Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Autoindustrie und Corona-Krise - war da was?

Lesezeit: 3 Min.

Daimler legt gute Zahlen vor, trotz der Corona-Seuche. Die Jahresbilanz des Autobauers offenbart drei Gründe, warum die gesamte Branche überraschend stark durch die Krise kommt.

Von Max Hägler, München

Der Vorstandschef von Daimler tut gar nicht lange rum. "Einige der großen Player sind gut durch die Krise gekommen", sagt Ola Källenius, als er am Telefon die Zahlen des vergangenen Jahres kommentiert. "Wir auch." Das stimmt wohl: 2020 verbuchte Daimler einen operativen Gewinn von 6,6 Milliarden Euro, ein Plus von 50 Prozent, bei einem Umsatz von 154 Milliarden Euro. Die Dividende soll auf 1,35 Euro je Aktie steigen, nach 90 Cent im Jahr zuvor.

Corona - war da was? Die Frage stellt sich immer mehr bei der Autoindustrie, denn tatsächlich legen die großen deutschen "Player" der Branche in diesen Wochen unerwartet gute Ergebnisse vor. Der Volkswagen-Konzern rechnet mit zehn Milliarden Euro operativem Gewinn; BMW erklärte jüngst, dass das zweite Halbjahr extrem gut gelaufen sei, das letzte Quartal ganz besonders. Audi-Chef Markus Duesmann erklärte zum Jahreswechsel: Zehn Prozent weniger Umsatz, das sei nicht schön. "Aber tragbar, verglichen mit anderen Branchen."

Und so geschieht derzeit Erstaunliches. Deutschlands bedeutsamste Industrie stellt für einen Moment das übliche Wehklagen ein. Dieses dauernde Rufen nach weniger Gängelung, nach Öffnung der Autohäuser, nach besseren Lieferketten und nach mehr Förderung, das noch im vergangenen Sommer zu hören war. Die Konzerne werden sich in dieser Notlage, der zweiten Lockdown-Welle, offenbar ihrer gesellschaftlichen Rolle bewusst: Wer stark ist, muss jetzt gute Laune verbreiten, muss die mitziehen, denen es nicht so gut geht.

Handelskriege, Transformation, Covid: Ein Spaziergang war das nicht

Duesmann verwies auf die Gastronomie und die Kultur, die es viel schwerer habe als die eigene Industrie, und verbat sich heftig jede weitere Staatsunterstützung für die Autoindustrie. Und nun erklärt Daimler-Chef Källenius, dass der Staat gut funktioniere: So habe man im vergangenen Jahr 700 Millionen Euro gespart durch die Kurzarbeit, für deren Leistung Daimler aber auch viele Jahre viel Geld in die Sozialversicherung eingezahlt habe. "Darüber hinaus" brauche es keine Subventionen. Stattdessen, so sagt Källenius: "Es ist sicherlich richtig, dass die Politik auf die Schwächeren gucken müsste."

Woher diese Großzügigkeit? Oder anders: Wieso sind die Autobauer trotz Krise vergleichsweise stark, im Jahresvergleich, aber auch im Vergleich mit der restlichen deutschen Wirtschaft? Denn ein Spaziergang war das nicht, angesichts von Handelskriegen, Transformation und eben der Seuche. "Das Jahr 2020 war für unser Unternehmen das herausforderndste in meiner Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender", so formuliert es Manfred Bischoff.

Es gibt vor allem drei Aspekte.

Allen voran China. Der wichtigste Absatzmarkt der deutschen Premiumhersteller hat sich im vergangenen Jahr sehr schnell sehr deutlich erholt. 25 Millionen Autos verkauften sich dort in 2020, knapp ein Drittel des Weltmarktes. Bei Daimler waren es 770 000 Autos von 2,4 Millionen insgesamt. "Bemerkenswert", nennt Källenius das. Er erwartet, dass es die kommenden zehn Jahre so weitergeht mit dem Wachstum dort, mit besseren Margen als hierzulande.

Flankiert wird das starke Geschäft in China und das wieder erstarkende Geschäft im Rest der Welt in beinahe allen deutschen Autofirmen durch strenge Buchhalter. Weniger Rabatte beim Verkauf und heftige Sparprogramme in den Fabriken, auch mitgetragen durch weitgehende Zugeständnisse der Belegschaft und Abfindungsprogramme, zeigen ihren Effekt: Bei Daimler etwa ist der Umsatz, die Mitarbeiterzahl und der Fahrzeugabsatz zurückgegangen, aber eben der Gewinn gestiegen.

Investitionen in Verbrenner werden stark gekürzt, aber übertreiben will's Daimler nicht

Und schließlich ist da weiterhin das gute Geschäft mit Benzin und Diesel. Die Branche außerhalb Deutschlands überbietet sich in Ausstiegsszenarien aus der Verbrennertechnik, getrieben von Tesla, chinesischen E-Auto-Newcomern und zunehmend strengen CO₂-Richtlinien. So will General Motors von 2035 an ausschließlich E-Autos bauen, Jaguar will sogar schon von 2025 an komplett elektrisch werden. Bei Daimler ist man da deutlich zurückhaltender und sehr offen: Man habe brandneue Verbrenner in den Autos. "Das ist eine Cash-Machine", sagt Källenius. Zwar gelte ab jetzt "electric first" in der Fahrzeugentwicklung, und deshalb würden die Investitionen in die Verbrennertechnik um 70 Prozent heruntergefahren in den kommenden Jahren. Aber das Geschäft mit Benzin- und Dieselmotoren radikal abzuschneiden, das "macht wirtschaftlich keinen Sinn", sagt der Daimler-Chef. Zumal die Ladeinfrastruktur in der Welt durchaus unterschiedlich stark ausgebaut sei und es immer noch keinen merklichen Preis für Klima-Emissionen gebe: "Wir brauchen einen Preis für CO₂", fordert Källenius. Dann würde die Marktwirtschaft aus sich heraus den Umstieg bei den Antriebsarten beschleunigen.

"Schritt für Schritt steigen wir um", sagt der Vorstandschef. Ein großer Sprung des Unternehmens ist hingegen kaum Thema bei diesen Jahreszahlen: Bis zum Jahresende spaltet sich der Konzern auf, in eine Autosparte, von Källenius geführt und eine Lastwagen-Sparte, von Martin Daum geführt. Die Hoffnung dahinter: Noch fokussierter arbeiten, auch um noch besser durch künftige Krisen zu kommen.

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