Autoindustrie:Trump kann Mexiko nicht kaputt twittern

View of the construction site where Ford Motor Co cancelled a $1.6 billion plant in Villa de Reyes

Auf diesem Gelände im mexikanischen San Luis Potosí wollte der US-Autobauer Ford die neue Fabrik bauen, die dann nach Trumps Wahlsieg gecancelt wurde.

(Foto: REUTERS)

Der designierte Präsident will die Autokonzerne aus Mexiko vertreiben, um Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Viele aber sind ohnehin schon da - und werden sich dem Druck nicht beugen.

Von Thomas Fromm, München, und Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Es hätte für Mexiko besser beginnen können, das neue Jahr: Massenproteste, Straßenschlachten, Plünderungen, 1500 Festnahmen, Dutzende Verletzte, mindestens sechs Tote. Es hatte sich einiges angestaut in der letzten Zeit; ein explosives Gemisch aus Inflation, sozialer Ungleichheit, Korruption und alltäglicher Gewalt. Als dann in den ersten Januartagen eine Benzinpreiserhöhung um 20 Prozent kam, die sich umgehend auf Strom-, Gas- und Nahverkehrspreise niederschlug, dachten die Mexikaner schon, dass es schlimmer nicht kommen kann.

Dann kam der Mexiko-Hasser Donald Trump, und die Mexikaner lernten: Wenn der künftige US-Präsident twittert, dann kann alles noch schlimmer werden. Denn mit wenigen Worten hatte der Milliardär, der Amerika wieder groß machen möchte - gerne auch auf Kosten anderer -, mal eben so im Vorbeigehen versucht, die internationale Autoindustrie aus Mexiko zu vertreiben.

Mit heftigen Worten hatte er Autokonzerne wie General Motors (GM) und Toyota attackiert, die für seinen Geschmack zu viele Autos für den US-Markt in Mexiko bauen. Er drohte wie schon im Wahlkampf mit hohen Strafzöllen. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Toyota kündigte jetzt an, zehn Milliarden Dollar in den USA zu investieren, Ford begrub Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko. Auch der italo-amerikanische Autokonzern Fiat-Chrysler will nun eine Milliardeninvestition stemmen - und schließt dabei nicht aus, seine Mexiko-Produktion aufzugeben. "Das ist durchaus möglich", wurde Konzernchef Sergio Marchionne auf der Automesse in Detroit zitiert.

77 Prozent der in Mexiko gebauten Autos gehen an die USA

Donald Trump poltert, und eine Branche kriecht zu Kreuze: Für Mexiko, eines der wichtigsten Länder für die Autoproduktion weltweit, ist das eine Katastrophe. Noch im vergangenen Jahr hatte die Produktion in dem Land um zwei Prozent auf 3,46 Millionen Fahrzeuge zugelegt, wie der mexikanische Verband der Automobilindustrie (Amia) Anfang der Woche mitteilte. Etwa 77 Prozent der exportierten Fahrzeuge werden in den USA verkauft, gerade das ist Trump ein Dorn im Auge. Warum im Niedriglohnland Mexiko produzieren, wenn man mit den Fabriken amerikanische Jobs schaffen kann? Bisher war Mexiko mit seinem Know-how, den niedrigen Lohnkosten und den vielen Freihandelsabkommen ein Paradies für Autobauer aus aller Welt. Jetzt, mit Trump vor der Tür, könnte es die Hölle werden.

Grafik Mexiko

SZ-Grafik; Quelle: AMIA (Verband der Autoindustrie Mexiko)

Der Republikaner hatte unter anderem angekündigt, das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta abzuschaffen. Die mexikanische Wirtschaft, vor allem ihre Autoindustrie, ist nahezu komplett vom Handel mit den USA abhängig. Was wäre Mexiko ohne Nafta? Insofern ist es nicht ganz unwichtig, wie die Autokonzerne auf die Drohungen des Wirtschaftspatrioten Trump reagieren: Sie sind der Test für alles, was da noch kommen dürfte.

