Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Sie läuft und läuft und läuft

Der deutschen Autoindustrie wurde zu Unrecht der baldige Untergang prophezeit. Denn der Wunsch nach einem eigenen Fahrzeug wird bleiben - dann steht man eben mit dem Elektro-SUV im Stau.

Von Christina Kunkel

Was haben sie gejammert, die Autobosse. Es war aber auch wirklich viel, was in den vergangenen Jahren von ihnen verlangt wurde: Sie sollten möglichst bald saubere Autos bauen, mit denen sich zunächst weniger Geld verdienen lässt. Gleichzeitig müssen sie in die neue Technik viele Millionen investieren und Mitarbeiter umlernen oder gar entlassen. Und dann noch die Corona-Pandemie, während der auch mal gar keine Autos gebaut, geschweige denn gekauft wurden. Manchmal erschien es so, als ob die deutsche Autoindustrie tatsächlich keine Zukunft mehr hätte. Das Auto würde zum Auslaufmodell, stattdessen führen alle mehr Bahn, Rad und bald auch Robotaxi. Doch alles das wird so schnell nicht passieren. Vielleicht sogar nie.

Die aktuellen Zahlen lassen beim besten Willen keinen Grund zum Jammern erkennen: Daimler, VW, BMW, Tesla - sie alle vermeldeten zuletzt Rekordabsatzzahlen oder gar Rekordgewinne. Dass nach dem miesen Corona-Jahr 2020 im ersten Halbjahr 2021 mehr Fahrzeuge verkauft werden würden, war keine Überraschung. Doch die Zahlen sind bei einigen Firmen besser als vor der Pandemie. Und das trotz des Mangels an Computerchips, der mittlerweile bei allen Herstellern dazu führt, dass weniger Autos produziert als eigentlich nachgefragt werden. Der Trend zeigt klar: Eine Abkehr vom Auto wird es auf absehbare Zeit nicht geben.

Genauso wenig wie eine Abkehr vom SUV, dessen Anteil mittlerweile bei mehr als jedem dritten Neuwagenkauf liegt. Zumindest das Stigma des obersten Klimakillers können die Stadtgeländewagen ein bisschen abschütteln, wenn sie zunehmend als Elektroauto gekauft werden. Das Platzproblem ist damit freilich nicht gelöst, geschweige denn eine Antwort auf die Frage gefunden, wie lange das Geschäftsmodell "individuelle Mobilität" für die Autokonzerne noch so einträglich sein wird, wie es im Moment ist. Doch selbst wenn immer wieder von Robotaxis geredet wird, die noch in diesem Jahrzehnt durch manche Städte rollen sollen: Viele Menschen werden weiterhin auch ein eigenes Auto haben.

Zumindest haben mittlerweile die meisten Autohersteller verstanden, dass der Weg zu klimaneutralen Fahrzeugen nur über die Abkehr vom Verbrennungsmotor führt. Dass immer mehr Konzerne konkrete Ansagen machen, wann die letzte Verbrennerplattform ausläuft oder sogar von welchem Jahr an man nur noch elektrische Neufahrzeuge verkaufen will, ist ein wichtiges Signal, auch wenn es natürlich getrieben ist von den Regulierungsbehörden auf dieser Welt. Man könnte auch sagen: Eine Wahl haben die Autobauer in den meisten Ländern sowieso bald nicht mehr.

Umso irritierender ist es, dass es in der Branche immer noch Stimmen gibt, die Wasserstoff oder E-Fuels im Pkw eine große Zukunft bescheinigen und so tun, als wäre es ein Akt der politischen Willkür, diese Techniken als zukunftsuntauglich zu erklären. Dabei ist es eine Tatsache, dass sie im Vergleich zum Elektroantrieb ineffizient und unwirtschaftlich sind - sowohl für die Unternehmen als auch für die Kunden.

Als letzter deutscher Premiumhersteller hält BMW daran fest, auch Autos mit Brennstoffzellenantrieb zu bauen. Interessanterweise sollen diese laut Konzernchef Zipse dort fahren, wo es keine Infrastruktur für Elektromobilität gibt. Welche Regionen dieser Erde das sein sollen, an denen man keine Lademöglichkeiten schaffen, aber dafür um ein Vielfaches teurere Wasserstofftankstellen bauen kann, das bleibt bislang sein Geheimnis.

In Städten sind viele Ladesäulen fast durchgehend belegt

Davon abgesehen haben die Automanager recht, wenn sie jetzt umso nachdrücklicher fordern, mehr Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur zu machen. Während es in ländlichen Gebieten noch viel Potenzial gibt, E-Autos mit Strom vom eigenen Dach in der Garage aufzuladen, wird die Situation in den Ballungsräumen zunehmend schwieriger. Obwohl nur ein kleiner Teil der Autos in den Städten bislang elektrisch fährt, sind viele Ladesäulen dort fast durchgehend belegt. Auch zahlreiche Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern noch keine Möglichkeit, ihr Fahrzeug während der Arbeit zu laden. Dort müssen jetzt schnell verbindliche Vorgaben her, damit auch die Autofahrer auf Elektro umsteigen, die zu Hause keine Wallbox haben.

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