Das gab es wohl auch noch nie bei einer Automesse: Die Regierungschefin kommt zur Tür herein - und bekommt spontanen Applaus. Aber diesmal soll ja alles anders sein, und ist es auch: Die IAA ist das erste Mal in München, was den bayerischen Ministerpräsident Markus Söder zum etwas schiefen Ausspruch "Auto's coming home" verleitet. Nicht nur Blech und Chrom sind in den Hallen zu sehen, sondern Visionen der Mobilität von morgen, wie sie hier sagen. Und vor allem: Es ist der wohl letzte Auftritt von Angela Merkel bei der ihr wichtigsten Industrie.
Auch wenn Vorgänger Gerhard Schröder den Begriff gepachtet zu haben schien, Angela Merkel ist die wahre Autokanzlerin. Sie hat die Branche durch die Wirtschaftskrise und die Corona-Seuche gebracht, auch mit Milliardenhilfen, beim Dieselskandal half sie eher mit strengen Worten. Da kann man schon mal klatschen.
Auch wenn das nicht alle so sehen. Lange an diesem Dienstag schien nicht ganz klar, dass die IAA überhaupt rechtzeitig starten kann. Denn bereits am Morgen hatten die vielen Demonstrationsgruppen mit Blockadeaktionen begonnen. So ziemlich alle Autobahnen waren gesperrt, weil sich Aktivisten von Brücken abgeseilt hatten: "Nächste Ausfahrt Klimakrise" stand da. Und statt "Neufahrn" lasen Autofahrer am entsprechenden Autobahnkreuz: "Verkehrskollaps".
Auch das ist anders: Die Proteste haben im Vergleich zur letzten IAA vor zwei Jahren nochmals zugenommen, so wie eben auch der Klimawandel noch einmal an Priorität gewonnen hat seitdem.
Und das Thema - der Klimawandel und die Maßnahmen dagegen - zieht sich dann auch durch diese Eröffnung in der etwas unterkühlten Halle. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter als Gastgeber gibt den Moderator. Er appelliert an die Demonstranten, ihren Protest friedlich zu äußern, wobei die heftig Kritik an der Stadt üben: In den Außenflächen, den "Open Spaces", habe die Kommune ihr Hausrecht komplett abgegeben und sich damit zum Büttel der Industrie gemacht. Reiter kennt das - und appelliert an die Wirtschaftsleute im Saal: "Hören Sie gut zu, was diskutiert wird."
Reiter ist sich bewusst, dass es nicht so einfach sein wird, die Menschen weg aus dem Auto und hin zu mehr ÖPNV zu bekommen. Er referiert die weiter steigenden Zulassungszahlen für neue Wagen in der Stadt und schließt daraus: So wirklich verabschieden wollen sich viele doch noch nicht vom eigenen Pkw.
Söders Überraschungsgast kommt aus Baden-Württemberg
Das weiß natürlich auch der bayerische Ministerpräsident. Söder hat viele "Autofans" ausgemacht, deshalb brauche man in Deutschland eine "starke Automobilität". Andere Formen der Mobilität? Um die geht es dem CSU-Mann nur am Rande. Ja, wir mögen auch Fahrräder und den ÖPNV, "aber auch in der Bahn ist es sehr voll." Und übrigens: "Nicht jeder in Deutschland kann bei Wind und Wetter seine Arbeit mit dem Fahrrad erreichen."
Der Ton ist also dann doch wieder gesetzt in Richtung der Autoindustrie. Und die erwartet von der nächsten Bundesregierung deshalb vor alle die richtigen Rahmenbedingungen für klimaneutrale Mobilität. Die Branche stehe "ohne Wenn und Aber" zum Ziel der Klimaneutralität, sagte die Präsidentin des Branchenverbandes VDA, Hildegard Müller. Aber die Politik müsse hierzu auch für genug Ökostrom sorgen, für ein Ladenetz und den Unternehmen das für den Umbau notwendige Geld lassen.
Und die Kanzlerin? Die ist erst nüchtern wie man sie kennt, vielleicht auch, weil sie vormittags noch im Bundestag zu Afghanistan debattieren musste. "Da müssen wir noch besser werden", sagt sie jedenfalls zu den Ladesäulen und stellt dann noch treffend fest, dass das Topthema Elektromobilität vor wenigen Jahren noch von Zurückhaltung geprägt gewesen sei. Immerhin: Nach einer Stunde Rundgang über die Messe - ganz ohne Publikum angesichts der Protestlage - gibt sie sich differenzierter. Es sei "ein angedeuteter Qualitätssprung in Richtung des autonomen Fahrens" zu sehen, sagt sie. Das kann man je nach Laune als Lob oder Tadel interpretieren, wobei sie immer enttäuscht ist, wenn sich ein Projekt nur als Visionsfahrzeug entpuppt. Über jeden Zweifel erhaben ist hingegen ihr Urteil bei der Elektromobilität: "Es ist gegenüber der letzten IAA ein wirklicher Quantensprung." Alle hätten nun alltagstaugliche, kaufbare E-Autos im Angebot.
Eine Million solcher Fahrzeuge solle es im Jahr 2020 geben, habe Merkel einst als Ziel ausgerufen, erinnert BMW-Chef Oliver Zipse, auf dessen Stand die Kanzlerin ihr kurzes Resümee zieht. Und mit nur wenig Verspätung habe man das inzwischen geschafft. "Dankeschön für 16 Jahre", sagt Zipse. "Wir werden Sie vermissen."