Auto:Autobranche vor der IAA: Der Motor stottert

Lesezeit: 3 Min.

Mitarbeiter im BMW-Werk Leipzig arbeiten in der Montage des i8. Die deutsche Autoindustrie ist nach den Corona-Lockdowns wieder in Fahrt gekommen. (Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)

Die deutsche Autoindustrie ist nach den Corona-Lockdowns wieder in Fahrt gekommen - aber noch weit entfernt von früheren Erfolgen. Hauptgrund sind die...

Direkt aus dem dpa-Newskanal: Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.

München (dpa) - Die deutsche Autoindustrie ist nach den Corona-Lockdowns wieder in Fahrt gekommen - aber noch weit entfernt von früheren Erfolgen. Hauptgrund sind die Lieferengpässe bei Elektronikbauteilen.

„Der weltweite Automarkt erholt sich, aber mit angezogener Handbremse“, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Der Markt habe zwar gegenüber 2020 schon aufgeholt, „global gesehen sind wir allerdings vom Vorkrisenniveau 2019 noch ein ganzes Stück entfernt“, sagt auch Hildegard Müller, Präsidentin des Branchenverbandes VDA.

Und dabei hatten die Autobauer schon damals über sinkende Verkaufszahlen geklagt: Bei der letzten Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt 2019 waren die Nachfrageflaute, der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie der Brexit große Themen. All das spielt bei der nächste Woche beginnenden IAA in München keine Rolle mehr. Im Gegenteil: Die Auftragsbücher füllen sich - und die Autobauer können nicht genug Autos bauen und müssen ihre Bänder tage- oder wochenweise anhalten, weil Halbleiter und Mikrochips fehlen.

Im ersten Halbjahr hat die Branche das noch ganz gut weggesteckt. Volkswagen, Daimler, BMW meldeten starke Absatzzahlen und hohe Gewinne, ebenso wie Toyota, Stellantis und andere. Branchenanalyst Frank Schwope von der NordLB erklärte das auch mit nachgeholten Autokäufen, umfangreichen Sparprogrammen und einer Konzentration auf margenstarkes Geschäft. Und: In Zeiten der Pandemie nehme auch die Wertschätzung für individuelle Mobilität zu, sagt Dudenhöffer.

Aber wegen weltweiter Lieferengpässe bei Chips konnte VW schon bis Juni eine hohe sechsstellige Zahl an Autos nicht wie geplant bauen. BMW könnte dieses Jahr ohne die Engpässe nach eigenen Angaben wohl etwa 70.000 bis 90.000 Autos mehr verkaufen. Branchenprimus Toyota kündigte an, seine Produktion im September wegen fehlender Chips um 40 Prozent herunterzufahren.

Ohne Chip-Krise könnten die Autobauer dieses Jahr weltweit 5,2 Millionen Autos mehr verkaufen, schätzt Dudenhöffer. Damit kämen sie sogar knapp über die 79,9 Millionen des Jahres 2019. So aber dürfte der globale Absatz unter 75 Millionen Autos bleiben.

Sorgen macht auch China - längst mit Abstand größter Markt für die deutschen Autobauer. „China ist die Lokomotive des weltweiten Autogeschäfts, und diese Lokomotive hat in den letzten drei Monaten deutlich an Schub verloren“, sagt Dudenhöffer. „Auch in den kommenden Monaten muss man mit eher rückläufigen Verkaufszahlen in China rechnen.“ Im laufenden Jahr dürften in der Volksrepublik 21,3 Millionen Autos verkauft werden und damit etwas mehr als 2019. Aber von den 24,2 Millionen des Jahres 2017 sei der Markt weit entfernt.

Die Aussichten sind nicht so toll, urteilt auch die Unternehmensberatung Roland Berger: „Die Anzahl produzierter Fahrzeuge der deutschen Automobilhersteller sank 2020 um 16 Prozent auf 13,5 Millionen Einheiten weltweit. Mit einer Erholung auf Vorkrisenniveau ist nicht vor 2023 zu rechnen.“ Für die Autofabriken in Deutschland hat der VDA seine Produktionsprognose im laufenden Jahr von 4,0 auf 3,6 Millionen gesenkt.

In zwei Jahren dürfte die Chip-Krise ausgestanden sein. Aber dann droht laut Dudenhöffer schon der nächste Engpass: Ab 2024 „wird die starke Nachfrage nach Elektroautos zu einer Verknappung des Batterie-Zellangebots führen“. Zwar werden Zellfabriken gebaut. „Aber auch hier gibt es wie bei den Halbleitern nicht den „Zauberstab“, der über Nacht die Fabriken aus dem Boden wachsen lässt.

Die deutsche Autoindustrie verdient ihr Geld heute noch vor allem mit Benzin- und Dieselautos, doch sie hat ihr Angebot an E-Autos kräftig ausgebaut. „Deutschland ist heute der drittgrößte Produzent von E-Fahrzeugen weltweit“, betont VDA-Präsidentin Müller. Mit den verschärften CO2-Vorgaben der EU müssten 2030 schon zwei Drittel der verkauften Autos in Europa elektrisch fahren. Der VW-Konzern könnte dieses Jahr schon 500.000 bis 700.000 E-Autos verkaufen und spätestens 2024 Weltmarktführer bei E-Autos sein, erwartet Schwope. Mercedes-Benz will bis 2030 vollelektrisch werden, „wo immer die Marktbedingungen es zulassen“, und Audi will nach 2033 keine Autos mit Verbrennermotor mehr bauen, außer in China.

Bis 2025 investiert die deutsche Autoindustrie laut VDA rund 150 Milliarden Euro in E-Mobilität und Digitalisierung. Aber nicht alle können das Tempo mithalten. Laut Roland Berger ist die schnelle Elektrifizierung für viele mittelständische Zulieferer ein „Frontalangriff auf die Geschäftsmodelle“. Spätestens in fünf Jahren würden die letzten Programme mit reiner Verbrennertechnologie vergeben. Viele Zulieferer könnten die Transformation nicht stemmen, erwarteten eine Verlagerung großer Teile der Wertschöpfung ins Ausland und sähen sich in ihrer Existenz bedroht.

Audi-Chef Markus Duesmann erwartet weitere Fusionen und Übernahmen, auch bei den Autokonzernen: „Sie werden als kleiner Automobilhersteller nicht alles alleine stemmen können“. Im Januar erst entstand aus Fiat-Chrysler und PSA der Stellantis-Konzern mit Marken wie Opel, Peugeot, Citroen, Jeep und Maserati. Schwope sieht schon einen weiteren Kandidaten: „Nach dem Herauslösen der Daimler Trucks Ende des Jahres könnte für Mercedes-Benz ein stärkeres Heranrücken an BMW oder den 10-Prozent-Eigner Geely/Volvo Sinn machen.“

© dpa-infocom, dpa:210901-99-44763/2

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: