Autokartell:Wer die Autokonzerne verklagen kann

Autokartell: Die Erfolgsaussichten von Klagen dürften zumindest ein wenig besser sein als im Skandal um die manipulierte Abgassoftware bei Dieselautos, wo die deutschen Verbraucher leer ausgegangen sind.
Illustration: Stefan Dimitrov

Die Erfolgsaussichten von Klagen dürften zumindest ein wenig besser sein als im Skandal um die manipulierte Abgassoftware bei Dieselautos, wo die deutschen Verbraucher leer ausgegangen sind.

Illustration: Stefan Dimitrov

Privatkunden, Zulieferer und Aktionäre könnten vor Gericht aktiv werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Thomas Fromm und Wolfgang Janisch

Der Kartellverdacht gegen Audi, BMW, Daimler, Porsche und VW wirft eine Reihe rechtlicher Fragen auf. Anwälte sprechen bereits von einer drohenden Klagewelle, die hohe Rückforderungen gegen die deutschen Autohersteller nach sich ziehen könnte. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte.

Wie kann man sich einen Prozess gegen die Autofirmen vorstellen?

Im Kartellrecht steht normalerweise an erster Stelle ein Verfahren der zuständigen Kartellbehörde, also entweder des Bundeskartellamts oder, was hier wahrscheinlicher ist, der EU-Kommission. Dort geht es um Bußgelder, die - sollte ein Verstoß nachgewiesen werden - sehr hoch ausfallen können, das kann durchaus Milliardensummen erreichen. Nach Einschätzung von Florian Bien, Würzburger Professor für Wirtschaftsrecht, müssten dabei nicht nur die Nachteile für Autofahrer zu Buche schlagen, sondern auch die Behinderung des Wettbewerbs zu Lasten der internationalen Konkurrenten. So ein Verfahren kann sich hinziehen, weil es wahrscheinlich noch durch die Gerichtsinstanzen gehen würde, möglicherweise bis zum Europäischen Gerichtshof. Ist der Kartellverstoß rechtskräftig festgestellt, dann hat dies Bindungswirkung für spätere Schadenersatzprozesse. Die Behörde leistet damit sozusagen die Ermittlungsarbeit für die Gerichte.

Wer könnte vor Gericht ziehen?

Auf Schadenersatz könnten zum einen die Zwischenhändler klagen, aber beispielsweise auch Großabnehmer, die viele Autos eines Herstellers als Firmenwagen nutzen. Gleiches gilt für Autovermietungen. Rechtlich möglich wären auch Klagen einzelner Autokäufer - aber praktisch dürfte das wegen des hohen Aufwands und des nicht unbeträchtlichen Prozessrisikos schwierig sein. Sammelklagen sind in Deutschland nicht erlaubt. Denkbar wäre, dass sich ein Prozessfinanzierer findet, der Forderungen sammelt und gegen eine Erfolgsbeteiligung durchzusetzen versucht. Möglich wäre zudem eine Klage eines Verbraucherverbandes. "Aber dazu brauchen wir erst einmal einen validen Ansatzpunkt", sagt Otmar Lell von Bundesverband der Verbraucherzentralen. Also einen Schaden, den die Verbraucher erlitten haben.

Wie sind die Erfolgsaussichten solcher Klagen?

Sie dürften zumindest ein wenig besser sein als im Skandal um die manipulierte Abgassoftware bei Dieselautos, wo die deutschen Verbraucher leer ausgegangen sind. Denn das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält seit Ende 2016 den Paragrafen 33a, der solche Klagen erleichtern soll. Dort heißt es: "Es wird widerleglich vermutet, dass ein Kartell einen Schaden verursacht." Ob das vor Gericht wirklich weiterhilft, ist aber fraglich. Denn die Höhe des Schadens müssen die Betroffenen trotzdem nachweisen. Bei einem klaren Preiskartell wäre dies mit einem Sachverständigen-Gutachten vergleichsweise einfach zu ermitteln. Inwieweit aber ein zu kleiner Adblue-Tank den Wert eines Autos mindert, ist schwer zu ermitteln. Es sei nicht einfach, hier einen Schaden zu erkennen, sagt Professor Bien.

Aber muss denn der Schaden wirklich auf Heller und Pfennig nachgewiesen werden? Gerichte dürfen doch auch schätzen.

Das ist zwar richtig. Die Gerichte könnten den Betroffenen beispielsweise einen Mindestschaden zusprechen. Aber auch dafür müssen bestimmte "Anknüpfungstatsachen" vorliegen, also Hinweise auf einen tatsächlichen Schaden. Eine Pauschalierung ohne wirkliche Grundlage auf, sagen wir, zehn Prozent ist nach deutschem Recht nicht möglich.

Wären die vielen Zulieferer eigentlich bereit, gegen ihre Kunden aus der Autoindustrie vor Gericht zu ziehen?

Sollte es tatsächlich jahrelang ein Autokartell gegeben haben, dann hätten gerade die Zulieferbetriebe, die ihre Komponenten an Audi, BMW, Daimler und Co. verkaufen, das Nachsehen gehabt. Ohnehin beklagen viele Betriebe schon seit Jahren, dass die hohen Gewinne der Konzerne auch deshalb zustande kommen, weil am unteren Ende der Lieferkette zu wenig Gewinn hängen bleibt - dass also der Preisdruck von den großen Autoherstellern zu hoch ist. Dennoch blieben die Lieferanten am Montag erst einmal in Deckung. Entweder hieß es auf die Frage nach möglichen Schadenersatzforderungen "kein Kommentar" - oder aber man verwies auf die unklare Lage. "Uns sind keine Details zu den Sachverhalten bekannt. Deswegen können wir uns derzeit nicht dazu äußern", sagte der Sprecher eines Zulieferers. Klar ist: Die Zulieferer werden mit Forderungen an ihre Auftraggeber eher vorsichtig umgehen - zu groß ist die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Herstellern.

Aktien von VW, BMW und Daimler haben seit dem Bekanntwerden der Kartellvorwürfe bereits Milliarden an Börsenwert verloren. Werden nun auch die Aktionäre klagen?

Dies ist sehr wahrscheinlich. Investoren werden prüfen lassen, ob sie durch mögliche Kartellabsprachen geschädigt wurden. Wer in den vergangenen zwei Tagen Auto-Aktien aus seinem Depot verkauft hat, der hat möglicherweise hohe Verluste gemacht - und könnte die Konzerne dafür nun zur Rechenschaft ziehen.

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