Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Autoindustrie kritisiert neue Klimaziele

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E-Auto statt Diesel: Wegen des Branchenumbaus stehen laut Branchenverband VDA Zehntausende Jobs auf dem Spiel. Dabei ist völlig unklar klar, ob unter dem Strich wirklich Stellen wegfallen.

Von Markus Balser

Die schärferen Klimapläne der Bundesregierung entfachen in Deutschland heftigen Streit zwischen Politik und Autoindustrie. Der Branchenlobbyverband VDA reagierte am Donnerstag mit scharfer Kritik auf die Pläne, die Klimaziele für 2030 deutlich nach oben zu korrigieren. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Hildegard Müller, warnte vor den Folgen eines nationalen Alleingangs. "Mir ist es, ehrlich gesagt, unverständlich, dass quasi über Nacht die Ziele für den Klimaschutz verändert werden sollen. Und das noch, bevor die EU-Kommission ihre neuen Sektorziele zum Klimaschutz vorstellt" warnte Müller. Eine Gesetzgebung dieser Dimension ohne Beteiligung der Wirtschaft und ohne Folgenabschätzung, letztlich auch für Arbeitsplätze, schädige das Vertrauen.

Die Bundesregierung hatte angekündigt, noch vor der Bundestagswahl im September das Ziel zum Absenken des CO2-Ausstoßes in Deutschland zu verschärfen. So sollen die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands bis 2030 um 65 Prozent statt wie bisher um 55 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Klimaneutralität solle schon 2045 statt 2050 erreicht werden. Zur Klimaneutralität 2050 bekenne sich die Autoindustrie auch weiter, erklärte die VDA-Chefin. Die neuen Pläne aber seien ein unnötiger Alleingang, der die Position der deutschen Industrie im internationalen Vergleich schwäche, sagte Müller.

Erst vergangene Woche hatte das Bundesverfassungsgericht das Klimagesetz von 2019 in einigen Punkten als unzureichend gerügt und bis Ende 2022 eine Reform verlangt. Die Richter kritisierten etwa, dass für die Zeit nach 2030 keine konkreten Vorgaben mehr auf dem Weg zur eingeplanten Klimaneutralität 2050 gemacht würden. Während Umweltverbände den Vorstoß der Bundesregierung loben, kritisiert ihn die Industrie als voreilig. Die Politik riskiere, nach den geplanten neuen Vorgaben der EU-Kommission in wenigen Monaten alles noch einmal überarbeiten zu müssen, warnte Müller.

Ihr Branchenverband warnte zusammen mit dem Ifo-Institut am Donnerstag vor den Folgen des Strukturwandels und einem drohenden Jobverlust. Der Wandel hin zu mehr Elektrofahrzeugen könnte laut einer Ifo-Studie rund 100 000 Arbeitsplätze kosten. Bis zum Jahr 2025 wären dem Papier zufolge fast 180 000 Jobs von dem Umbau betroffen. Da von den Beschäftigten etwa 75 000 in der Produktion in den Ruhestand gingen, sei der tatsächliche Effekt geringer. Die Studie ließ allerdings unberücksichtigt, dass beim Aufbau der Elektromobilität gleichzeitig neue Jobs entstehen. Die zusätzlichen Jobs seien in der Studie nicht berücksichtigt, räumte Ifo-Chef Clemens Fuest ein. Unter dem Strich ist damit unklar, ob der Wandel wirklich zu weniger Jobs in der Autoindustrie führt.

Auch das Ifo-Institut äußerte sich kritisch zu den neuen Regierungsplänen. Fuest warnte vor einem "Überbietungswettbewerb bei Klimazielen, die eigentlich europäisch abgestimmt sein sollten". Deutschland verschlechtere die eigene Position in globalen Klimaverhandlungen, wenn das Land voranschreite und unilateral Ziele verändere. "Ich kann mir das nur mit Wahlkampf erklären", sagte der Ifo-Chef.

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