Autoindustrie:Der große Pakt

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Autofirmen und IT-Konzerne arbeiten immer enger zusammen, um den großen IT-Konzern Google zu schlagen. Denn so viel ist klar: Jeder für sich allein würde es nicht schaffen, die Autos der Zukunft zu bauen.

Von Joachim Becker, Max Hägler und Claus Hulverscheidt, Detroit

Vor 20 Jahren war es das größte, eine schnell rechnende Grafikkarte von Nvidia in seinen Computer zu schrauben. Dann fuhren die virtuellen Rennwagen ohne Ruckeln, dann flogen die Kugeln im Ballerspiel annähernd realistisch. In den vergangenen Monaten ist diese Firma mit dem beinahe unaussprechlichen Nerd-Namen Nvidia zu einem der größten Mitspieler in der echten Welt geworden, bei Roboterwagen. Ihre hochgezüchteten Prozessoren sind gefragt bei so ziemlich allen Entwicklern der Computerautos - von Mercedes bis Google: Wer heutzutage das führerlose Auto plant, kommt kaum um die einstigen Helden der Computerkids herum. Und so sitzt bei der Hauptkonferenz der Auto Show in Detroit Danny Shapiro auf der Bühne, Nvidia-Abteilungsleiter für Autothemen, und sagt unwidersprochen: Wir alle hier denken darüber nach, wie wir komplett autonom fahren können.

Mit den neuen Roboterautos lassen sich künftig äußerst profitable Geschäfte machen

Auf dieser Show geht es nicht mehr nur um Autos. Es geht um Mobilität und vor allem geht es um Daten. Denn die Roboterwagen könnten eine schöne Möglichkeit für Geschäfte aller Art werden - angefangen bei dem automatischen Ansteuern des Restaurants, das die höchste Provision zahlt und die Gäste dann namentlich empfängt.

Drei von vier der weltweit über 1 000 Automanager, die die Beratungsfirma KPMG jüngst zum Zustand der Branche befragte, glauben: Ein mit seiner Umwelt vernetztes Auto, das Daten einspeist und holt, wird in seinem Autoleben zehnmal mehr Umsatz generieren, als ein heutiges, herkömmliches Auto, das ja nur verkauft und hernach gewartet werden muss. Zehnmal mehr. Natürlich wollen alle dabei sein. Aber die Sache ist halt so verflixt kompliziert, dass es keiner alleine schafft. Den einen großen Player gibt es nicht und wird es absehbar nicht geben. Deswegen tut sich Bemerkenswertes: Die einst übermächtigen Autohersteller gehen immer mehr Allianzen ein. Untereinander, aber auch mit IT-Konzernen, die oft weit jünger sind - wie etwa der in den 1990er Jahren gegründete Grafikkartenhersteller Nvidia. Dessen Vorstandschef Jen-Hsun Huang erzählt davon, dass er von einer "neuen Ära der Menschheit" träume und stellt der natürlichen Intelligenz ein schlechtes Zeugnis aus: Autos und andere Maschinen sollten seiner Meinung nach nicht von Menschen bedient werden, zumindest nicht ohne Zuhilfenahme von smarten Assistenzsystemen: "Wir gehen fraglos durch die aufregendsten Zeiten in der Computer-Industrie, die wir jemals erlebt haben", sagt der Self-Made-Milliardär: "Was wir für Science Fiction gehalten haben, wird Realität, während ich gerade rede." Das klingt nach New-Age-Guru.

Seine Leute sagen: Wir bauen keine Autos, wir bauen keine Sensoren, also die Augen und Ohren der Technik. Aber wir lieben Daten. Und das begeistert andere offensichtlich. Google arbeitet mit Nvidia zusammen, Audi, Mercedes. Und auch Bosch. Bislang war der größte Autozulieferer der Welt so etwas wie der mächtigste Geschäftspartner der Autohersteller - doch in seiner über 100-jährigen Geschichte bekam er nie die Aufmerksamkeit, wie sie die High-Tech-Firmen heute plötzlich bekommen. Das Verhältnis zu diesen Computerkonzernen sei etwas anders, erklärt Ian Robertson, Vorstandsmitglied bei BMW: Nun gehe es um größere Module, virtuell wie physisch. Also Systeme, die nicht nur den Airbag bedienen oder den Katalysator steuern, sondern das Auto zu etwas ganz Neuem machen, Systeme, die seinen potenziellen Wert massiv steigern. Da ist die Aufmerksamkeit höher. Deshalb redet man beinahe auf Augenhöhe.

"Wir können ein iPhone bauen, aber die können keine guten Autos in Serie bauen"

BMW etwa ist eine Kooperation mit Intel und dem israelischen Sensorspezialisten Mobileye eingegangen. Eine Verbindung aus Supercomputern, Programmierung und dem guten alten Auto, die in der Branche für großes Gerede sorgt. Denn es ist das derzeit womöglich stärkste Gegenmodell zu den Roboterauto-Entwicklungen von Google. Vor diesem Konzern fürchten sich die Automanager weiterhin am meisten, denn Google sammelt das, was das Gold von morgen ist: Daten. Beinahe alle sind froh, wenn Google Gegenwind bekommt. Toyota, Ford und Mazda haben ein eigenes Betriebssystem programmiert, das umsonst allen zugänglich ist - damit nicht das Silicon Valley die Standards setzt. Auch eine andere große Kooperation passt dazu, die deutsche Konzerne anstrengten: Audi, BMW und Mercedes, die sonst so erbitterten Konkurrenten, taten sich vor gut einem Jahr zusammen und kauften Here, einen Produzenten extrem exakter, digitaler Karten, die es mit Google Maps aufnehmen können. Kostenpunkt: 2,6 Milliarden Euro. Gerade hat sich auch noch Intel in diese Firma eingekauft, übernimmt 15 Prozent. Die Runde der Autohersteller sitzt auch wieder zusammen bei einem anderen Mobilitätsgroßprojekt, das weit weniger komplex ist, aber gewaltig vom Aufwand: den Aufbau eines europäischen Schnellladessystems für E-Autos.

"Bislang dachte man, Google setzt die Standards", sagt Gabriel Seiberth, Autospezialist bei der Beratungsfirma Accenture, "das ist nicht so." Die etablierten Autohersteller hätten zuletzt "einige sehr geschickte Schachzüge" gezeigt und sich so etwas aus der Abhängigkeit von Apple und Google gelöst. Und sie spüren das. In Detroit sagt der Vertreter einer deutschen Autofirma über die Silicon-Valley-Companies: "Wir können ein iPhone bauen, wenn wir uns anstrengen, aber die können keine guten Autos in Serie bauen." Was indes auch noch zu beweisen wäre.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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