Autoindustrie:Elektromobilität zwingt deutsche Autozulieferer zum Umdenken

Elektrofahrzeuge setzen Bosch und Continental unter Druck

E-Autos und ihre Ladestationen werden wohl die Zukunft der Mobilität prägen.

(Foto: dpa)
  • Das Ende des Verbrennungsmotors ist absehbar: Die Unternehmen Bosch und Conti lösen sich von ihrem Traditionsgeschäft, um konkurrenzfähig zu bleiben.
  • Sie brauchen Geld, um in neue Technik zu investieren.
  • Die gesamte Energiewirtschaft steht vor ähnlichen Herausforderungen und geht risikoreiche Wege.

Von Caspar Busse, Max Hägler und Stefan Mayr

Kaum zu glauben, die Sache mit der neuen Mobilität: Die Autos werden bald elektrisch und von Computerhand gesteuert fahren, heißt es. Tatsächlich rollt auf den Straßen fast ausschließlich Altgewohntes herum. Doch währenddessen baut sich die Autoindustrie immer stärker um. Die unausgesprochene Botschaft dabei lautet: Das Ende des Verbrennungsmotors ist absehbar. Die Zukunft liegt in ganz anderen Geschäftsmodellen.

In dieser Woche haben die beiden größten Zulieferkonzerne der Welt Weichen gestellt - von Tradition hin zur Zukunft. Continental prüft seine Aufspaltung. Und bei Bosch ist seit Mittwoch die Loslösung der sogenannten Startersparte perfekt, die über Jahrzehnte eine prägende Technik war. Anno 1914 hatte Firmengründer Robert Bosch seinen ersten elektrischen Auto-Anlasser präsentiert. Er machte damit das anstrengende und gefährliche Ankurbeln per Hand damals überflüssig.

Der Weltmarktführer aus Stuttgart hatte den Konzernteil mit 8000 Mitarbeitern bereits im vergangenen Jahr an einen chinesischen Konzern namens Zhengzhou Coal Mining Machinery Group verkauft. Nun ist das Geschäft abgeschlossen, die alte Einheit tritt unter neuem Namen - SEG Automotive Germany GmbH - selbständig auf.

Die Schwaben verkauften, weil sie entgegen ihrem üblichen Anspruch mit diesen Produkten nicht unter den Top drei in der Welt rangieren - und die Teile auch eher simpel sind, also wenig eigenes Bosch-Know-how darin steckt. Aber es ging auch um die Frage der Zukunft der Mobilität: Man hätte die Starter und Generatoren wahrscheinlich auf einen Top-Platz in der Welt hieven können, doch dazu wären hohe Investitionen nötig gewesen, gerade um die Märkte in Asien und Amerika zu erschließen. Das Management auf der Schillerhöhe in Stuttgart entschied sich anders, verkaufte für 545 Millionen Euro.

Viele Dax-Konzerne bauen aktuell grundlegend um

Das Geld brauchen sie, um in Entwicklungen und Projekte abseits der Verbrennertechnik zu investieren, heißt es in Stuttgart bei den beiden maßgeblichen Geschäftsführern Volkmar Denner und Rolf Bulander. Roboterautos, alternative Antriebe, Energiespeicher - alles Technologien mit unabsehbarem Wachstumspotenzial, die große Anschubfinanzierungen benötigen. Jüngst investierte der Konzern, der im Besitz einer Stiftung ist, in den Digital-Karten-Anbieter Here und sogar in die Kryptowährungsfirma Iota.

Dieselbe Motivation steckt auch hinter den Strukturüberlegungen beim schärfsten Bosch-Kontrahenten, bei Continental aus Hannover. Man spiele Szenarien durch, "unsere Organisation noch flexibler" zu machen, um sie auf die Herausforderungen in der Automobilindustrie auszurichten, erklärten die Manager am Dienstagabend. Es geht um eine eigenständigere Organisation der einzelnen Sparten, das sorgt für Beweglichkeit. Gleichzeitig sind damit künftig Teil-Börsengänge oder die Beteiligung von Partnern möglich, was für frisches Geld oder Know-how sorgen könnte. Conti-Chef Elmar Degenhart hat in den vergangenen Jahren Umsatz und Gewinn stetig gesteigert - aber wird das so weitergehen? Oder liegt die Lösung darin, eine Holding mit autonomen Einheiten zu bilden, um neue, digitale Geschäftsmodelle schneller und mächtiger mitgestalten zu können. Viele Dax-Konzerne machen das vor und bauen sich derzeit grundlegend um. Siemens zum Beispiel, oder der Stuttgarter Autokonzern Daimler, ebenso die großen Autozulieferer Delphi aus den USA und Autoliv aus Schweden.

Wer sich aufspaltet, ist in Krisen anfälliger

Die Herausforderung ist dabei überall ähnlich der in der Energiewirtschaft: Stromkonzerne wie RWE haben zuletzt ihre alten Geschäftsmodelle, sprich Kraftwerke, abgetrennt, weil die Nutzung von Atom und Kohle in Deutschland ein Ende haben wird. Wer will, kann nun in Kraftwerke investieren, die nur von Wind und Sonne betrieben werden. Eine Abtrennung, die sinnvoll ist aus Sicht der Kapitalmärkte, egal ob es um die Energiebranche oder die Autoindustrie geht. Automobil-Forscher Ferdinand Dudenhöffer bringt es auf den Punkt : "Wer will schon jemandem Geld geben, der ein Abwicklungsgeschäft mitlaufen hat." Das Problem hier wie dort: Mit dem alten Zeug lässt sich noch sehr viel Geld verdienen. Das gilt für Strom aus abgezahlten Kraftwerken genauso wie für bestens erprobte Benzin- und Dieselfahrzeuge. Continental etwa sieht den Höhepunkt bei Verbrennermotorentechnik erst im Jahr 2027 erreicht. Noch lange hin - aber danach wird es eben abwärtsgehen. Langfristig also keine attraktive Geschichte für Aktionäre.

Andererseits: Wer spaltet, wird kleiner, angreifbarer, kann Krisen schlechter ausgleichen. Bei Continental läuft das große Geschäft mit den Reifen aufgrund des Bedarfs bei älteren Fahrzeugen in einem ganz anderen Zyklus als die Elektronik für neue Autos.

Ob es zum Umbau und zur Teilung kommt, entscheidet bei Continental am Ende Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle, ein Vertrauter von Großaktionärin Maria-Elisabeth Schaeffler. Was historisch betrachtet kurios ist: Die Familienfirma aus Herzogenaurach wollte vor zehn Jahren handstreichartig Conti übernehmen, dann kam die Finanzkrise, Schaeffler geriet in existenzielle Finanzprobleme, musste den Plan aufgeben. Jetzt halten die Schaefflers 46 Prozent an Conti und denken über das Gegenteil von Eingliederung nach.

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