Süddeutsche Zeitung

Autobahn-Maut:Dobrindt weiß seit einem Jahr von zu hohen Maut-Zahlungen

  • Mehr als ein Jahr lang zahlte das Verkehrsministerium wissentlich zu hohe Vergütungen an private Autobahnbetreiber.
  • Die zu hohen Zahlungen entstanden, weil die für die Maut-Erhebung verwendete Technik keinen Unterschied zwischen großen und kleinen Lkw machte.
  • Ob die Autobahnbetreiber das Geld zurückzahlen müssen, ist umstritten.

Von Markus Balser, Berlin

Die Abrechnungsprobleme bei der Lkw-Maut sind dem Bundesverkehrsministerium mindestens seit Juli 2016 bekannt. Dokumenten zufolge, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, forderte die Verwaltung bereits vor mehr als einem Jahr von Betreibern eine Rückerstattung von Maut-Vergütung ein. Dies sei erforderlich, weil eine "Separierung" der neu erfassten 7,5-Tonnen-Lkw vom gesamten mautpflichtigen Verkehr nicht möglich sei, heißt es in einem Papier. Das Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU) hatte zu Fragen bislang geschwiegen, seit wann es von zu hohen Zahlungen an private Mautbetreiber weiß.

Damit wird nicht nur deutlich, dass das Verkehrsministerium mehr als ein Jahr lang wissentlich zu hohe Vergütungen gewährte und bislang keine Lösung fand, das Problem abzustellen. Es wird auch klar, dass um die Summen teilweise hart gerungen wird. Trotz Aufforderung gelang es dem Bund bislang nicht, die Mittel zurückzubekommen. Wem welche Einnahmen zustehen, ist umstritten. Auch wer für eine Lösung die Verantwortung trägt.

Abrechnungssystem kann nicht zwischen großen und kleinen Lastern unterscheiden

Dem Bundeshaushalt sind nach Angaben aus Regierungskreisen seit Einführung der Lkw-Maut auch für kleinere 7,5-Tonnen-Lkw im Oktober 2015 bereits Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe entgangen. Der Grund: Das Abrechnungssystem kann nicht zwischen den kleineren und großen Zwölf-Tonnen-Lkw unterscheiden. Für kleine Lkw stehen den privaten Autobahnbetreibern aus Sicht des Bundes die Einnahmen aus der Maut gar nicht zu. Der Bund überlässt den privaten Betreibern die Einnahmen bislang dennoch, weil das Abrechnungssystem die kleineren mautpflichtigen Fahrzeuge nicht herausrechnen kann.

Minister Dobrindt erklärte am Montag, man prüfe die Zahlen: "Da geht es um Beträge zum Beispiel bei der Frage A 1 zwischen Hamburg und Bremen - jetzt überschlagsmäßig, wir rechnen das gerade - in einem Bereich von mehreren Hunderttausend Euro im Jahr." Insgesamt liege die Summe der unter Vorbehalt ausgezahlten Vergütung nach Schätzungen des Ministeriums pro Jahr bei etwa fünf Millionen Euro. Allein in Kreisen des A 1-Finanzierungskonsortiums ist jedoch von einem Volumen von vier Millionen Euro für zwei Jahre die Rede. Betroffen sind mehrere Betreiber.

Die Kritik an der Maut-Politik der Bundesregierung wächst. Die Grünen warfen Dobrindt einen "grob fahrlässigen Umgang mit Steuergeld" vor. Wider besseres Wissen setze er weiter auf "teure" öffentlich-private Partnerschaften im Straßenbau, erklärte Spitzenkandidat Cem Özdemir. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte, es gebe "keine Notwendigkeit", die öffentliche Infrastruktur auf diese Weise zu finanzieren. Auch der mögliche Unions-Koalitionspartner FDP geht auf Distanz zu Dobrindt. "Hier waren offenbar Dilettanten am Werk, die Rechnung müssen die Steuerzahler begleichen", sagte FDP-Präsidiumsmitglied Christian Dürr am Montag.

Über die Lkw-Maut nimmt der Staat insgesamt jährlich mehr als vier Milliarden Euro ein. Die Abrechnung erfolgt über das Unternehmen Toll Collect im Auftrag des Bundes. Laut Toll Collect gab es keinen Auftrag, bei der Erfassung der Maut zwischen kleinen und großen Lkw zu unterscheiden. In Deutschland gibt es drei Millionen Lastkraftwagen. Zweieinhalb Millionen zählen zu den kleinen Lkw (bis 7,5 Tonnen). 500 000 haben laut Bundesverband Güterkraftverkehr ein größeres zulässiges Gesamtgewicht und unterliegen der Maut. Ein Drittel davon sind 7,5-Tonner, zwei Drittel sind Zwölf-Tonnen-Lkw.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2017/mahu
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