Autobahnen:Das Maut-Monopoly

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In Frankreich bauen und betreiben seit 60 Jahren Konzerne die Autobahnen. Ein Teil gehört der Firma Abertis, die Hochtief nun für 17 Milliarden Euro kaufen will.

(Foto: Jean-Sebastien Evrard/AFP)

Unternehmen investieren Milliarden in das lukrative Geschäft. In vielen Ländern zieht sich der Staat zurück, die Zeche zahlen die Autofahrer.

Von Thomas Fromm, Leo Klimm, Benedikt Müller, Charlotte Theile und Thomas Urban

Wenn die Grenze überquert ist, lassen die Kassen nicht lang auf sich warten: Sei es das staatliche Pickerl, das man kauft, um durch Österreich zu fahren. Sei es die "Péage", die man zahlt, um Frankreichs Autobahnen zu nutzen. Was Reisende ärgern mag, ist zum Milliardenmarkt geworden: Konzerne wie Abertis oder Atlantia halten mit Mauteinnahmen Tausende Kilometer Fernstraßen weltweit instand. Baufirmen wie Hochtief errichten ganze Streckenabschnitte, wofür sie im Gegenzug die Nutzungsgebühren erhalten.

Um die spanische Abertis tobt nun ein Bieterkampf: Die italienische Atlantia will sie übernehmen, will den weltweit größten Mautkonzern formen. Doch bietet auch die Essener Hochtief seit Mittwoch 17 Milliarden Euro für Abertis. Die spanische Börsenaufsicht prüft die Offerte nun. Gut möglich, dass Atlantia ihr Angebot erhöht.

Das Konzept der Maut reicht bis ins Mittelalter zurück: Mit Wegzöllen leisteten die Reisenden einen Beitrag zur Finanzierung. Danach war es Auftrag des Staates, Straßen mit Steuergeld zu bauen und instandzuhalten. Doch je aufwendiger der Bau von Autobahnen, Pässen und Meeresbrücken wurde, desto mehr Staaten erhoben Gebühren oder kooperierten mit privaten Investoren. So hat jedes Land sein eigenes Finanzierungsmodell gefunden.

Frankreich

Nervige Mautstationen, an denen man manchmal im Abstand weniger Kilometer halten muss, um Minibeträge von 2,20 Euro zu zahlen. Und dann wieder höhere Summen - ohne dass erkennbar wäre, warum ein Kilometer auf jener Strecke viel teurer ist als auf anderen: Die Franzosen sind wenig begeistert von ihrem Autobahnsystem. Jedes Jahr im Sommer, wenn die Urlaubsfahrten anstehen, offenbaren Umfragen Volkes Unwillen. Der Vorwurf an die Betreiberfirmen lautet: Abzocke.

Doch zugleich fügen sich Frankreichs Autofahrer in das privatwirtschaftliche, benutzerfinanzierte Modell. Sie kennen ja nichts anderes. Seit 60 Jahren vergibt der Staat Konzessionen an Konzerne, die dafür Autobahnen bauen, pflegen und betreiben. Dafür sind die Bezahlstraßen in gutem Zustand - und nur zur Ferienzeit stark befahren. Kostenfreie Ausweichstrecken sind für die meisten Autofahrer trotz der hohen Tarife keine Option, weil das die Fahrzeit schnell verdoppelt oder verdreifacht. Anders verhalten sich Logistikunternehmen, bei denen viele Autobahnkilometer zum Kostennachteil werden: Sie schicken ihre Lastwagen oft über die Ausweichrouten. Der Versuch der französischen Regierung, eine Lkw-Maut auf den Nationalstraßen einzuführen, scheiterte vor wenigen Jahren an einem regelrechten Aufstand der Spediteure.

Für die drei Autobahnbetreiber indes ist das Mautsystem eine Goldgrube. Die Baukonzerne Vinci und Eiffage erwirtschaften mit den Gebühren weniger als die Hälfte ihrer Umsätze, aber einen Großteil ihrer Gewinne. 2014 bestätigte Frankreichs Wettbewerbsbehörde den Autofahrern sogar, dass ihr schlechtes Gefühl nicht trügt: Sie rügte unangemessen hohe Preiserhöhungen und Monopolrenditen von mehr als 20 Prozent. Und Frankreichs dritte Autobahnfirma, die 2000 Kilometer im Norden und Osten des Landes betreibt, gehört Abertis - dem Konzern also, um den sich Hochtief nun so mit den Italienern streitet.

Italien

Wer erstmals mit dem Auto die Alpen überquert, dürfte zunächst ratlos vor den Automaten stehen. Gleich hinter dem Brenner steht die erste Autobahn-Mautstation: Tickets ziehen, weiter geht's. Später beim Bezahlen geht es um die richtige Einfahrt. Einige sind nur für Barzahler, andere für Kartenzahler, und dann gibt es die für Dauerfahrer mit Telepass. Die Preise haben es in sich: Eine Fahrt vom Brenner bis Mailand kostet an die 30 Euro - für 380 Kilometer. Wer nach Rom will, sollte 50 Euro einkalkulieren. Man zahlt also, anders als etwa in Österreich, keine Pauschale. Je länger die Strecke, desto höher die Gebühr.

