Tat ein gravierendes Problem. Wir haben schon den Eindruck, dass die Stahlindustrie hier ein wenig übertreibt. Wir können auch rechnen und stellen fest, dass manche Hersteller den Nachfrageboom ausnutzen und höhere Preise verlangen als gerechtfertigt wären. Wir befürchten vor allem, dass die hohen Stahlpreise manchen unserer Zulieferer in große Schwierigkeiten bringen. Für die ist der Stahlpreis ein ernstes Problem.

SZ: Was also tun Sie? Winterkorn: Wir schauen uns genau an, welche Preise die Lieferanten verlangen. Es gibt Stahlhersteller, die auch andere wichtige Teile für unsere Autos liefern. Wenn die Stahlpreise überzogen sind, könnten wir die anderen Zulieferteile durchaus woanders einkaufen.

SZ: Audi hat im Jahr 2004 auf dem deutschen Markt Absatz und Marktanteil verloren. Warum? Winterkorn: Das lag zum Teil daran, dass wichtige Modelle wie der A4 oder der A6 ausliefen und durch neue Generationen ersetzt wurden. Das führt immer zu einem Rückgang beim Absatz in der Übergangsphase. Beim neuen A6 hatten wir am Anfang keinen Vierzylinder im Programm, dadurch konnten wir eine wichtige Zielgruppe in Inland nicht sofort erreichen.

SZ: Das war dann ein Fehler... Winterkorn: Wir haben schnell reagiert. Aber weltweit betrachtet haben wir allein mit den Sechs- und Achtzylinder-Versionen vom A 6 mehr Autos verkauft, als in der Einführungsphase des Vorgängermodells. Zudem haben wir uns auf dem deutschen Markt nicht so stark an der Rabattschlacht beteiligt wie andere. Der letzte Grund: Wir haben auch wegen der Auflagen der EU-Kommission zur Öffnung der Händlernetze in Europa unser Netz etwas ausgedünnt. Das haben alle Hersteller getan, aber in der einen oder anderen Region war es wohl zu viel. Das ändern wir wieder.

SZ: Der VW-Konzern ist im Umbau. Die Marken Volkswagen, Skoda und Bentley bekommen einen eigenen Vorstand, nach dem Vorbild von Audi, Seat und Lamborghini, die auch eine eigene Führung haben. Ist das der richtige Weg? Winterkorn: Sicher. In der Audi-Gruppe hat sich das bewährt.

SZ: Bei VW waren der Konzernvorstand und die Markenführung immer identisch. Winterkorn: Der VW-Konzern bringt etwa jeden Monat ein neues Auto auf den Markt. Das ist viel. Ein Vorstand tut sich leichter, wenn er nicht alle sieben Pkw-Marken im Konzern übersehen muss, sondern sich auf drei beschränken kann.

SZ: VW hat vor einigen Jahren das Luxusauto Phaeton als Konkurrenz zum A 8 auf den Markt gebracht. Wird es solche Doppelungen in Zukunft wieder geben? Winterkorn: Natürlich. Die beiden Marken haben ein ganz unterschiedliches Profil. Die Marke VW verträgt sehr wohl einen Polo und einen Phaeton. Die Marke hat weltweit große Strahlkraft. Der VW-Geländewagen Touareg ist ja auch erfolgreich - obwohl er nicht weniger kostet als ein Phaeton. Die Marke gibt das her.

SZ: Das sagen Sie, weil Sie bei VW den Phaeton entwickelt haben! Winterkorn: Auch bei Audi hat es lange gedauert, bis der A8 als Oberklassemodell etabliert war. Damals haben viele bei Audi nicht geglaubt, dass dieser Aufstieg gelingen kann. Heute ist Audi ohne dieses Flaggschiff nicht mehr denkbar.

© SZ vom 5.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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