Autoindustrie:Auf der Nebenspur

German auto summit with Bosch, Daimler, Porsche and EnBW CEOs

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann traf sich mit den Chefs von Bosch, Daimler und Porsche zum Autogipfel.

(Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Die Bundesländer ärgern sich über den Bund, weil die Verkehrswende stockt. Auch CDU-Politiker kritisieren, die Regierung setze falsche Prioritäten

Von Markus Balser und Stefan Mayr, Berlin/Karlsruhe

Wie drängend der Umbau der Mobilität in Deutschland ist? Schon auf dem Vorplatz der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin wurde am Donnerstag deutlich, dass sich etwas ändern muss. Die Fahrer der versammelten Konzernchefs und Politiker wussten nach der Fahrt durch den Stau nicht mehr, wohin mit den großen, schwarzen Limousinen. Nur die Stromtankstellen auf dem Gelände waren frei - die meisten Gäste kamen mit Benziner oder Diesel. Dass es beim Umbau der Mobilität hakt, wollte der Organisator des Treffens eigentlich anders dokumentieren. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte nach Berlin zum Baden-Württemberger Autogipfel geladen und nutzte den Auftritt auch zu einer Abrechnung mit der Verkehrspolitik der Bundesregierung. Der Bund sei bei vielen Fragen spät dran. "Die Zeit drängt", sagte Kretschmann. Die Regierung müsse endlich Rahmenbedingungen schaffen, damit auch in Zukunft das Auto in Deutschland vom Band rolle - und die Branche weiterhin für Hunderttausende Jobs stehe. Das Treffen hätte zwar eigentlich auch in Stuttgart stattfinden können. Kretschmann hatte mit Daimler-Chef Ola Källenius, Porsche-Chef Oliver Blume, Bosch-Chef Volkmar Denner und EnBW-Chef Frank Mastiaux ausnahmslos Spitzenmanager aus dem eigenen Bundesland eingeladen. Aber es ging Kretschmann auch um ein Signal an die Bundesregierung: Die Unzufriedenheit an den Standorten der größten deutschen Industrie wächst. Es reiche nicht, wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beim Aufbau der Ladeinfrastruktur Probleme einräume. Die müssten jetzt endlich beseitigt werden.

Kritik an der Koalition aber kommt nicht nur vom grünen Ministerpräsidenten. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) kritisierte, vom Bund sei zur Sicherung von Zukunftstechnologien in der Autobranche wenig zu hören. Stattdessen solle es 40 Milliarden Euro für den Strukturwandel beim Kohleausstieg geben. Die Regierung habe falsche Prioritäten. Die Autoindustrie erlebt mit der Digitalisierung und dem Wandel hin zu klimafreundlicheren Antrieben ihren größten Umbau seit Jahrzehnten. Doch in Deutschland läuft der Umbau schleppend. Das ursprüngliche Regierungsziel, 2020 rund eine Million E-Autos auf deutschen Straßen, wird deutlich verfehlt. Auch die Automanager machten in Berlin klar, dass sie mit der Verkehrspolitik unzufrieden sind. Porsche-Chef Blume forderte die Bundesregierung zu einem rascheren Aufbau der Infrastruktur auf. Die Politik müsse "mutige Weichenstellungen" vornehmen und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Kretschmann hatte gemeinsam mit den Regierungschefs der Autoländer Niedersachsen und Bayern dem Bund bereits vor einem Monat vorgeworfen, zu viele Ziele zu verfehlen. Die Allianz der Autoländer soll nun um die Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Volker Bouffier und Armin Laschet (beide CDU), erweitert werden. Das erhöhe den Druck.

Doch der Termin am Donnerstag machte klar, dass auch die Länder zerstritten sind. Der Standort für eine neue deutsche Batterie-Forschungsfabrik ist zu einem politischen Zankapfel geworden. Die Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen beschwerten sich in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Entscheidung von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU), das Forschungszentrum in Münster und damit in der Nähe ihres Wahlkreises anzusiedeln. Laschet warnte davor, "den hervorragend qualifizierten Standort Münster weiterhin zu diskreditieren".

Bei der Erforschung und Entwicklung einer anderen alternativen Antriebsart im Ländle klappt die Unterstützung aus Berlin indes: Land und Bund wollen zusammen mit Unternehmen eine Forschungsfabrik für Brennstoffzellen und Wasserstoff in Ulm errichten. Das Projekt "HyFab-Baden-Württemberg" kostet knapp 74 Millionen Euro. Die Kosten wollen sich Land, Bund und Industrie teilen.

Unter Brennstoffzellen-Technik versteht man den Antrieb von Elektromotoren durch Wasserstoff. Der Strom kommt also nicht aus einer Batterie, sondern aus der Brennstoffzelle, die Wasserstoff in elektrische Energie umwandelt. Aus dem Auspuff kommt nur Wasserdampf. Auch deshalb gilt die Technik umweltfreundlicher als Batterie-Antriebe. Sie könnte vor allem in Nutzfahrzeugen eingesetzt serden. Allerdings gilt die Brennstoff-Technologie auch als teurer - und sie benötigt den aufwendigen Neuaufbau einer Tankstellen-Infrastruktur. Deshalb wird ihr auf politischer Ebene nur Chancen im Schwerlast-Verkehr eingeräumt, bei Pkw-Antrieben wird die Batterie-Technik bevorzugt.

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