Mobilität:Weshalb die Zauneidechse die Autoindustrie bewegt

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Die Zauneidechse wohnt auf dem Gelände der neuen Tesla-Fabrik in Brandenburg. Weil sie nicht nur niedlich, sondern schützenswert ist, könnte sie den Produktionsstart verzögern - zum Wohle der deutschen Autoindustrie. (Foto: Nicolas Armer/picture alliance/dpa)

Tesla-Fabrik, Roboter-Wagen, Automobil-Ausstellung - das kommende Jahr birgt etliche spannende Diskussionen für die deutsche Autobranche. Ein Überblick.

Von Max Hägler

Es ist ein ungewöhnliches Jahr gewesen für die deutsche Autoindustrie: Erstmals sind nicht Fahrzeuge die meist beachteten Produkte deutscher Provenienz gewesen - sondern natürlich die Impfstoffe gegen die Corona-Seuche. Auch die kommenden zwölf Monate werden herausfordernd für die Branche, in der etwa 800 000 Menschen direkt beschäftigt sind. Ein Überblick über die wichtigsten Debatten der Branche.

Die Antriebe

Die Zauneidechse dürfte das entscheidende Lebewesen werden für die Autoindustrie. Das sehr niedliche und sehr schützenswerte Tierchen wohnt auf dem Gelände der gerade entstehenden Tesla-Fabrik in Brandenburg. Von der von Gerichten und Behörden zu entscheidende Frage "Tierwohl oder Tesla?" hängt ab, ob in der Heide bereits wie geplant ab kommenden Herbst Autos produziert werden. Die Spezies ist kampferprobt, hat auch die Vergrabung des Stuttgarter Bahnhofes schon gestoppt. Auf Ähnliches werden die deutschen Manager hoffen, denn der US-Hersteller ist der härteste Konkurrent der Premiumhersteller im boomenden Markt der Elektroautos.

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Dank staatlicher Förderung ist mittlerweile jeder fünfte verkaufte Wagen wenigstens teilelektrifiziert oder fährt ganz mit Batterie. 40 neue Modelle kommen in 2021 auf die Straße, wie die ganz elektrische Mercedes S-Klasse (EQS genannt), der Ford Mustang Mach-E, der Volkswagen ID4 oder der BMW iX. Müssen sie gegen einen deutschen Tesla antreten? Und dann sind da natürlich die Generalfragen der E-Mobilität: Wer baut die vielen tausend Ladestationen für all die Elektrowagen? Wo kommt der Strom dafür her? Sind die gemischten Antriebe - Plug-In-Hybride genannt nur Öko-Camouflage? Und: Wie bekommen die deutschen Hersteller das Ertragsproblem in den Griff? Denn mit E-Autos verdient man weniger als mit Verbrennern.

Die Roboter

Wenn es nach dem US-Hersteller Tesla geht, kommen die eigenen Wagen einem Roboter schon recht nah. Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt: "Der Autopilot von Tesla macht Autosoftware sexy, das ist wie Playstation spielen." Gelingt es den Deutschen nachzuziehen und die Programmier-Talente für dieses Rennen zu gewinnen, zumal Frauen? Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für selbstfahrende Autos bleiben Thema: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das Fahren auf Level 3 freigeben: Hände weg vom Lenkrad wäre möglich im Stau auf der Autobahn bis 60 Km/h. Damit wäre Deutschland weit vorne - aber die notwendige Debatte in der Gesellschaft nimmt dann an Fahrt auf: Wer haftet bei Unfällen?

Die Jobs

Schon heute sind in Fabrikhallen kaum Menschen zu sehen: Immer mehr Roboter verdrängen den Arbeiter, zumal die angesagten Elektroautos weit weniger aufwändig zu bauen sind. Eine schwierige Gemengelage für die Beschäftigung, abseits hochspezialisierter IT-Menschen. Um 30 000 Mitarbeiter ging die Zahl von 2018 auf 2019 nach unten, die Pandemie hat das weiter verschärft in 2020. Und in 2021 wird es auch nicht viel besser, trotz wohl steigender Verkaufszahlen.

"Meine Sorgen betreffen nicht die Herstellerebene, sondern die Zuliefererebene", sagt Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident des Autolandes Niedersachsen und Aufsichtsrat bei Volkswagen. Mitentscheidend für das Wohlergehen der auf Verbrennertechnik spezialisierten Firmen sind dabei die Abgasnormen: Würde die Europäische Union ein CO2-Minus von 50 Prozent beschließen, wie diskutiert, würde aus einem Strukturwandel "ein Strukturbruch". Denn im Schnitt dürften Neuwagen im Jahr 2030 dann nur noch zwei Liter auf hundert Kilometer verbrauchen, die arbeitsintensive Verbrennertechnik würde so wegreguliert. Die Frage ist: Wer setzt sich durch? Und kommt ein Ausstiegsdatum für Verbrenner, so wie zuletzt in Japan? Das Ergebnis der Bundestagswahl wird dabei entscheidend sein.

Der Platz

Mit ähnlicher Härte dürfte auch weiter über die Verteilung des Straßenraumes gestritten werden: 2020 war das Jahr der Pop-Up-Radwege, aber auch des zunehmenden Widerstandes dagegen. Die Lage ist dabei unübersichtlich: In München etwa tritt BMW für eine Beschränkung der Automobilität im Stadtzentrum ein und seit Dezember fordert auch die CSU dort eine Citymaut - der VDA hingegen wünscht weiter möglichst freie Fahrt für die bald 5o Millionen Automobile auf Deutschlands Straßen. Daraus ergeben sich etliche Fragen: Berücksichtigen Einfahrtbeschränkungen einkommensschwächere Verkehrsteilnehmer? Was bedeutet das für alternative Mobilitätsangebote, also etwa das Carsharing? Und muss man Radfahrer nicht viel mehr schützen, so wie es auch die Dekra in ihrer aktuellen Sicherheitsstudie fordert?

Die Selbstdarstellung

Apropos München: Im September wollen die Automanagerinnen und Ingenieure über all das diskutieren und sich präsentieren. Vom 7. bis zum 12. September ist die Internationale Automobilausstellung (IAA) in der bayerischen Landeshauptstadt geplant. "Wir wollen den Wandel vorantreiben und nicht davon getrieben werden", sagt Audi-Vorständin Hildegard Wortmann. Doch ob die IAA dazu Gelegenheit bietet, ist unklar. Das Einhegen des Corona-Virus ist dabei nur ein Faktor. Der Ausrichter VDA möchte Geld verdienen mit Eintrittskarten für eine Show, bei der Autos im Scheinwerferlicht glänzen, auch manche Hersteller und Zulieferer hoffen auf (Fach)besucher, die einkaufen wollen.

Unternehmen wie der Volkswagen-Konzern wollen indes eher als Thinktank wahrgenommen werden, mit Autos, die im öffentlichen Raum bereitstehen und eher nicht in teuer gemieteten Messehallen. Diese Konzeptdebatte hat die Industrie noch nicht beendet. Ungeklärt ist auch die Frage: Was versteht man unter öffentlichem Raum? Darf etwa die Fridays-for-Future-Bewegung demonstrieren oder wird dann die bayerische Polizei einschreiten? Die Abmachung zwischen Industrie, Messe und der Landeshauptstadt ist geheim. Im Januar muss eine Entscheidung fallen: Durchziehen, verschieben oder ganz bleiben lassen?

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