Autoindustrie in der Krise:Die Dinosaurier schrumpfen

Kahlschlag an der Wolga: Der russische Lada-Produzent Avtovaz streicht Jobs in Größe einer Kleinstadt - denn in der ehemaligen Autohochburg ist die Nachfrage drastisch eingebrochen.

S. Zekri

Wie gigantisch die Dinosaurier der russischen Autoindustrie sind, zeigt sich auch, wenn sie schrumpfen. Der Konzern Avtovaz in Togliatti an der Wolga will 27.600 Jobs streichen. Das ist die Größe einer Kleinstadt und jeder Vierte der Belegschaft. Bei Avtovaz, der Lada-Schmiede, Russlands größtem Auto-Konzern, arbeiten derzeit 102.000 Mitarbeiter. "Ein solches Kollektiv kann nicht effektiv und profitabel arbeiten", hieß es in einer Erklärung des Konzerns.

Avtovaz, dpa

Russland zählte bis zum Ausbruch der Krise im Vorjahr zu den lukrativsten Automärkten in Europa.

(Foto: Foto: dpa)

Ursprünglich war sogar von 36.000 gestrichenen Stellen die Rede gewesen, aber diese Zahl habe die Unternehmensführung "deutlich gesenkt", so Avtovaz. In den 27.600 gestrichenen Stellen seien immerhin jene 5000 Büro- und Verwaltungsjobs enthalten, deren Kündigung bereits in der vergangenen Woche bekannt geworden war. Die Hälfte der Jobs entfalle, weil Mitarbeiter in Rente gehen und die Stellen nicht nachbesetzt werden, 5000 Mitarbeiter sollen in den Vorruhestand gehen, der bei einem Rentenalter von 55 Jahren bei Frauen und 60 bei Männern schon sehr früh einsetzt.

9100 Mitarbeiter können sich Hoffnung auf eine Wiedereinstellung im Jahr 2012 machen, wenn es dem Konzern wieder besser gehe und eine geplante Produktionslinie mit Renault anläuft. Der französische Konzern hält bereits heute ein Viertel der Anteile von Avtovaz. In der Zwischenzeit sollen diese Lada-Monteure nach einem Plan des Ministeriums für Industrie und Handel in einer eigens geplanten Sonderwirtschaftszone Fahrräder und Spielzeug zusammenschrauben.

Persönlicher Schlag für Putin

Es ist nicht nur ein herber Schlag für die stolze Autostadt Togliatti, wo zwei Drittel der 70.0000 Einwohner auf die eine oder andere Weise mit den Lada-Werken verbunden sind, sondern auch für Wladimir Putin persönlich. Bei einem Besuch im März hatte sich Russlands Premier, wie so oft auf seinen Krisentouren, persönlich für den Bestand der Jobs verbürgt. "Werden wir arbeiten?", hatten die Mitarbeiter damals bang gefragt. - "Sie werden arbeiten, 100 Prozent." - "Danke. Vielen Dank."

Einen Kredit von 20 Milliarden Rubel, umgerechnet 450 Millionen Euro, hatte Putin Avtovaz geschenkt. Aber damit konnte nicht mal die Hälfte der 1,3 Milliarden Euro Schulden bedient werden - von der dringenden Modernisierung ganz zu schweigen.

Die Bänder stehen still

Solange die Krise herrsche, wolle man 50.0000 Autos pro Jahr herstellen, dazu brauche man nur eine Schicht und 65 Prozent der Belegschaft, so der Konzern. Die unabhängige Gewerkschaft "Einheit" in Togliatti hat Proteste angekündigt. Russlands einst blühender Automarkt ist nach Berechnungen europäischer Wirtschaftsverbände von Januar bis Juli fast auf die Hälfte geschrumpft.

Eine russische Abwrackprämie, die im nächsten Jahr eingeführt wird, hilft Togliatti heute wenig. Monatelang standen die Bänder still. Im August wurden in Togliatti überhaupt keine Autos gebaut, im September laufen die Bänder nur zwei Wochen im Monat, entsprechend geschrumpft ist das Gehalt der Mitarbeiter.

Dunkle Zeiten bei Avtovaz

German Gref, Chef der russischen Sberbank und damit künftiger Mitbesitzer des Opel-Konsortiums, hatte für Avtovaz schon länger schwarz gesehen. Der Konzern solle am besten ganz in die Hände von Renault übergehen oder mit Opel und Magna fusionieren, sagte er. Weil dies auf das Zusammengehen mit der Sberbank und vor allem mit Gaz, dem Industriepartner von Opel in Nischnij Nowgorod, hinauslaufen würde, hatten Beobachter bereits die Umrisse einer großen Verschmelzung der russischen Autoindustrie mit westlichem Knowhow heraufziehen sehen.

Dazu passten die Wiederbelebung alter Pläne von einer staatlichen Auto-Holding namens Rosavto, in der alle Staatsanteile an den Autoproduzenten Avtovaz (25 Prozent), Kamaz (knapp 38 Prozent) und Avtodisel (31,8 Prozent) gebündelt werden sollen. Gaz gehört nicht dazu, weil es dem Basic-Element-Besitzer Oleg Deripaska gehört. Gaz hatte die Entlassung von 5800 Mitarbeitern angekündigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: