Autoindustrie:Daimler bestätigt Kronzeugen-Status

Der Autohersteller beantragt die Kronzeugen-Regel und muss einen Gewinneinbruch verkraften.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Drei Monate lang hatte Daimler das Thema Pkw-Kartell beharrlich totgeschwiegen. Bis Freitag um kurz nach acht Uhr, als Finanzvorstand Bodo Uebber in einer Telefonkonferenz mit der Presse den Maulkorb löste. "Wir haben bei der EU-Kommission den Antrag auf eine Kronzeugen-Regelung gestellt", sagte Uebber. Damit hat das Management des Autokonzerns erstmals offiziell bestätigt, dass man bei der EU-Kommission eine Art Selbstanzeige wegen eventueller Wettbewerbsverstöße gestellt hat.

Uebbers Eingeständnis kam ungefragt, noch bevor er in der Telefonkonferenz zum dritten Quartal des Geschäftsjahres eine einzige Zahl nannte. Überhaupt waren die 45 Minuten überschattet von diversen Skandalen oder Trickserein. So schlugen auch die Nachwirkungen der Dieselaffäre auf den Gewinn des Premium-Herstellers durch: Die Kosten für die Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen ließen neben anderen Sonderfaktoren das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) im dritten Quartal auf 3,5 Milliarden Euro sinken. Das sind 500 Millionen Euro oder 14 Prozent weniger als im Vorjahr. Daimler hatte im Sommer angesichts der Diskussion über Diesel-Fahrverbote und überhöhte Stickoxid-Werte beschlossen, bei drei Millionen Mercedes-Pkw in Europa die Software nachzubessern. Die dafür erwarteten Ausgaben von 223 Millionen Euro wurden im dritten Quartal verbucht. Zusätzlich belastete eine weitere Rückrufaktion das Ergebnis: Wegen fehlerhafter Lenksäulen mussten eine Million Fahrzeuge in die Werkstätten gerufen werden, um ein plötzliches Auslösen des Airbags zu verhindern. Kosten: 230 Millionen Euro.

All dies zusammen trägt dazu bei, dass die Pkw-Sparte beim Absatz zwar einerseits das beste Quartal der Firmengeschichte und den 55. Rekordmonat in Folge verbuchen kann - aber dennoch einen Gewinneinbruch hinnehmen muss. Im Gegensatz zu anderen Herstellern muss Uebber keinen Absatz-Einbruch bei Diesel-Fahrzeugen verkraften. Im Gegenteil: Die Verkaufszahlen stiegen sogar - allerdings weniger stark als zuvor.

Weitere Details zum Pkw-Kartell nannte Uebber nicht. "Es geht im Grundsatz um kartellrechtliche Absprachen", sagte er, "mehr kann ich nicht sagen". Im Juli war durchgesickert, dass sich die Autohersteller Volkswagen, BMW und Daimler unzulässigerweise abgesprochen haben könnten - und dass sowohl Daimler als auch Volkswagen deswegen eine Selbstanzeige eingereicht hätten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung war dabei der Stuttgarter Konzern den Wolfsburgern zuvorgekommen - und kann deshalb darauf hoffen, bei einem Verfahren ohne Geldbuße davonzukommen. Nach Angaben von Bodo Uebber prüft die Kommission nach wie vor, ob sie solch ein formelles Verfahren einleiten wird. Das Daimler-Management hat Uebber zufolge prüfen lassen, ob es Rückstellungen bilden soll, aber dafür gebe es "keine Notwendigkeit". Volkswagen wollte die Angaben aus Stuttgart am Freitag nicht kommentieren.

Für das Gesamtjahr 2017 strebt Daimler trotz der jüngsten Gewinndelle weiterhin ein Ergebnisplus von mehr als zehn Prozent an. Bei Absatz und Umsatz erwartet Daimler ein Plus von mehr als fünf Prozent. "Daimler ist erfolgreich unterwegs", sagte Vorstandschef Dieter Zetsche am Freitag. Erst Anfang der Woche hatte der Vorstand verkündet, die Konzernstruktur umbauen zu wollen; aus den bisherigen fünf Sparten sollen drei unabhängige Aktiengesellschaften werden. Diese sollen dadurch "schneller und flexibler" werden - und zu 100 Prozent der Daimler-Holding angehören.

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