Wie man wirklich sauber Auto fährt? Der Autohersteller Volkswagen hat da eine ganz eigene Idee. "Autowäsche immer und überall", verspricht der Konzern in einer Extra-Aktion auf der Internetseite und lobt Rabatte auf Autoreinigungen aus, und zwar "nachhaltige". An anderer Stelle nehmen es viele Autohersteller mit dem sauberen Fahren Experten zufolge allerdings noch immer nicht sonderlich genau.
Beim Spritverbrauch - und damit auch beim Ausstoß von Treibhausgasen - lägen zwischen offiziellen Angaben und realen Werten noch immer Welten, fand eine neue Studie der unabhängigen Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) nun heraus. Der reale Kraftstoffverbrauch neuer Pkws liege durchschnittlich um 39 Prozent höher als der von den Fahrzeugherstellern angegebene Testverbrauch, teilte die Organisation, die auch an der Aufdeckung des VW-Skandals beteiligt war, am Donnerstag in Berlin mit.
Der Bericht basiert auf einer statistischen Auswertung der Daten für mehr als 1,3 Millionen Fahrzeuge aus insgesamt acht europäischen Ländern. Dabei geht es um Neuwagen aus dem Jahr 2017. Die Daten beruhen auf den Angaben von großen Leasingfirmen. Aber auch Informationen von Spritverbrauchsportalen und Fachmagazinen flossen in die Berechnungen ein. Die Folgen der Abweichungen sind gravierend. Zum einen erschweren die höheren CO₂-Werte den Kampf gegen den Klimawandel - der Verkehrssektor hinkt bei der Reduzierung der Treibhausgase ohnehin hinterher. Zum anderen entstehen dadurch für Autofahrer der Organisation zufolge im Durchschnitt Mehrausgaben für Kraftstoff von rund 400 Euro pro Jahr.
Allerdings stellten die Prüfer in der Statistik eine leichte, aber spürbare Veränderung fest. "Zum ersten Mal, seit wir 2012 mit unserer jährlichen Auswertung der Kraftstoffverbrauchsdaten begannen, stellen wir einen leichten Rückgang der Kluft zwischen offiziellem und tatsächlichem Verbrauch fest", sagt Uwe Tietge, einer der ICCT-Forscher und Co-Autor der Studie. "Zuvor stieg die Abweichung von Jahr zu Jahr an." Noch vor elf Jahren wichen die realen Werte noch um 15 Prozent ab. 2013 waren es schon 25 Prozent. Weil Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxid-Emissionen eines Fahrzeugs direkt zusammenhängen, wurde somit auch nur ein Teil der auf dem Papier erbrachten CO₂-Reduktionen tatsächlich verwirklicht.
Wie überhaupt bei Nachmessungen so deutliche Unterschiede zustande kommen können, erklären Prüfer zum großen Teil mit Schönfärberei. Die Hauptursache der Diskrepanz sieht ICCT-Europa-Chef Peter Mock darin, dass die Autokonzerne Schlupflöcher in der Regulierung ausgenutzt hätten. So seien zahlreiche für den Prüfstand verwendete Wagen gezielt für die Testsituation optimiert. Hersteller könnten beispielsweise die Reifen eines Fahrzeugs speziell für den Test präparieren. Sie würden voll aufgepumpt, im Ofen gehärtet und das Profil abgeschliffen, damit sie kaum mehr Reibung haben. Bremsen würden gelockert. Klimaanlage und alle anderen Verbraucher könnten abgeschaltet werden.
Gesetzlich verboten ist das nicht. Es spiegele aber eben nicht das reale Fahrverhalten wider, warnt Mock. Auf der Straße hätten die Fahrzeuge dann teilweise ganz andere Verbrauchswerte. Die ICCT-Forscher vermuten, dass das verstärkte öffentliche Interesse an den realen Emissionen von Fahrzeugen in der Folge des Diesel-Skandals zu dem Rückgang der Abweichung geführt hat. Der Druck auf die Hersteller wird in den nächsten Jahren weiter steigen.
Die Forscher haben Zweifel, ob die Tricksereien wirklich aufhören
Ende Dezember 2018 einigten sich die Europäische Kommission, das EU-Parlament sowie die EU-Mitgliedsstaaten auf verschärfte CO₂-Ziele für Neufahrzeuge. Demnach müssen die CO₂- Emissionen neuer Pkws zwischen 2021 und 2030 um 37,5 Prozent sinken. "Der Gesetzgeber hat aus früheren Fehlern gelernt", sagt Mock. Denn die Hersteller werden ab 2021 nun auch dazu verpflichtet, den realen Kraftstoffverbrauch und die realen CO₂-Emissionen ihrer Autos durch Verbrauchsmessgeräte zu protokollieren.
Der Automobilverband VDA wies die Kritik zurück. Emissionswerte von Fahrzeugen im Labor und auf der Straße seien grundsätzlich unterschiedlich. Bedingungen des realen Straßenverkehrs, wie etwa Wetter, Verkehrslage oder Topografie, könnten schlicht nicht getestet werden. Zudem habe die individuelle Fahrweise erheblichen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch. Inzwischen geltende strengere Testverfahren würden Diskrepanzen verringern. Der Verbraucher bekomme mehr Verlässlichkeit.
Der ICCT hat aber Zweifel, ob die Tricksereien wirklich aufhören. Die Umweltschützer hätten weiterhin ein "wachsames Auge" auf die Abgasmessungen der Industrie, kündigte Mock an und forderte schärfere Regeln. Die EU-Kommission solle möglichst bald eine Methode entwickeln, um Hersteller, die sich durch unrealistisch niedrige Angaben zum Verbrauch einen Vorteil verschafften, zu bestrafen. Nur so könne es gelingen, die Abweichung weiter deutlich abzusenken.