Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Auf dem Prüfstand

Audi-Chef Bram Schot erklärt: Wir sind in der Krise. Tausende Stellen sollen deswegen künftig nicht wieder besetzt werden.

Von Max Hägler, Ingolstadt

Einen Lichtblick für Freunde der eher muskulösen Mobilität gab es dann doch noch bei der Jahresbilanz von Audi: Ein Video spielten sie ein, Protagonist dieser neue Elektro-SUV namens E-Tron. Die Mausefalle auf der Streif in Kitzbühl geht es nach oben, bis zu 85 Prozent Steigung hat diese legendärste Skipiste der Welt. Runter schon schwierig, bergauf noch mehr, das Eis spritzt, die Spikes krallen sich fest - und am Ende ist der Wagen oben an der Kante angekommen. Mission geglückt.

Ob man das auch in einigen Jahren für Audi sagen kann, ist derzeit nicht ganz so klar. Der Autobauer aus Ingolstadt durchlebt eine Krise, die so deutlich ist, dass auch Schönreden nicht mehr hilft und dass bald auch Jobs in Frage stehen: Vom "Stresstest", den man nicht bestanden habe, spricht Finanzchef Alexander Seitz an bei dieser Bilanzvorstellung; von Unzufriedenheit der gerade neu berufene Vorstandschef Bram Schot und von "Fett", das man angesetzt habe. Nur 1,8 Millionen Autos hat man im vergangenen Jahr verkauft, der Umsatz sank auf 59 Milliarden Euro, der Betriebsgewinn brach um ein Viertel ein auf 3,5 Milliarden Euro ein, die Marge liegt damit nur noch bei sechs Prozent. Sehr wenig für die früher ertragreichste Tochter im Volkswagen-Konzern.

Die Gründe sind vielfältig: Da war da der "Riesenschock, als unser CEO verhaftet wurde", sagt Schot: Rupert Stadler, der über Monate in Untersuchungshaft saß, wegen möglicher Verstrickungen in den Dieselskandal, der auch mit 1,2 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Ein Umstand, der Audi in den vergangenen drei Jahren auch lähmte. Ein Ergebnis, das Geld kostete: Im Jahr 2018 konnten etliche Modelle nicht ausgeliefert werden, weil sie keine Abgaszertifizierungen (WLTP genannt) bekamen. "Wir haben uns in der Vergangenheit zu oft um uns selbst gedreht", sagt der gebürtige Niederländer Schot, damit müsse nun Schluss sein. Denn zugleich dränge die Transformation, welche die ganze Branche fordere: die Vernetzung, die von der Politik geforderte Elektrifizierung, die Assistenzsysteme. 14 Milliarden Euro will Audi dafür bis zum Jahr 2023 ausgeben.

Um das leisten zu können, wird nun überall reduziert. Das komplette Modell-Portfolio werde unter die Lupe genommen, selbst der Audi TT, eine Ikone wie sie bei Audi sagen, steht zur Disposition. Stattdessen werden mehr Autos mit Hybrid- oder reinem Batterieantrieb entwickelt; Ende kommenden Jahres sollen es zwölf sein. Und natürlich wird nun auch auf die Kosten geschaut - auf alle wie Finanzchef Seitz betont: "Da ist noch einiges zu holen." Ein bereits laufendes Sparprogramm soll nicht mehr nur zehn Milliarden Euro einspielen, sondern nun 15 Milliarden.

Vor allem Ingoldstadt soll von den Plänen betroffen sein

Auch Stellen stehen in Frage. 61 000 Menschen sind direkt in der Audi AG beschäftigt, 90 000 insgesamt, bei den sogenannten indirekten Jobs soll nun gestrichen werden. Auf der Pressekonferenz ist keine Zahl zu hören, trotz etlicher Nachfragen. Nur: Audi werde "in Zukunft sicher nicht mehr wachsen", eher werde es "Anpassungen entlang der demografischen Entwicklung" geben, hört man von den Vorständen. "Wenn Kollegen in den Ruhestand gehen, stellen wir den Ersatzbedarf auf den Prüfstand", so drückt es Oberfinanzer Seitz aus. Man prüfe auch, mehr Tätigkeiten nach außen zu geben. Und irgendwann wird man über Vorruhestandsprogramme und Abfindungen nachdenken. Vor allem betroffen sein wird davon Ingolstadt, da wo in so ziemlich jeder Familie einer bei Audi arbeitet.

Just als die Mikrofone wieder ausgeschaltet sind, kursiert von Managementseite, aber auch von Betriebsratsseite, plötzlich wieder einmal die Zahl von 5000 Verwaltungsstellen, die nach Wunsch des Managements über fünf Jahre automatisiert und damit abgebaut werden sollen. Es wäre etwa jede siebte in dem Bereich. Immerhin soll das nicht über Kündigungen geschehen. Betriebsratschef Peter Mosch gibt sich entsprechend noch recht gelassen, will keine Größenordnungen bestätigen. Klar sei, es gebe einen Vertrag zur Beschäftigungssicherung bis 2025. Aufbauend darauf werde man sich die detaillierte Strategie ansehen, die der Vorstand um Schot und Seitz bis zum Frühjahr vorlegen will: "Dann gehen wir ins Gespräch."

Wie viel Konfliktpotenzial in der Sache steckt, zeigt sich gerade bei der Schwestermarke Volkswagen. In Wolfsburg will das Management aus denselben Gründen und an ähnlicher Stelle sparen, wurde ebenfalls in dieser Woche erklärt. Dort allerdings stellt Betriebsratschef Bernd Osterloh diverse Vorbedingungen. Und weist auf etwas hin, das alle betrifft: "Wir wollen nicht nur Kolleginnen und Kollegen in die Altersteilzeit verabschieden, wir wollen auch deutlich mehr Zusagen für Zukunftsarbeitsplätze."

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Quelle:
SZ vom 15.03.2019
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