Autoindustrie:Den Autobauern droht das Schicksal der Stromkonzerne

Uniper

Die Atomkraft sollte den "Übergang" zum grünen Strom bewerkstelligen. Doch dann ging alles ganz schnell.

(Foto: picture alliance / dpa)

BMW, Volkswagen und Daimler taumeln dem Abgrund so entgegen wie einst RWE und Eon. Schuld ist damals wie heute die Arroganz der Macht.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Wenn eine Technologie so richtig den Bach runtergeht, wenn Konzerne um Geschäftsmodelle und Gewinne kämpfen - dann schlägt die Stunde der "Übergangstechnologie". Das Alte soll den "Übergang" ins Neue bahnen. So stellt sich das auch die deutsche Autoindustrie vor: Auf dem Weg in die verheißungsvolle Welt alternativer Antriebe seien Kolben und Zylinder, Benzin und Diesel noch eine Weile nötig. Moment mal, hatten wir das nicht eben erst?

Genau: bei den Stromkonzernen. Die sprachen auch jahrelang von einer "Brückentechnologie": der Atomkraft. Angeblich sollte die noch bis in die Vierzigerjahre dieses Jahrhunderts helfen, den "Übergang" in die ferne Welt des grünen Stroms zu bewerkstelligen. Doch die war plötzlich ganz nah - und einst mächtige Konzerne landeten in der Existenzkrise.

Mit diesem Schicksal sollten sich deutsche Automanager eingehender beschäftigen, denn die Parallelen sind frappierend. In beiden Fällen geht es um Industrien, die auf ihre Art systemrelevant sind. In der einen, weil ohne sichere Versorgung mit Strom nichts mehr läuft im Land, bei der anderen ihrer schieren Größe wegen: Ohne die Autoindustrie geht es Deutschland schlecht. Deshalb finden - oder fanden - beide in der Politik stets ein offenes Ohr. Die Energiewirtschaft konnte zeitweise ganze Gesetzespassagen in die Ministerien reichen; die Autoindustrie musste vor allzu strengen Auflagen nie zittern. Traumhafte Bedingungen für Konzerne - und deren Aktionäre.

Bei den Stromkonzernen beendete dieses Paradies nicht die Politik, sondern der Verbraucher. Ein paar Mal zu viel hatten die Unternehmen die Strompreise erhöht, ein bisschen zu selbstgewiss auf gute Beziehungen gesetzt. Als das Vertrauen der Kunden futsch war, setzte sich auch die Politik von den Unternehmen ab. Der schwarz-gelbe Atomausstieg ist nur der sichtbarste Beleg für eine Zerrüttung, die sich über Jahre angebahnt hatte. Nicht mehr lange, dann wird auch die deutsche Autoindustrie den Liebesentzug zu spüren bekommen. Die jüngste Krise hat für sie Züge von Fukushima.

Es war die Arroganz der Macht, die Deutschlands Stromkonzerne in den Abgrund blicken ließ. Während sie noch auf irgendwelche Brücken setzten, wuchs die Konkurrenz heran. 35 Prozent Ökostrom? Noch vor zehn Jahren galt das den damaligen Strom-Giganten als sicherer Blackout. Heute versuchen sie mühsam, in dem neuen Markt Fuß zu fassen. Wenn die Autokonzerne nicht aufpassen, wird die Elektromobilität für sie das, was Sonne und Wind für RWE und Eon wurde: ein Waterloo. Von wegen "Übergang".

Die Autokonzerne überschätzen ihre eigene Rolle massiv

BMW, Volkswagen und Daimler reden zwar jetzt schon gern über die E-Autos. Aber gleich hinter dem ersten Komma beschwören sie deren Grenzen: geringe Reichweite, fehlende Ladesäulen, mangelnde Netze. Sie glauben, den künftigen Markt noch selber gestalten zu können - und überschätzen damit massiv ihre Rolle. Denn wenn sich die Politik abwendet, entscheiden andere über den Markt: die Kunden. Sie lernen gerade, dass selbst Rasenmäher und Staubsauger mit Batterien laufen. Warum dann nicht auch Autos? Vielleicht mit eigenem Solarstrom?

Am Anfang steht der Verlust von Vertrauen, das sollten all die Porsches, Daimlers und Audis nicht vergessen. Der Rest kommt viel schneller, als sie ahnen.

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