Süddeutsche Zeitung

Gebrauchtwagenhandel:Eine Milliarde für Auto 1

Die Gebrauchtwagen-Plattform will an die Börse gehen und den Erlös in weiteres Wachstum investieren. Auto 1 ist das erste Unternehmen, das in diesem Jahr an den deutschen Aktienmarkt will.

Von Caspar Busse

Es wäre die Premiere am deutschen Aktienmarkt im Jahr 2021: Auto 1, nach eigenen Angaben Europas führende Online-Plattform für den Kauf und Verkauf von Gebrauchtwagen, will demnächst an der Börse in Frankfurt starten und dabei etwa eine Milliarde Euro erlösen. Nach Schätzungen liegt der Gesamtwert des Unternehmens derzeit bei mindestens sechs Milliarden Euro, so viel ist derzeit Lufthansa wert. Der Umsatz von Auto 1 lag zuletzt bei rund 3,5 Milliarden Euro, mehr als 615 000 Fahrzeuge wurden 2019 verkauft. Die Internetseite in Deutschland heißt unter anderem "wirkaufendeinauto.de", daneben gibt es eine Reihe weiterer Portale.

Im vergangenen Jahr ging nur ein knappes Dutzend deutscher Unternehmen an die Börse, oft kleinere oder mittlere. Daneben nahm etwa Siemens Energy als Abspaltung von Siemens die Notierung auf. In diesem Jahr gibt es - auch angesichts der guten Stimmung an den Aktienmärkten - schon mehrere Projekte. So plant Vantage Towers, die Funkmasten-Sparte von Vodafone, den Börsengang im Frühjahr, diese könnte einen Börsenwert in zweistelliger Milliarden-Höhe erreichen. Daneben haben der Mode-Versandhändler About You aus dem Otto-Konzern, der Labordienstleister Synlab und der Betriebssystem-Anbieter Suse Pläne für eine Aktiennotiertung. BASF will 2021 mit dem Gas- und Öl-Produzenten Wintershall einen neuen Versuch für ein Listing nehmen. Erst an diesem Dienstag hatte Mytheresa, ein Onlinehändler für Luxusmode aus der Nähe von München, seine Börsenpläne veröffentlicht, angestrebt wird aber eine Notierung an der New Yorker Börse, nicht in Frankfurt.

Auto 1 soll nun den Anfang hierzulande machen. Dazu ist eine Kapitalerhöhung geplant, daneben wollten auch einige bestehende Aktionäre Papiere verkaufen. 750 Millionen Euro vom Erlös will Auto 1 in das eigene Wachstum investieren, mit dem Rest soll eine Wandelanleihe zurückgezahlt werden. Als Datum wird das erste Quartal angepeilt, teilte Auto 1 mit. In der Regel dauert es von der nun getätigten offiziellen Ankündigung bis zur Erstnotiz nur etwa vier Wochen, also bis Anfang Februar. Organisiert wird der Börsengang von den Investmentbanken BNP Paribas, Citi, Goldman Sachs und der Deutschen Bank.

Für die Bewertung von Gebrauchtwagen hat Auto 1 eine eigene Software entwickelt

Auto 1 wurde 2012 von Christian Bertermann und Hakan Koç gegründet, ersterer ist Vorstandsvorsitzender, zweiterer ist zuletzt in den Aufsichtsrat gewechselt, der von Gerhard Cromme, dem langjährigen Chefaufseher von Siemens, geleitet wird. Seit 2012 expandierte Auto 1 zügig und ist heute in mehr als 30 Märkten in ganz Europa tätig. In den Jahren 2014 bis 2019 wuchs der Umsatz erheblich, finanziert wurde das durch internationale Investoren. 2018 etwa stieg der japanische Technologiekonzern Softbank mit mehr als einer halben Milliarde Euro ein, er hält derzeit etwa 20 Prozent der Anteile. Gut 30 Prozent sind in den Händen der Gründer, der Rest bei knapp 20 weiteren Investoren, darunter auch Hedgefonds.

"Wir wollen in den nächsten Jahren erheblich investieren, um unsere Marke Autohero und unser operatives Geschäft weiter auszubauen", so Bertermann. Im Bereich "Autohero" werden hochwertigere Gebrauchtwagen online an Privatkunden verkauft und teilweise mit verglasten Transportern ausgeliefert, das soll forciert werden. Bislang ist Auto 1 vor allem auf das Geschäft mit anderen Gebrauchtwagenhändlern konzentriert.

"Unsere Mission ist es, die beste Plattform zu schaffen, um Autos online zu kaufen und zu verkaufen", teilte Auto 1-Chef Bertermann mit. Zuletzt wurde im Quartal zum ersten Mal Gewinn gemacht. Der Börsengang sei nun "ein neues Kapitel". Zur Bewertung der Gebrauchtwagen wurden in der Vergangenheit eigene Algorithmen und eine spezielle Software entwickelt. In der Corona-Krise ist der Umsatz von Auto 1 aber zurückgegangen. Der Absatz von neuen und gebrauchten Fahrzeugen litt generell sehr unter der Pandemie, das bekam auch Auto 1 zu spüren.

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