Süddeutsche Zeitung

Auto für maximal 3000 Euro:Renault setzt auf superbillig

Zuhause lockt die Staatshilfe, der französische Autobauer Renault will trotzdem lieber in Marokko ein neues Auto bauen - maximal 3000 Euro soll es kosten. Von 2016 an soll es vom Band laufen. Frankreich reagiert geschockt, die politische Klasse in Paris ist empört.

Michael Kläsgen

Mit solchen Sprüchen kann man sich unbeliebt machen, aber Carlos der Große hat kein Problem damit. "Billig ist nicht billig genug", verkündete der Herr des Autoreichs von Nissan und Renault. "Deswegen machen wir jetzt Autos, die superbillig sind." Carlos Ghosn, der Franzose libanesisch-brasilianischer Abstammung, einst als Retter der französischen Autoindustrie angetreten, sagte dies am Standort des künftigen Superbilligautos, im marokkanischen Tanger. Dort fertigt Renault von diesem Jahr an zwei Billigautos der Marke Dacia.

Ghosn will allerdings noch mehr. Er treibt die Billigheimer-Strategie auf die Spitze. Er plant ein Superbilligauto für maximal 3000 Euro. Von 2016 an soll es in Tanger vom Band laufen. Ghosn hat dafür eine einfache Erklärung. Der in Rumänien produzierte Billigwagen Logan mit einem Preis ab 6700 Euro ist für Länder wie Indien zu teuer, sagt er. Der Grund: In Rumänien kostet die Arbeitsstunde sechs Euro - in Marokko nur 4,50 Euro. Also ab nach Nordafrika.

Die politische Klasse in Paris ist empört. Es waren die falschen Worte zum falschen Zeitpunkt. Rechts wie links überbieten sich derzeit die wahlkämpfenden Politiker in Beschwörungen des "Made in France". Ausgerechnet aber der einstige Vorzeige-Hersteller Renault, an dem überdies der Staat beteiligt ist, verlagert die Produktion in einem Maße wie kaum ein anderer Konzern ins Ausland: Spanien, Slowenien, Türkei, jetzt Marokko. Nur noch etwa jedes fünfte Auto fertigt Renault in der Heimat.

Dabei kam die Regierung Ghosn in jeder Hinsicht entgegen: Sie sponsert die Elektro-Offensive, bezuschusst Werke, stampfte die Gewerbesteuer ein, vergab Milliarden-Kredite und half mit der Kurzarbeit-Regelung. Jetzt will sie auch noch die Mehrwertsteuer erhöhen, um die Arbeitskosten zu senken.

"Das ist eine Provokation"

Deswegen reagierten nicht nur Oppositionspolitiker entsetzt auf die Pläne Renaults. Der ehemalige Industrieminister Christian Estrosi konnte kaum an sich halten: "Ich bin schockiert. Das ist eine Provokation", schimpfte der Düpierte. "Das Problem mit Ghosn ist, dass er niemals die Wahrheit sagt." Wenn Renault nicht umgehend beschließe, seine Produktion in Frankreich um zehn Prozent zu steigern, werde er das Parlament auffordern, eine Untersuchungskommission einzurichten.

Ghosn hingegen insistierte: Billig und Frankreich, das sei "inkompatibel". Es handele sich im Übrigen nicht um eine "Verlagerung". Billigautos könnten in den Fabriken von Flins oder Douai per Definition nicht gebaut werden. Die Wagen kämen vielmehr zur französischen Produktion hinzu.

Und er legte noch einen drauf: Frankreich verdiene an jedem in Marokko gefertigten Auto 800 Euro, 400 Euro an gelieferten Stückkosten und 400 Euro an Ingenieursleistung. Das Superbilligauto sei zudem nicht für den europäischen Markt gedacht. Es entspreche nicht den hiesigen "Normen". Es verdränge daher auch keine französischen Wagen von der Straße in Europa. Also keine Aufregung bitte.

Dies vermochte die Gemüter kaum zu beruhigen. Das Verhältnis zwischen Ghosn und seinem Hauptaktionär Staat ist vergiftet, seitdem der Renault-Chef eine Spionage-Affäre aufbauschte, die keine war, aber alle blamierte. Erstmals wurde damals über seine Ablösung spekuliert. Jetzt hebt Christian Estrosi das leuchtende Beispiel Peugeot Citroën hervor. "Citroën hat seine Produktion um zehn Prozent in Frankreich gesteigert und die von Peugeot stabilisiert, und zwar ohne den Aktionär Staat an seiner Seite."

Der Konkurrent distanziert sich ausdrücklich von der Billig-Strategie Renaults. Marken wie Dacia seien keinesfalls geplant, so dementierte der Konzern alle Spekulationen. Die eingestampften Marken Simca und Talbot würden nicht wiederbelebt. Im Gegenteil: Peugeot und Citroën wollten dem Volkswagen-Konzern mit mehr Qualität und einem hochwertigen Image Paroli bieten. 80 Prozent der Motoren und fast die Hälfte aller Autos würden in Frankreich hergestellt. Das hört die Regierung gern.

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SZ vom 11.02.2012/ros
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