Autogipfel:Keine Erwartungen, keine Enttäuschungen

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Mit dabei im Kanzleramt: Florian Hüttl, Chef des Autoherstellers Opel, der zum franzöischen Stellantis-Konzern gehört. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Bundeskanzler Olaf Scholz veranstaltet seinen ersten Autogipfel, der jetzt Mobilitätsgipfel heißt. Beschlüsse gibt es keine, und doch herrscht Erleichterung.

Von Markus Balser und Max Hägler

Es ist ungewöhnlich, dass ein Branchentreffen auf Kanzlerniveau ohne Ergebnis bleibt, aber die meisten irgendwie zufrieden sind. Doch so ist das an diesem Dienstag beim Mobilitätsgipfel in Berlin. Zwei Stunden sprachen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein halbes Kabinett mit Vertretern der Mobilitätsbranche, wobei das vor allem bedeutet: Mit Vertretern der Autobranche. Ein Beschlusspapier gibt es danach nicht - und doch herrscht Erleichterung bei vielen Teilnehmern: Wenigstens habe man endlich wieder einmal in diesem hochkarätigen Format miteinander gesprochen, endlich habe man sich ausgetauscht über Probleme und Herausforderungen. Denn die sind noch zahlreicher geworden in Deutschlands Leitindustrie im Vergleich zum vergangenen Autogipfel, den die damalige Kanzlerin Merkel noch in Seuchenzeiten ausgerichtet hatte.

Die aktuelle Teilnehmerliste zeigt bereits ein bisschen, wie sich die Welt verändert hat: Einer der 39 Teilnehmer im Kanzleramt ist Andre Thierig, der Leiter des erst vor neun Monaten eröffneten Tesla-Werkes in Grünheide. Dies führt zu einer der Fragen, die die heimische Industrie hat: Wie soll man auf die Wirtschaftspolitik der USA und Chinas reagieren? Diese Staaten unterstützen ihre eigenen Autounternehmen immer unverhohlener, etwa mit Beihilfen, und diese Firmen wachsen auch deshalb zu einer immer stärkeren Konkurrenz heran? Wie bekommt man in Deutschland eigentlich bis zum Jahr 2030 insgesamt 15 Millionen Elektroautos auf die Straße, um das Klima wie geplant zu verbessern? Wie soll das gehen, wo doch der Kampf um Rohstoffe immer härter wird und der Strom knapp und damit teuer bleibt? Wie bleibt Mobilität bezahlbar für alle, wie kann der Verkehr besser fließen und welche digitale Infrastruktur braucht es dafür?

Auf viele Fragen hat die Bundesregierung noch keine Antwort. Vielleicht auch der Krieg in der Ukraine hat verhindert, was viele eigentlich erwartet hatten zum Amtsantritt der Ampelregierung: Es gibt kein übergeordnetes Mobilitätskonzept. Vielleicht ist es aber auch den allzu gegensätzlichen Ideen der Parteien geschuldet: Hier die Grünen mit der Elektromobilität und dem Wunsch nach Tempobegrenzung, vertreten etwa durch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dort die FDP mit freier Fahrt für freie Bürger und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Nun ist es an Bundeskanzler Scholz, die Politik und die Autoindustrie zusammenzubringen. Und weil es das erste Treffen dieser Art ist seit Amtsantritt, hat man in der Regierung die Erwartungen heruntergeschraubt: Gelegenheit zur Aussprache, heißt es da und ein Startpunkt für halbjährliche Strategietreffen. Neben Scholz, Habeck und Wissing waren von Seiten der Politik auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Umweltministerin Steffi Lemke und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) auf der Teilnehmerliste. Aus den Autounternehmen kam die erste Riege, bis auf Tesla. Dazu Gewerkschaftsfunktionäre, allen voran IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der darauf drang, dass man einerseits "alle Ressourcen in die Transformation zum elektrischen Antriebsstrang" bündeln müsse, aber auch nicht zu schnell die Verbrenner abschreiben solle, etwa durch "nicht nachvollziehbare" neue Abgasnormen: noch seien 280.000 Beschäftigte abhängig von Benzin und Diesel-Technik. Auch Vertreter wichtiger Denkfabriken und großer Verbände waren geladen: Etwa Agora Verkehrswende, die eine Steuerreform fordert, damit Verbrenner im Vergleich zu E-Autos unattraktiver werden; oder der ADAC, der mittlerweile tatsächlich feststellt: Es braucht generell weniger Autoverkehr.

Das Treffen folgt der Linie der Ampelkoalition, dass nach der Krisenreaktion im vergangenen Jahr nun der langfristige Umbau der Wirtschaft weg von fossilen Energien und hin zu mehr Klimaschutz in Angriff genommen werden soll. Der Verkehrssektor hat dabei noch den größten Nachholbedarf - und eine ganz entscheidende Rolle. In der Regierungskoalition wächst der Druck auf den Sektor sowie den zuständigen Minister Wissing, mehr für den Klimaschutz zu tun.

Vor allem die Grünen erhöhen den Druck. "Gut, dass die Bundesregierung einen Mobilitätsgipfel macht, denn beim Klimaschutz im Verkehrssektor herrscht an viel zu vielen Stellen Stillstand", sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. "Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Verkehrssektor nun endlich seinen gerechten Beitrag leisten." Dafür seien mutige Schritte und klare Prioritäten nötig, nicht nur von der Industrie, sondern auch von der Politik. Dröge fordert eine Planungsbeschleunigung bei der Brücken-Sanierung und dem Ausbau der Schieneninfrastruktur sowie mehr Tempo beim Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur für E-Autos.

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