Viele Autobahnbetreiber verdienen am System: Der größte ist die Firma "Autostrade per l'Italia", die mittlerweile zum Konzern Atlantia gehört, der ebenfalls für Abertis bietet. Die von der Benetton-Familie geführte Firma kontrolliert in Nord- und Mittelitalien ein Netz von mehr als 3000 Kilometern. Die Textilfamilie aus dem Veneto hatte früh verstanden, dass man mit Autobahnen gutes Geld verdienen kann, wenngleich die nichts mit dem Verkauf bunter Strickpullover zu tun haben.

Auch wenn das Fahren auf Italiens Autostrade kein billiges Vergnügen ist - abschrecken lassen sich die Italiener nicht. Denn umständliche Reisen über ruckelige Landstraßen, durch ewige Kreisverkehre oder im Schneckentempo hinter Traktoren finden die meisten Italiener noch unangenehmer. Lieber zahlen sie, zumal es in Italien eh meistens schnell gehen muss.

Spanien

In manchen Teilen Spaniens haben Autofahrer die Wahl: Das Land verfügt über knapp 9000 Kilometer mautfreier Fernstraßen. Hinzu kommen etwa 3500 Kilometer mautpflichtiger Autobahnen. Das Gros entstand in den jüngsten drei Jahrzehnten und wurde von der EU mitfinanziert. Bei den Korruptionsverfahren der vergangenen Jahre stellte sich - keineswegs überraschend - heraus, dass viele Abschnitte zu überhöhten Preisen abgerechnet wurden; Politiker und Baufirmen teilten sich den Überschuss.

In den Boomjahren haben viele Planer aber einen Kardinalfehler begangen: Vor allem im Raum Madrid und in Tourismusregionen wurden Autobahnen parallel zu bestehenden, teils vierspurigen Fernstraßen gebaut. In der Folge benutzen die meisten Fahrer, inklusive Schwerverkehr, nach wie vor die kostenfreien Straßen, die oft durch Ortschaften führen, während die Betreiber der Autobahnen wegen der geringen Auslastung Verluste machen.

Immer wieder macht die fatale finanzielle Lage der Maut-Autobahnen in Spanien Schlagzeilen, immer wieder muss der Staat Geld nachschießen oder Garantien für Investoren abgeben. Hinzu kommt, dass es sich bei vielen Betreiber-Konsortien um Schachtelkonstruktionen handelt, an denen mehrere Konzerne, Banken oder Fonds beteiligt sind. Auch die Firma Abertis, um die nun der Bieterkampf tobt, war unter den Risikokandidaten. Mittlerweile betreibt Abertis aber auch Autobahnen in südamerikanischen Staaten und erwirtschaftet fast 800 Millionen Euro Gewinn bei einem Jahresumsatz von knapp fünf Milliarden Euro.

Nach langen Diskussionen legte das Verkehrsministerium kürzlich ein Konzept vor, wonach Spanien bis Ende 2018 Investoren für Autobahnen und vierspurige Fernstraßen finden will. Eine Verstaatlichung der Autobahnen sei nicht geplant.

Schweiz

Aus deutscher Perspektive ist es eine Zumutung. Kaum wechseln die Autobahnschilder von blau zu grün, wird es teuer. 40 Franken, etwa 35 Euro, kostet eine Vignette, die zur Fahrt auf Schweizer Nationalstraßen berechtigt. Anders als in südeuropäischen Staaten zahlen die Autofahrer ihre Abgabe aber nicht an private Betreiber, sondern an den Staat. Wenn man in der Schweiz lebt, fällt der Betrag nicht groß ins Gewicht - wer aber nur ein paar Kilometer durch die Schweiz fahren will, fühlt sich schnell abgezockt. Doch auch die Schweizer finden ihre Autobahnen teuer. Ein Vorstoß der Regierung, die Gebühr auf 100 Franken anzuheben, wurde 2013 von den Bürgern verworfen - und nicht wenige fahren auch mal ohne Vignette auf die Nationalstraße. Die Missbrauchsquote soll bei fünf Prozent liegen, dem Staat entgehen dadurch Millionen.

Grundsätzlich aber sind Schweizer Fahrer an strenge Regeln und harte Strafen gewöhnt: Wer zu schnell fährt, falsch parkt oder eine durchgezogene Linie überfährt, muss mit hohen Bußen rechnen. Im Extremfall wird das Auto an Ort und Stelle beschlagnahmt. Wer einen teuren Sportwagen hat, fährt daher gerne gen Norden. In Baden-Württemberg beschwert man sich immer wieder über Schweizer, welche die vergleichsweise sanften deutschen Regeln als Einladung zum Rasen verstehen.

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