Zum Beispiel Ford: Geplant war, die Produktion des Kleinwagens Focus von Michigan ins zentralmexikanische San Luis Potosí zu verlegen. Natürlich ist es kein Zufall, dass aus dem Deal nun doch nichts wird, Ford-Chef Mark Fields sprach jetzt von einem "Vertrauenssignal für den kommenden US-Präsidenten". Vertrauenssignal? Eher sieht es nach einem Kniefall vor Trump aus, schon Tage bevor dieser im Weißen Haus überhaupt angefangen hat.

Schadensbegrenzung statt guter Beziehungen

Viele Mexikaner fürchten nun eine Kettenreaktion. Präsident Enrique Peña Nieto, der bei seinen Landsleuten auch nicht viel beliebter ist als Trump, hat gerade einen neuen Außenminister einberufen und ihm einen Spezialauftrag gegeben: Er soll sich jetzt schnell um gute Beziehungen zur neuen Führung in Washington kümmern. Gute Beziehungen? Im Verhältnis zu einem Mann, der im Wahlkampf viel davon gesprochen hat, die USA und Mexiko durch eine hohe Mauer zu trennen, wäre man wahrscheinlich schon froh, wenn die Beziehungen nicht zu schlecht wären. Es geht um Schadenbegrenzung.

Hunderte Automobilzulieferer sitzen bereits in Mexiko

Andererseits: Noch ist Mexiko nicht verloren. Die Absage von Ford ist ein starkes Signal, aber es gibt auch gute Gründe für die Annahme, dass sich nicht alle großen Autokonzerne dem politischen Druck aus Washington beugen. Gerade die alten Silberminenstadt San Luis Potosí ist heute das Zentrum der mexikanischen Autoindustrie. Eine schnell gewachsene Boom-Region, etwa 400 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt, mit Reichensiedlungen, Business-Hotels und Golfplätzen für die Manager aus dem Ausland. Unzählige Ingenieure aus Europa und den USA haben sich hier in den vergangenen Jahren angesiedelt.

Auch wenn Ford nicht kommt, viele andere Unternehmen sind schon längst da, darunter mehrere Hundert Automobilzulieferer aus aller Welt. Wohl auch deshalb beschloss etwa der Münchner Konzern BMW schon vor Jahren in San Luis Potosí (kurz: SLP) ein Werk zu errichten, von 2019 an sollen jährlich 150 000 Autos gebaut werden. Für internationale Autohersteller bietet SLP eine ganze Reihe von Standortvorteilen: nicht nur die Nähe zum wichtigsten US-amerikanischen Absatzmarkt, auch eine funktionierende Infrastruktur, dazu relativ gut ausgebildete Fachkräfte sowie unschlagbare Personalkosten. Während der Durchschnittslohn mexikanischer Autoarbeiter unter vier Dollar pro Stunde liegt, verdient ein US-Kollege in derselben Zeit bis zu 50 Dollar. Nicht unerheblich ist auch, dass Mexiko insgesamt 44 Freihandelsabkommen mit anderen Staaten unterzeichnet hat, dadurch sparen die Investoren die hohen Einfuhrzölle.

Deutsche Hersteller geben sich betont gelassen

Dass BMW jetzt seinen Fabrikbau abbläst, nur weil Trump getwittert hat, ist eher unwahrscheinlich. Überhaupt heißt die Devise bei den Deutschen gerade: Abwarten. Zum Beispiel Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Wir warten auf Fakten", sagte er in diesen Tagen in Detroit. Bislang hat Trump die Deutschen nicht namentlich genannt - doch in München bei BMW oder in Wolfsburg bei VW weiß man, dass dies nicht viel zu bedeuten hat.

Viel wichtiger sind die engen wirtschaftlichen Verflechtungen und die Verträge zwischen US-Industrie und den mexikanischen Werken, zwischen Herstellern und Lieferanten. "Die internationalen Verbindungen zwischen Herstellern und Zulieferern sind langfristig geregelt, das kann man nicht von heute auf morgen stornieren", sagt etwa Johann Schmid-Davis, Finanzchef des Münchner Lkw-Zulieferers Hörmann. Und bei großen Zulieferern wie ZF oder Schaeffler heißt es: Jetzt wird erst einmal weitergearbeitet.

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